Medizinrecht

Syndikusanwalt: Keine Zulassung bei Tätigkeit für Kunden des Arbeitgebers, auch bei geringer Wahrnehmung dieser beratenden Tätigkeit

Aktenzeichen  AnwZ (Brfg) 23/19

Datum:
22.6.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:220620UANWZ.BRFG.23.19.0
Normen:
§ 46 Abs 3 BRAO
§ 46 Abs 5 BRAO
Spruchkörper:
Senat für Anwaltssachen

Leitsatz

1. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt setzt voraus, dass die anwaltliche Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis des Antragstellers prägt. Eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten von Kunden des Arbeitgebers stellt keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers dar, selbst wenn sich dieser zu einer Beratung des Kunden verpflichtet hat (Fortführung von Senat, Urteile vom 2. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff. und vom 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 58/17, juris Rn. 11).
2. Die rechtliche Beratung von Kunden des Arbeitgebers steht nach § 46 Abs. 5 BRAO einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegen, auch wenn die Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers die Tätigkeit des Antragstellers prägt und dieser nur vereinzelt dessen Kunden berät. Jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers schließt unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus.

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 24. Mai 2019, Az: AnwZ (Brfg) 23/19, Beschlussvorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 23. November 2018, Az: 1 AGH 23/18, Urteil

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. November 2018 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen abgeändert:
Der Bescheid der Beklagten vom 24. April 2018 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin. Die Beigeladene ist auf Grund eines Arbeitsvertrags vom 22. Dezember 2017 seit dem 15. Januar 2018 bei der Firma s.                    GbR als “Syndikusanwältin und Datenschutzbeauftragte” eingestellt. Am 16. Januar 2018 beantragte sie ihre Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Der Antrag ging am 18. Januar 2018 bei der Beklagten ein. In der dem Antrag beigefügten Tätigkeitsbeschreibung war unter anderem angegeben, dass die Beigeladene “auch einige Kunden in Datenschutzbelangen rechtlich beraten wird”. Die Klägerin wurde angehört und ist dem Antrag entgegengetreten. Die Beklagte hat die Beigeladene mit Bescheid vom 24. April 2018 als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Zulassungsbescheids erreichen wollte.
2
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
3
Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin lägen vor. Es begegne keinen Bedenken, dass die Beigeladene in Einzelfällen die Kunden ihres Arbeitgebers in Datenschutzbelangen rechtlich beraten habe. Diese Rechtsdienstleistung habe im Zusammenhang mit dem vom Arbeitgeber der Beigeladenen gebotenen Service und Support von IT-Lösungen gestanden, sei eine Nebenleistung zur Haupttätigkeit des Arbeitgebers und damit nach § 5 RDG erlaubt.
4
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung. Sie hält den Zulassungsbescheid für rechtswidrig. Dieser sei bereits nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG. Der Zulassung stehe zudem § 46 Abs. 5 BRAO entgegen, weil die Beigeladene – bezogen auf den Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung – nicht nur ihren Arbeitgeber, sondern in Einzelfällen auch dessen Kunden rechtlich im Bereich des Datenschutzes beraten habe.
5
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 23.11.2018 – 1 AGH 23/18 – den Bescheid der Beklagten vom 24.04.2018 aufzuheben.
6
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
7
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Zulassungsbescheid sei hinreichend bestimmt und § 46 Abs. 5 BRAO stehe einer Zulassung nicht entgegen.
8
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10
Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 und 6 VwGO). Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Aufhebung des Zulassungsbescheids vom 24. Oktober 2018.
I.
11
Der Zulassungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
12
1. Dies ergibt sich allerdings nicht aus einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot. Der Zulassungsbescheid ist entgegen der Ansicht der Klägerin inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 37 Abs. 1 VwVfG).
13
a) Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts richten sich nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, BeckRS 2018, 3987 Rn. 6 mwN). Der Zulassungsbescheid hatte die Vorgaben der §§ 46 ff. BRAO für die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin umzusetzen. Die Zulassung bezieht sich, wie sich aus § 46 Abs. 3 Satz 1 BRAO ergibt, auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis muss den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO genügen. Entspricht die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit diesen Anforderungen nicht oder nicht mehr, ist die Zulassung zu widerrufen (§ 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO; vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2018 – AnwZ (Brfg) 12/17, BGHZ 217, 226 Rn. 14). Werden nach einer Zulassung weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen oder tritt innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit ein, ist auf Antrag die Zulassung auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken (§ 46 b Abs. 3 BRAO). Daraus folgt, dass der Zulassungsbescheid das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen muss, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind. Die Zulassung bindet überdies gemäß § 46 a Abs. 2 Satz 4 BRAO den Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB VI. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt. Diese muss sich folglich aus dem Zulassungsbescheid ergeben (vgl. für Vorstehendes Senat, Urteil vom 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 68/17, NJW 2018, 3712 Rn. 9; Beschluss vom 27. Februar 2019 – AnwZ (Brfg) 36/17, juris Rn. 5).
