Europarecht

Maßgebliche Gemeindebezeichnung des im Sterberegister zu beurkundenden Geburtsortes

Aktenzeichen  11 W 594/16

Datum:
29.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StAZ – 2017, 18
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PStG § 31 Abs. 1, § 47, § 48, § 51
FamFG § 58

 

Leitsatz

1. Der nach § 31 Abs. 1 PStG im Sterberegister zu beurkundende Geburtsort ist mit der amtlichen Gemeindebezeichnung einzutragen, die zum Zeitpunkt der Geburt maßgebend war.   (redaktioneller Leitsatz)
2. Lassen sich bei Ortsangaben im Personenstandsregister namensgleiche Orte durch Hinzufügung von Verwaltungsbezirken oder geographischen Bezeichnungen besser individualisieren, als durch die Bezeichnung des Staates, so ist der Ort auf diese Weise zu individualisieren; die Angabe des Staates hat in diesem Fall als etwas Überflüssiges zu unterbleiben.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

UR III 4/16 2016-03-10 Bes AGREGENSBURG AG Regensburg

Tenor

I.
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 10. März 2016 aufgehoben.
Das Standesamt N… wird angewiesen, den Sterbeeintrag betreffend G…T… – Registernummer S … – dahin zu berichtigen, dass der Geburtsort als „F… (S…), Niederschlesien” bezeichnet wird und die Beifügung „Polen” entfällt.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Am 31. Juli 2015 verstarb in N…, ihrem letzten Wohnsitz, die am 20. Dezember 1935 geborene Frau G.. A… T…, geborene B…, verheiratet mit Herrn O… E… T… Das Standesamt N… (Bet. zu 2) trug ihren Tod am 3. August 2015 unter der Registernummer S . in das bei ihm geführte Sterberegister ein. Den Geburtsort der Verstorbenen bezeichnete es dabei als „F… (S…), Polen“. Gegen diese Bezeichnung des Geburtsortes wandte sich der Witwer O. E. T. am 14. August 2015 mit dem Argument, zur Zeit der Geburt seiner verstorbenen Frau habe der Ort nicht zu Polen, sondern zum Deutschen Reich gehört. Das Bundeszentralamt für Steuern habe auf einen entsprechenden Hinweis seiner Frau deren Geburtsort mit F. / Niederschlesien bezeichnet. So solle auch bei der Eintragung im Sterberegister verfahren werden.
Das Standesamt N. vertrat die Auffassung, die gewünschte Art der Eintragung sei nicht möglich, da die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV) in Nrn. A 2.1.2 bis A 2.1.3 Sätze 1 und 2 anordnet, dass für die Eintragung von Orten im Ausland die im betreffenden Staat übliche Bezeichnung zu verwenden und daneben der Staat zu vermerken ist. Soweit im Inland eine deutsche Bezeichnung üblich ist, sei diese einzutragen. Aus der vorgelegten Geburtsurkunde des Standesamts N. R. vom 15. Mai 2000 ergebe sich als Geburtsort der Verstorbenen der Ort S. in Polen. Eine Berichtigung der Eintragung könne nur das Amtsgericht anordnen.
Der Beteiligte hat sich darauf mit Schreiben vom 25. August 2015, eingegangen am 26. August 2015, an das Amtsgericht Regensburg gewandt und um Korrektur des Sterbeeintrags gebeten. Mit Beschluss vom 10. März 2016, auf den wegen der Einzelheiten der Begründung verwiesen wird, hat das Amtsgericht R. den Berichtigungsantrag zurückgewiesen. Der Geburtsort sei so zu bezeichnen wie es den Gegebenheiten am Todestag, nicht am Geburtstag, entspreche. Dieser Beschluss ist dem Beteiligten am 16. März 2016 zugestellt worden. Dieser hat mit Schreiben vom 19. März 2016, beim Amtsgericht eingegangen am 22. März 2016, Beschwerde eingelegt. Zu deren Begründung hat er im Wesentlichen sein früheres Vorbringen wiederholt und ergänzend darauf hingewiesen, dass es in Oberschlesien eine Kreisstadt gleichen Namens gegeben habe. Das Amtsgericht Regensburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 22. März 2016 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten ist zulässig (§ 51 PStG; §§ 58ff FamFG) und hat auch in der Sache Erfolg.
