Bankrecht

Anleger, Bewilligung, Insolvenzverfahren, Insolvenzverwalter, Berufung, Leistungen, Fonds, Prozesskosten, Rechtsbeschwerde, Wiedereinsetzung, Aufhebung, Frist, Vergleich, Anspruch, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Vertreter ohne Vertretungsmacht, Eintragung im Handelsregister

Aktenzeichen  32 U 4671/19

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54703
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 O 7466/18 2019-07-11 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.07.2019, Aktenzeichen 10 O 7466/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der vorliegende Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 65.797,08 € festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der … Prozessfinanzierungsgesellschaft mbH & Co.KG (im Folgenden: KG) die Bewilligung der Freigabe eines beim Amtsgericht Aichach hinterlegten Betrags von 65.797,08 € geltend.
2. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 08.09.2015 wurde über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Anlage K 1).
Zwischen der … Prozessfinanzierungsgesellschaft mbH & Co. KG i.G. und der Beklagten bestand eine Kooperationsvereinbarung vom 01.08.2012. Dabei sollte die Beklagte als Vermittlerin potentielle Vertragspartner akquirieren, mit denen die KG in den Bereichen Banken- und Kapitalanlagerecht Prozessfinanzierungsverträge und Forderungskaufverträge abschließen sollte. Der Beklagten sollte eine Vorabvergütung gezahlt werden. Die Beklagte sollte weiter bei einem Rückfluss aus einem Streitverfahren einen Anteil von 50% des Nettoergebnisses erhalten (Anlage K 3). Der Vertrag wurde durch die Kooperationsvereinbarung vom 20.12.2013 ersetzt (Anlage B 1)
Unter dem 30.07./01.08.2012 schloss die Beklagte mit Herrn … (im Folgenden: Anleger) einen Streitfinanzierungsvertrag ab. Danach wollte der Anleger gegen die … AG Ansprüche aus einem Fundus Fonds 19 gerichtlich geltend machen. Die Beklagte sollte die Kosten des Prozesses vorfinanzieren und von Erlösen und Kostenerstattungen mit einem Anteil von 40% profitieren. Die Beklagte trat dabei stellvertretend für eine in Gründung befindliche Prozessfinanzierungsgesellschaft auf, auf die der Vertrag nach deren Eintrag in das Handelsregister übergehen sollte. Der Anleger stimmte diesem Übergang zu (Anlage K 4).
Die Komplementärin der KG, die … GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 14.08.2012 gegründet und am 11.09.2012 in das Handelsregister eingetragen. Die KG wurde am 24.09.2012 in das Handelsregister eingetragen.
Die KG betreute in der Folgezeit das Mandat des Anlegers und verauslagte die Prozesskosten. Das vor dem Landgericht Augsburg geführte Verfahren endete am 06.10.2015 durch einen Vergleich (Anlage K 10). Die erfolgsabhängige Vergütung des Prozessfinanzierers beläuft sich auf 65.797,08 €. Nachdem beide Parteien Anspruch auf Auszahlung des Betrags erhoben, hinterlegte der Anleger den Betrag bei dem Amtsgericht Aichach zum Aktenzeichen 22 HL 3/16. Der Kläger verlangt die Bewilligung der Freigabe des hinterlegten Betrags zu seinen Gunsten sowie die Zahlung von Verzugszinsen seit Rechtshängigkeit. Er ist der Meinung, dass der mit dem Anleger abgeschlossene Streitfinanzierungsvertrag auf die KG übergegangen sei. Diese habe auch die Hauptleistungspflichten aus dem Prozessfinanzierungsvertrag erfüllt. Ihr stehe damit auch die Vergütung aus dem Vertrag zu.
4. Die Beklagte geht davon aus, dass ihr der hinterlegte Betrag zustehe. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Streitfinanzierungsvertrags habe weder die KG noch die KG i.G. existiert. Eine nachträgliche Absprache über die Vertragsübernahme sei nicht getroffen worden.
5. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 11.07.2019 Bezug genommen.
6. Das Landgericht hat zunächst am 18.10.2018 Versäumnisurteil gegen die Beklagte nach Klageantrag erlassen. Auf den zulässigen Einspruch der Beklagten hat das Landgericht das Versäumnisurteil durch Endurteil vom 11.07.2019 aufrechterhalten. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der KG ein Zahlungsanspruch aus dem Streitfinanzierungsvertrag vom 30.07./01.08.2012 zugestanden habe, da sie den Vertrag von der Beklagten formfrei übernommen habe.
7. Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil mit der Berufung, wobei sie ihr Ziel weiterverfolgt, eine Aufhebung des Versäumnisurteils und eine klageabweisende Sachentscheidung zu erreichen.
Es sei entgegen der Mutmaßungen des Erstgerichts zu keinem Vertragsübergang des zwischen der Beklagten und dem Anleger geschlossenen Streitfinanzierungsvertrags auf die KG gekommen. Damit bestünde kein Anspruch auf Auszahlung des Erfolgshonorars. Selbst wenn man von einem Übergang des Vertrags ausgehe, hätte der Kläger aufgrund der Regelungen aus dem Kooperationsvertrag vom 20.12.2013 den Prozessbevollmächtigten des Anlegers anweisen müssen, das hälftige Erfolgshonorar direkt an die Beklagte zu überweisen.
8. Im Berufungsverfahren beantragt die Beklagte:
Das Urteil des Landgerichts München I, Az. 10 O 7466/18, vom 11.07.2019 wird aufgehoben. Das Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 18.10.2018 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