14
b) Zur Ermittlung des objektiven Erklärungswerts des Verwaltungsakts können neben dem Tenor alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände einschließlich der Begründung des Bescheids und dort in Bezug genommener Unterlagen herangezogen werden. Die Begründung ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Sie bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, so dass sie in aller Regel ein unverzichtbares Auslegungskriterium ist (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Februar 2019, aaO Rn. 6 mwN).
15
c) Nach diesen Kriterien ist der Zulassungsbescheid hinreichend bestimmt. Zwar genügt dessen Tenor den Anforderungen für sich genommen nicht. Er spricht die Zulassung der Beigeladenen “als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) gem. § 46 Abs. 2 BRAO bei der s.                   GbR” aus. Damit ist die Tätigkeit der Beigeladenen, auf welche sich die Zulassung bezieht, nicht hinreichend bestimmt beschrieben. Die Begründung des Zulassungsbescheids lässt indes ausreichend deutlich erkennen, dass sich die Zulassung auf den Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2017 und die Tätigkeitsbeschreibung vom 16. Januar 2018 bezieht. Da diese Unterlagen auch der Beigeladenen und der Klägerin bekannt waren, schadet es nicht, wenn sie dem Bescheid nicht beigefügt waren (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Februar 2019, aaO). Unter Berücksichtigung des Inhalts dieser Unterlagen und der Begründung des Zulassungsbescheids, in dem die Beklagte ihr Verständnis dieser Unterlagen erläutert, ist der Bescheid hinreichend bestimmt. Die Angabe weiterer Details bezüglich der einzelnen Tätigkeiten war hierfür entgegen der Auffassung der Klägerin nicht erforderlich. Die Tätigkeiten, für die die Zulassung erfolgte, können ausreichend identifiziert werden, so dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder deren Widerruf erfordern, erkannt werden können. Auch eine auf die jeweilige Beschäftigung bezogene Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist auf dieser Grundlage möglich.
16
2. Der Zulassungsbescheid ist jedoch in der Sache rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin lagen im Zeitpunkt des Zulassungsbescheids nicht vor.
17
Gemäß § 46a BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.
18
Diese Voraussetzungen waren nicht gegeben. Die Tätigkeit der Beigeladenen entsprach den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO nicht.
19
a) Dies ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass die Beigeladene zwischenzeitlich im Auftrag ihrer Arbeitgeberin für mehr als 29 Unternehmen als externe Datenschutzbeauftragte tätig ist. Die Änderung der Tätigkeit der Beklagten nach Erlass des Zulassungsbescheids hat auf das Verfahren keinen Einfluss. Denn es kommt hier entscheidend auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des Zulassungsbescheids an (vgl. Senat, Urteil vom 30. September 2019 – AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 40 mwN). Die Änderung wäre im Rahmen eines Verfahrens über den Widerruf der Zulassung nach § 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO zu berücksichtigen.
20
b) Zu den Aufgaben der Beigeladenen gehörte auch, wie § 46 Abs. 3 BRAO es verlangt, die Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten, die Erteilung von Rechtsrat sowie die Gestaltung von Rechtsverhältnissen insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen und die Verwirklichung von Rechten. Sie hatte auch die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten. Diese Tätigkeiten prägten ihr Arbeitsverhältnis im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO.
21
c) Der Zulassung steht indes § 46 Abs. 5 BRAO entgegen, weil die Beigeladene auch Kunden ihres Arbeitgebers rechtlich beraten hat.
22
aa) Nach § 46 Abs. 5 BRAO beschränkt sich die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Senats handelt es sich hierbei nicht lediglich um eine Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts, sondern um eine echte Tatbestandsvoraussetzung für die Zulassung (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 2019 – AnwZ (Brfg) 38/17, NJW-RR 2019, 946 Rn. 12 mwN).