1) Ist wie hier die Eintragung in einem Personenstandsregister mit der Unterschrift des Standesbeamten abgeschlossen, kann sie – ein Fall des § 47 PStG liegt ersichtlich nicht vor – gemäß § 48 PStG auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden (BGH NJW 1988, 1469; BayObLG, BeckRS 2000, 30813519; Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz 3. Aufl. § 48 Rdnr. 1 je m. w. Nachw.). Eine Berichtigung setzt voraus, dass der betroffene Eintrag von Anfang an unrichtig ist. Unrichtig in diesem Sinne ist jeder Eintrag, dessen Inhalt auf der Verletzung materiellrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Vorschriften beruht. Berichtigung meint daher nicht nur die Richtigstellung von etwas Falschem, sondern auch die Beseitigung von etwas Überflüssigem und das Hinzufügen von etwas Fehlendem (BayObLG a. a. O.; Gaaz/ Bornhofen a. a. O. § 47 Rdnr. 7 je m. w. Nachw.).
2) Der Senat ist der Auffassung, dass in Fällen wie dem vorliegenden kein Anlass besteht, den früheren oder derzeit „richtigen“ Staat neben der Ortsbezeichnung im Sterbebuch einzutragen. Dem Anliegen, im Falle von Namensgleichheiten den betroffenen Ort möglichst eindeutig und zweifelsfrei zu bezeichnen, kann hinreichend durch Hinzufügung von Verwaltungsbezirken oder geographischen Bezeichnungen Rechnung getragen werden – im hier zu entscheidenden Fall sogar besser als durch die Bezeichnung des Staates. Daher ist die Staatsbezeichnung als etwas Überflüssiges zu streichen und zur Kennzeichnung des Geburtsortes der Verstorbenen der zur Zeit ihrer Geburt wie zur Zeit der Registrierung des Sterbefalls zutreffende Verwaltungsbezirk Niederschlesien anzugeben.
a) Nach § 31 Abs. 1 PStG wird im Sterberegister u. a. der Ort der Geburt des Verstorbenen beurkundet. Der Geburtsort ist nach Auffassung des Senats mit der amtlichen Gemeindebezeichnung einzutragen, die zum Zeitpunkt der Geburt maßgebend war (OLG Saarbrücken, StAZ 2004, 297; Gaaz/Bornhofen, PStG 3. Aufl. § 31 Rdnr. 18).
Für die Richtigkeit der Auffassung, dass es bei der Wahl zwischen verschiedenen amtlichen Gemeindebezeichnungen auf die ankommt, die zur Zeit des Ereignisses – hier also der Geburt – galt, ankommt, spricht schon die Überlegung, dass das selbe Ereignis möglichst in allen Personenstandsurkunden dem selben, gleich bezeichneten Ort zugeordnet werden sollte. Die vom Standesamt bevorzugte andere Handhabung würde gerade bei Geburtsorten in der Heimat der Verstorbenen immer wieder zu wechselnden Gemeindebezeichnungen führen – eine aus der Zeit vor Ende des Ersten Weltkriegs, eine aus der Zwischenkriegszeit, eine aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und eine aus der Zeit der Zugehörigkeit des Gebiets zu Polen. Vermeidbare Missverständnisse, eine der Eintragungen sei falsch, weil ein Mensch nur an einem Ort geboren sein kann, wären die Folge.
Für die Maßgeblichkeit der Ereignis-, nicht der Registrierungszeit für die Bezeichnung des Geburtsortes spricht entgegen der Auffassung des Standesamts die Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV), eine die Gerichte nicht bindende, aber für die Auslegung heranzuziehende Verwaltungsvorschrift.
Denn unter A 2.1.4 der PStG-VwV wird gesagt, dass im Falle von Umbenennungen – hier von F… nach S. – der zur Zeit des damaligen Personenstandsfalls – hier der Geburt der Verstorbenen -geltende Name einzutragen ist. Deshalb wird der Geburtsort der Verstorbenen unstreitig in der Sterbeurkunde als F. und nicht als S. bezeichnet.