9. Der Senat hat die Berufung der Beklagten zunächst mit Beschluss vom 04.11.2019 wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung verworfen und einen Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wurde die Entscheidung durch Beschluss des BGH vom 28.01.2021 aufgehoben. Der Beklagten wurde gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Senat hat am 31.05.2021 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt (Bl. 169/175). Hierzu haben sich die Parteien mit den Schriftsätzen vom 16.07.2021 (Bl. 185/189) und vom 21.07.2021 (Bl. 190/192) geäußert. Wesentliche Ergänzungen oder Änderungen haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.07.2019, Aktenzeichen 10 O 7466/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats und die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Das Landgericht ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass der ursprünglich zwischen der Beklagten und dem Anleger bestehende Streitfinanzierungsvertrag vom 30.07. / 01.08.2012 (Anlage K 4) im Wege der Vertragsübernahme auf die KG übergegangen ist. Dem Kläger als Insolvenzverwalter der KG steht gemäß Nr. 2 des Vertrags 1. V.m § 80 InsO ein Anspruch auf Auszahlung der Erfolgsvergütung in Höhe von 65.797,08 € zu. Die Beklagte ist zur Freigabe des hinterlegten Betrags verpflichtet.
2. Das Zustandekommen der Vertragsübernahme wurde in dem Hinweisbeschluss vom 31.05.2021 ausführlich erläutert.
Aus dem Streitfinanzierungsvertrag (Anlage K 4) ergibt sich ausdrücklich, dass die Beklagte stellvertretend für eine in Gründung befindliche Prozessfinanzierungsgesellschaft tätig wurde. Aufgrund der zeitlichen Abstimmung mit dem Abschluss der Kooperationsvereinbarung (Anlage K 3) ergibt sich, dass als übernehmende Gesellschaft nur die KG i.G. und anschließend die KG in Betracht kam. Die Beklagte ist damit nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht für eine nicht existierende Partei aufgetreten, sondern als Vertreter der Vorgründungsgesellschaft. Selbst wenn man von der Anwendung der § 177 ff. BGB ausgehen würde, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn die Vorgründungsgesellschaft bzw. später die KG haben durch die tatsächliche Ausführung des Mandats und durch die Erbringung der Leistungen aus dem Streitfinanzierungsvertrag vom 30.07. / 01.08.2012 konkludent die Zustimmung zur Übernahme des Vertragsverhältnisses erklärt und damit eine Genehmigung des Vertreterhandelns erteilt.
Im Übrigen ist die Vereinbarung so auszulegen, dass der Beklagten in Bezug auf den Vertragspartner ein Bestimmungsrecht nach § 315 BGB zustand. Das Bestimmungsrecht ist nicht auf Leistungspflichten im technischen Sinne zu beschränken. Es umfasst vielmehr – entsprechend der vertragsersetzenden Regelungsfunktion der Leistungsbestimmung – Leistungsmodalitäten und jede Regel zwischen den Parteien, auch soweit sie nicht unmittelbar die Leistung betrifft (Staudinger/Rieble (2020) BGB § 315 Rn. 150 und 152).
3. Im Hinweisbeschluss wurde anhand der aktenkundigen Indizien auch ausführlich dargestellt, aus welchen Gründen aus der tatsächlichen Abwicklung des Mandats auf eine Vertragsübernahme mit Rechtsbindungswillen zu schließen ist. Insbesondere durch die Rechnungsstellung für die Vorabvergütung des Mandats … vom 21.09.2012 (Anlage K 9) hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie sich den Regelungen und der Rollenverteilung aus der Kooperationsvereinbarung vom 01.08.2012 (abgelöst durch die Vereinbarung vom 20.12.2013) unterwerfen wollte. Die Entstehung und Fälligkeit der Vorabvergütung knüpft nach § 3 (1) der Kooperationsvereinbarung an den Abschluss des Prozessfinanzierungsvertrags zwischen der KG i.G. bzw. der KG und dem Anleger an.
Die Auffassung steht nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des BGH vom 12.04.2012 (Az.: VII ZR 13/11). Demnach stellt allein das Ausstellen einer Rechnung auf einen am Werkvertrag nicht beteiligten Dritten und deren Begleichung durch diesen keine Schuldübernahme durch den Dritten dar. Diese Fallkonstellation ist hier ersichtlich nicht gegeben. Der Senat geht nicht davon aus, dass der Vertrag durch die Rechnungsstellung und deren Bezahlung auf die Beklagte übergegangen ist.
4. Die Beklagte räumt selbst ein, dass es sich bei der E-Mail des Direktors der Beklagten vom 27.10.2012 (Anlage B 2) nur um eine Anfrage zur generellen Klärung der Frage handelt, wie der Übergang der Verträge herbeigeführt werden soll. Sie kann daher aus objektivem Empfängerhorizont nicht als Angebot auf Übertragung des Streitfinanzierungsvertrags vom 30.07. / 01.08.2012 ausgelegt werden. Im Übrigen war seitens der Beklagten ein gesonderter Übertragungsakt nicht mehr erforderlich, da die Erklärungen der Beklagten und des Anlegers bereits im Streitfinanzierungsvertrag enthalten waren und die dort genannte Bedingung für den Übergang auf die KG (Eintragung im Handelsregister) eingetreten war.
Einen Auslegungsfehler im Hinblick auf die Anlage B 3 kann die Gegenerklärung nicht darstellen. Auf die Ausführungen des Hinweisbeschlusses und des Urteils wird verwiesen. Die Nachricht Anlage B 3 steht auch nicht im Zusammenhang mit der Prüfungspflicht der Mandate aus § 2 der Kooperationsverträge. Diese Prüfungspflicht der KG vor der Eingehung eines Vertrags mit einem Anleger stellt eine Obliegenheit in eigenen Angelegenheiten dar. Sie ist aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Vertragsübernahme.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt. 


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