23
bb) Eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers stellt keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers dar, selbst wenn sich dieser zu einer Beratung des Kunden verpflichtet hat (vgl. Senat, Urteile vom 2. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff. und vom 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 58/17, juris Rn. 11). Dementsprechend ist derjenige, der bei Kunden seines Arbeitgebers als externer Datenschutzbeauftragter eingesetzt wird, nicht in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers tätig (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juli 2018, aaO Rn. 30, 36 ff.). Nichts anderes gilt für die sonstige rechtliche Beratung der Kunden des Arbeitgebers in Datenschutzfragen. Soweit die Beigeladene mithin im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung einzelne Kunden in datenschutzrechtlichen Fragestellungen beraten hat, hat sie keine Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers, sondern solche dieser Kunden wahrgenommen.
24
cc) Die rechtliche Beratung von Kunden des Arbeitgebers steht nach § 46 Abs. 5 BRAO einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegen, auch wenn die Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers die Tätigkeit des Antragstellers prägt und dieser – wie die Beigeladene im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung – nur vereinzelt dessen Kunden berät. Jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers schließt unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus (offen gelassen noch im Senatsurteil vom 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 Rn. 93; für einen Ausschluss nur prägender Tätigkeiten Offermann-Burckart, NJW 2018, 3100, 3110).
25
(1) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO, der die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt, ohne hierbei eine Einschränkung oder einen Vorbehalt zu machen.
26
(2) Der Gesetzessystematik lässt sich ebenfalls entnehmen, dass die Tätigkeit ausschließlich arbeitgeberbezogen sein muss.
27
§ 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO enthält die grundsätzliche Definition des Syndikusrechtsanwalts. Danach übt ein Angestellter anderer als in § 46 Abs. 1 BRAO genannter Personen seinen Beruf als Syndikusrechtsanwalt aus, sofern er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig ist. Die Vorschrift enthält somit eine tätigkeitsbezogene Voraussetzung (“anwaltlich”) und eine personenbezogene (“für seinen Arbeitgeber”). Erstere wird in den folgenden Absätzen 3 und 4 dahingehend definiert, dass das Arbeitsverhältnis durch die in Absatz 3 genannten, fachlich unabhängig gemäß Absatz 4 ausgeübten Tätigkeiten geprägt wird. Die tätigkeitsbezogene Voraussetzung muss mithin nicht die gesamte Tätigkeit umfassen, sondern nur prägend sein. Die Definition der personenbezogenen Voraussetzung “für seinen Arbeitgeber” ist eigenständig in Absatz 5 enthalten und sieht keine Einschränkung dahingehend vor, dass (nur) eine Prägung durch arbeitgeberbezogene Rechtsangelegenheiten verlangt wird. Dies spricht dafür, dass diese Voraussetzung grundsätzlich und ohne Ausnahme vorliegen muss. Dem entspricht es auch, dass der Gesetzgeber Rechtsangelegenheiten Dritter in den Fallgruppen des § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO zu den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers gezählt hat. Dies bestätigt, dass ausschließlich arbeitgeberbezogene Tätigkeiten – sei es originär oder auf Grund der Gleichstellung über § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO – zulässig sein sollen.
28
(3) Für eine Ausschließlichkeitsregelung spricht insbesondere der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Sinn und Zweck des § 46 Abs. 5 BRAO.
29
(a) Nach der Begründung des Fraktionsentwurfs des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte zu § 46 Abs. 5 BRAO-E (BT-Drucks. 18/5201, S. 30) regelt die Vorschrift den Grundsatz, dass die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts sich auf die Angelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt. Dieser Grundsatz sei erforderlich, um eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch das Einwirken fremder wirtschaftlicher Interessen zu verbieten und zum Ausdruck zu bringen, dass am Fremdkapitalverbot des § 59e BRAO festgehalten wird. Eine solche Gefährdung der Unabhängigkeit sah der Gesetzgeber in den in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BRAO genannten Fällen als nicht gegeben an, da dort insbesondere durch einen Gleichlauf der Interessen beziehungsweise durch eine berufsrechtliche Bindung des Arbeitgebers eine Beeinflussung der Drittberatung durch Fremdinteressen, insbesondere durch andere wirtschaftliche Interessen (namentlich die wirtschaftliche Abhängigkeit des Angestellten von seinem Arbeitgeber), vermieden werde (BT-Drucks. 18/5201, S. 30).