b) Dies, die Maßgeblichkeit der Verhältnisse am Ereignistag, kann nach Überzeugung des Senats auf die Frage der richtigen Ergänzung der Gemeindebezeichnung um individualisierende Zusätze übertragen werden. Zum selben Ergebnis führt die Verwendung der deutschsprachigen Bezeichnung des Verwaltungsbezirkes Niederschlesien, die ebenfalls durch die PStG-VwV vorgegeben ist.
Solche Zusätze sieht die PStG-VwV unter A 2.1.2 für den Fall gleichnamiger Gemeinden vor und ordnet die Hinzufügung des Verwaltungsbezirkes (Kreis) – nach des Staats – an. Unter A 2.1.3 PstG-VwV heißt es weiter, dass in Fällen, in denen die nähere Kennzeichnung durch Hinzufügung des Verwaltungsbezirkes oder einer geographischen Bezeichnung (z. B. Gebirge, Fluss) nicht ausreicht, daneben der Staat zu vermerken ist. Die maßgebliche Verwaltungsvorschrift sieht danach vor, dass der Name des Staates nur hilfsweise hinzuzufügen ist, wenn anders der zu vermerkende Ort nicht eindeutig benannt werden kann.
Der Geburtsort der Verstorbenen ist ein Anwendungsfall der zitierten Verwaltungsvorschrift. Er kann nicht allein mit „F…“ bezeichnet werden. Denn Orte mit dem Namen F… gibt es zahlreich. Eine kurze Internetrecherche ergibt in Bayern wie in Brandenburg und Schlesien je zwei (in der Oberpfalz, in Niederbayern, an der Elster und in der Mark, in Ober- und Niederschlesien). Im Interesse der Klarheit und Wahrheit der Registereintragung müssen den amtlichen Gemeindebezeichnungen also weitere Angaben hinzugefügt werden. Als Zusatz genügen aber in allen Fällen sowohl die betroffenen Verwaltungsbezirke bzw. Kreise wie Nieder- und Oberschlesien (bzw. Kreis Glatz oder Kreis Oppeln), Niederbayern und Oberpfalz (Kreis Rottal-Inn und Kreis Tirschenreuth) sowie Kreis Mark und Kreis Elster-Elbe, um das gemeinte Falkenberg, damit auch den Geburtsort der Verstorbenen zweifelsfrei, problemlos und unzweideutig zu bezeichnen.
Die in § 60 Abs. 3 Satz 3 der früheren Dienstanweisung für Standesbeamte (DA) enthaltene, in eine andere Richtung weisende Regelung, dass bei einem Wechsel des Verwaltungsbezirkes nur der Name des neuen Verwaltungsbezirkes verwendet werden soll, findet sich in der PStG-VwV nicht mehr. Sie kann daher nicht mehr gegen die Maßgeblichkeit der Ereigniszeit angeführt werden.
Der Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift macht die verfahrensgegenständliche Eintragung aber noch nicht unrichtig im Sinne des § 48 PStG. Denn eine Verwaltungsvorschrift ist kein Gesetz.
c) Die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung beantwortet die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage, soweit ersichtlich, bisher allerdings dahin, dass die Hinzufügung der im Zeitpunkt der Beurkundung zutreffenden Länderbezeichnung an Stelle der im Zeitpunkt des betroffenen Personenstandsfalls (hier der Geburt der Verstorbenen) richtig zumindest nicht unrichtig im Sinne der Berichtigungsvorschriften ist (OLG Frankfurt StAZ 2004,160 für Breslau/Polen; OLG Saarbrücken StAZ 2004, 297 für Ostpreußen/Polen; BayObLG a. a. O. für Kasachstan/UdSSR; Kraus, StAZ 2015, 289).
Zur Begründung wird in den Entscheidungen auf § 60 Abs. 3 Satz 2 der früheren Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden -DA-) verwiesen, der anordnete, dass bei Änderungen der Zugehörigkeit zu einem Verwaltungsbezirk nur der Name des neuen verwendet werden soll. Die Bedeutung von § 60 Abs. 2 Satz 1 DA, der die Hinzufügung des Staats nur vorsieht, wenn eine nähere Kennzeichnung durch Angabe des Verwaltungsbezirkes oder geographischer Bezeichnungen zur näheren Kennzeichnung nicht ausreicht, wird nicht erörtert. Die Entscheidung des BayObLG verweist immerhin darauf, dass es eine geographische Bezeichnung nicht gebe. Im Übrigen finden sich lediglich Ausführungen zur im Interesse der Klarheit und Wahrheit der Personenstandsregisterführung bestehenden Notwendigkeit klarstellender Zusätze zu den Ortsnamen.
Kraus (a. a. O.) sieht, dass § 60 DA nicht mehr gilt und deshalb nicht mehr als Argumentationsgrundlage geeignet ist, meint aber, die in der Standesamtspraxis weit verbreitete Angabe des gegenwärtig richtigen Staates erleichtere es, wie von der PStG-VwV unter A 2.1.1 gefordert, den richtigen Ort zu ermitteln. Der früher geltende Staatenname sei oft gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand festzustellen.
Die Auffassung des Senats trägt auch diesen Bedenken Rechnung. Wenn nur noch der Verwaltungsbezirk oder geographische Bezeichnungen beigefügt werden, muss niemand den richtigen, zur Zeit der Geburt am Geburtsort herrschenden Staat ermitteln.
d) Zumindest unter den besonderen, im Streitfall gegebenen Umständen ist die Eintragung des Geburtsortes in dem beanstandeten Teil unrichtig im oben umschriebenen Sinne. Sie ist dahin zu berichtigen, dass an Stelle des Staates Polen der Verwaltungsbezirk Niederschlesien einzutragen ist.
Die Kennzeichnung des Geburtsortes durch die Beifügung des Staates Polen ist zumindest im verfahrensgegenständlichen Fall deshalb unrichtig, weil sie nicht geeignet ist, jederzeit ohne Schwierigkeiten die Ermittlung des gemeinten Ortes zu ermöglichen. Denn es gibt im heutigen Polen, wie ausgeführt, (mindestens) zwei im Deutschen als F.. bezeichnete, in Nieder- bzw. Oberschlesien gelegene Orte. Eindeutig auffindbar ist der gemeinte Ort daher nur, wenn eine andere Hinzufügung erfolgt.
Der Senat hält die in der PStG-VwV an erster Stelle genannte Hinzufügung des Verwaltungsbezirkes gegenüber der geographischen Bezeichnung – etwa des Flusses Neiße (Neisse) für vorzugswürdig. Dieser Fluss, von dem es mehrere gibt, könnte im Sinne des Beitrags von Kraus (a. a. O.) für die Standesamtspraxis zu schwer feststellbar sein. Der vom Beschwerdeführer gewünschte Begriff Niederschlesien bezeichnet sowohl zur Zeit der Geburt wie auch heute den Verwaltungsbezirk, in dem das F. liegt, in dem die Verstorbene geboren ist. Er ist leichter zu finden als die kleinere Einheit des Kreises Glatz und reicht zur Kennzeichnung aus, da es in Niederschlesien nur ein F. gab. Die Funktion der hier erörterten Beifügungen geht nicht darüber hinaus, den fraglichen Ort sicher auffindbar zu machen.
Gegen die Hinzufügung des Staates spricht, dass sie unter den gegebenen Umständen keine Funktion hätte. Der Ort würde durch sie nicht sicherer auffindbar. Überflüssige Eintragungen sollen aber das Personenstandsregister nicht belasten. Die Eintragung von Zusätzen, die nicht gesetzlich vorgeschrieben und auch nicht im Interesse von Wahrheit und Klarheit der Personenstandsregisterführung geboten sind, ist nicht zulässig (BGH StAZ 1984, 194; BayObLG a. a. O. je m. w. Nachw.).
Die allgemeinere Frage, ob das Standesamt gehalten ist, bei gleichnamigen Gemeinden solange dies zur näheren Kennzeichnung genügt, immer nur den Verwaltungsbezirk anzugeben, wie dies die PStG-VwV nahelegt, muss hier ebenso wenig beantwortet werden wie die Frage, ob eine andere Verfahrensweise zu im Sinne von § 48 PStG berichtigungsfähigen Eintragungen führen würde.
3) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG) wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, da bisher Berichtigungsanträge wie der des Beschwerdeführers erfolglos geblieben sind.
Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst, da die Beschwerde Erfolg hatte und die beteiligten Behörden von Gerichtskosten befreit sind (§ 51 Abs. 1 Satz 2 PStG).


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