30
Die Ausnahmen des § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BRAO sind nach der Rechtsprechung des Senats abschließend zu verstehen und einer analogen Anwendung nicht zugänglich. Denn aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens und der Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 5 BRAO ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber ausschließlich in den in § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO genannten besonderen Fällen der Drittberatung von einer Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers ausgehen wollte. Eine Ausweitung der Syndikusrechtsanwaltstätigkeit auf sonstige nach dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz) zulässige rechtliche Beratungen von Kunden oder Mandanten des Arbeitgebers wollte der Gesetzgeber insbesondere zur Sicherung der – von ihm als Kernelement angesehenen – fachlichen Unabhängigkeit (auch) des Syndikusrechtsanwalts verhindern (Senat, Urteil vom 2. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 56, 60 ff.).
31
Diesem Sinn und Zweck widerspräche es, würde dem Syndikusrechtsanwalt eine Beratung von Kunden des Arbeitgebers erlaubt, wenn diese nur den nicht prägenden Teil seiner Tätigkeit beträfe und er prägend in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig wäre. Zwar würde hierdurch formal nicht der Begriff “Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers” ausgedehnt und damit nicht eine unzulässige Analogie zu § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO hergestellt. In den Wirkungen käme dies einer derartigen Analogie indes nahe und führte zu einer Ausdehnung der Rechtsberatung durch Syndikusrechtsanwälte über die Beratung des Arbeitgebers hinaus, die nach dem Gesetzeszweck gerade nicht gewollt war.
32
(b) Zwar könnte der Syndikusrechtsanwalt, der für seinen Arbeitgeber dessen Kunden rechtlich berät, nur insoweit tätig werden, als der Arbeitgeber ohnehin hierzu befugt wäre. Denn seine Befugnis zur Rechtsberatung Dritter könnte sich nicht aus seiner Stellung als Syndikusrechtsanwalt ableiten, die ihn nach § 46 Abs. 5 BRAO nur zur Beratung seines Arbeitgebers ermächtigt, sondern nur aus der Befugnis des Arbeitgebers nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Hieraus ergibt sich indes nicht, dass der Syndikusrechtsanwalt im nicht prägenden Teil seiner Tätigkeit für seinen Arbeitgeber die Rechtsberatung von dessen Kunden übernehmen darf. Denn aus § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 BRAO und der diesbezüglichen Gesetzesbegründung ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber auch die Möglichkeit der Beratung Dritter durch Angestellte eines Arbeitgebers, der seinerseits über eine Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfügt oder nach § 5 RDG zu Rechtsdienstleistungen als Nebenleistung befugt ist, gesehen hat und diese bewusst gleichwohl nur in den in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 und 3 BRAO genannten Fällen zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers erklärt hat. Daraus folgt, dass es außer in diesen Fällen für die Zulassung des Angestellten als Syndikusrechtsanwalt nicht relevant sein sollte, ob der Arbeitgeber des Angestellten seinerseits nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz zur Rechtsberatung Dritter befugt ist (vgl. Senat, Urteil vom 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 58/17, juris Rn. 11; Beschluss vom 10. April 2019 – AnwZ (Brfg) 46/18, juris Rn. 10). Denn weder dem Wortlaut noch der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber neben der Kundenberatung, die er selbst einer Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers zugerechnet hat, weitere rechtsberatende Tätigkeiten für Kunden des Arbeitgebers für zulässig erachtet hat. Daraus folgt zugleich, dass der Arbeitgeber in den nicht von § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO umfassten Fällen seine eigene Rechtsdienstleistung nur durch nicht als Syndikusrechtsanwälte zugelassene Mitarbeiter erfüllen lassen kann (vgl. Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 46 BRAO Rn. 86).
33
(c) Letztlich macht es bezüglich der Gefahr der Beeinträchtigung der anwaltlichen Unabhängigkeit bei der Beratung Dritter in deren Interesse, die durch die Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO vermieden werden soll, keinen Unterschied, ob diese Drittberatung den prägenden, den nicht prägenden oder sogar nur einen untergeordneten Teil der anwaltlichen Tätigkeit des Angestellten darstellt. Eine Differenzierung nach dem Umfang der rechtlichen Beratung der Kunden ist auch vor diesem Hintergrund abzulehnen, selbst wenn dem Kunden die Nähe des Syndikusrechtsanwalts zu dem Arbeitgeber, mit dem er vertraglich verbunden ist, durch die Bezeichnung als “Syndikusrechtsanwalt” ersichtlich ist.
34
(4) Eine andere Auslegung ist auch nicht im Hinblick auf die der Neuregelung des Rechtsdienstleistungsgesetzes zum 12. Dezember 2007 zugrundeliegenden Zielsetzung des Gesetzgebers, das Berufsrecht im Bereich der Rechtsberufe und der freien Berufe insgesamt zu entbürokratisieren und zu liberalisieren (siehe Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes, BT-Drucks. 16/3655, S. 1, 26 ff., 42), oder die in der dortigen Gesetzesbegründung angeführten Deregulierungsbestrebungen der Europäischen Kommission im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs (BT-Drucks. 16/3655, S. 27 f.) angezeigt.
35
Dagegen spricht bereits, dass der Gesetzgeber trotz dieser Zielsetzung mehrere Jahre danach bei der Neuregelung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte im Jahr 2015 keinen Anlass gesehen hat, dem Syndikusrechtsanwalt neben der arbeitgeberbezogenen Tätigkeit eine (nicht prägende) Drittberatung zu gestatten, sondern stattdessen die entsprechend den obigen Ausführungen restriktiv zu verstehende Regelung des § 46 Abs. 5 BRAO getroffen hat.
36
Hinsichtlich der Deregulierungsbestrebungen der Europäischen Kommission ist zudem zu bedenken, dass diese sich gegen die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch zu hohe Anforderungen an die fachliche Qualifikation für (einfache) rechtsberatende oder -besorgende Tätigkeit richten, d.h. die Erbringung von Rechtsdienstleistungen auch durch Personen ohne juristische Ausbildung in breiterem Umfang anstreben. Davon ist die hier in Rede stehende Frage, inwieweit die bei einem Rechtsanwalt grundsätzlich als Kernelement zu wahrende fachliche Unabhängigkeit der Beratung bei einer Drittberatung durch einen Syndikusrechtsanwalt beeinträchtigt wird, nicht berührt.
37
(5) Schließlich hält der Ausschluss einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 Abs. 5 BRAO bei grundsätzlich jeglicher, d.h. auch nur nicht prägender oder untergeordneter Drittberatung, auch verfassungsrechtlichen Grundsätzen stand.
38
Weder die Berufsausübungsfreiheit des Syndikusrechtsanwalts (Art. 12 Abs. 1 GG) noch das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) sind hierbei verletzt.
39
(a) Der durch § 46 Abs. 5 BRAO bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der jeweiligen Antragsteller (Art. 12 Abs. 1 GG) ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da er insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Er ist zur Erreichung des damit verfolgten Gemeinwohlziels – Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des (Syndikus)Rechtsanwalts – und des legitimen Zwecks der Sicherung einer funktionierenden Rechtspflege geeignet und erforderlich und auch bei einer Gesamtabwägung zumutbar, da es dem für einen nichtanwaltlichen Arbeitgeber tätigen (Unternehmens-)Juristen freisteht, seinen Beruf auch ohne die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt – im Rahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes – auszuüben (Senat, Urteil vom 2. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 81 ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob die Beratung Dritter einen Großteil oder nur einen geringen Anteil der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers ausmacht. Auch bei einem nur untergeordneten Anteil der drittberatenden Tätigkeit ist die Versagung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 Abs. 5 BRAO verhältnismäßig und dem Antragsteller zumutbar.
40
Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass den Veränderungen der Lebenswirklichkeit, etwa durch Entstehen neuer oder Veränderungen bisheriger Berufsbilder, Rechnung zu tragen ist (vgl. BVerfG, NJW 2004, 672; BGH, Urteil vom 27. November 2019 – VIII ZR 258/17, juris Rn. 110). Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Lebenswirklichkeit inzwischen derart verändert hätte, dass gefestigte Berufsbilder entstanden sind, bei denen sowohl eine anwaltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber als auch für Dritte notwendiger Bestandteil des Arbeitsverhältnisses ist, und die zugleich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfordern.
41
Die bei Nichtzulassung als Syndikusrechtsanwalt bestehende Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung stellt nach ständiger Senatsrechtsprechung keinen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG dar (Urteil vom 2. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 77 ff.).
42
(b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Auch bei einem nur geringen Anteil der anwaltlichen Drittberatung ist die Untersagung einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt und die damit verbundene “Ungleichbehandlung” gegenüber einem niedergelassenen Rechtsanwalt aus oben genannten Gründen gerechtfertigt.
43
3. Die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin war demnach rechtswidrig, wodurch die Rechte der Klägerin als Rentenversicherungsträger verletzt wurden. Der Zulassungsbescheid war deshalb aufzuheben.
II.
44
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO festgesetzt.
Limperg     
      
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