Arbeitsrecht

Rechtsbeschwerde: Notwendigkeit der Darlegung eines Zulassungsgrundes

Aktenzeichen  VI ZB 64/19

Datum:
14.4.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:140420BVIZB64.19.0
Normen:
§ 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO
§ 574 Abs 2 ZPO
§ 575 Abs 3 Nr 2 ZPO
Spruchkörper:
6. Zivilsenat

Leitsatz

Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Begründung der Rechtsbeschwerde im Fall des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Auf die Darlegung eines Zulassungsgrundes kann nicht deshalb verzichtet werden, weil der gerügte Rechtsfehler des Berufungsgerichts, läge er vor, dazu geführt hätte, dass das Berufungsgericht über eine tatsächlich nicht eingelegte Berufung entschieden hat.

Verfahrensgang

vorgehend LG Paderborn, 14. August 2019, Az: 5 S 34/19vorgehend AG Brakel, 8. Juli 2019, Az: 7 C 29/19

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 14. August 2019 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Beklagte wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts, mit dem seine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 8. Juli 2019 als unzulässig verworfen wurde. Zur Begründung hat das Landgericht auf seinen Hinweis vom 25. Juli 2019 Bezug genommen, in dem ausgeführt wird, das Amtsgericht habe den dort eingegangenen Schriftsatz des Beklagten vom 17. Juli 2019 als Berufung gegen das dem Beklagten am 10. Juli 2019 zugestellte Urteil des Amtsgerichts ausgelegt und das Verfahren an das Landgericht weitergeleitet. Die Kammer lege diesen Schriftsatz ebenfalls als Berufung aus, die allerdings nicht formgerecht durch einen zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden sei. Die Kammer beabsichtige deshalb, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, sofern nicht noch innerhalb der laufenden Berufungsfrist eine formgerechte Berufung eingelegt werde.
2
Der Beklagte macht geltend, dass es sich bei seinem Schriftsatz vom 17. Juli 2019 nicht um die Einlegung einer Berufung, sondern lediglich um die Ankündigung einer – noch ordnungsgemäß von einem zugelassenen Rechtsanwalt zu veranlassenden – Berufungseinlegung gehandelt habe.
II.
3
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO unabhängig davon, ob das Berufungsgericht zu Recht von der Einlegung einer Berufung ausgegangen ist, statthaft (vgl. Senatsurteil vom 9. Oktober 1990 – VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704, juris Rn. 15 ff). Die Rechtsbeschwerde ist aber unzulässig, weil sie nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend begründet worden ist, § 577 Abs. 1 ZPO.
4
1. Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Begründung der Rechtsbeschwerde im Fall des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, also wenn die Rechtsbeschwerde – wie es hier in Betracht kommt – aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung statthaft ist, eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der Beschwerdeführer muss den Zulassungsgrund bzw. die Zulassungsvoraussetzungen nicht nur benennen, sondern auch zu den jeweiligen Voraussetzungen substantiiert vortragen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. September 2018 – VI ZB 26/17, VersR 2019, 122 Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2018 – XII ZB 641/17, MDR 2018, 1516 Rn. 13; vom 2. August 2017 – XII ZB 190/17, MDR 2017, 1384 Rn. 6; vom 25. Juli 2012 – XII ZB 170/11, FamRZ 2012, 1561 Rn. 8 f. mwN; vom 25. März 2010 – V ZB 159/09, MDR 2010, 830, juris Rn. 5 mwN; vom 29. September 2005 – IX ZB 430/02, MDR 2006, 346, 347, juris Rn. 9).
5
2. Die Rechtsbeschwerde hat schon keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 574 Abs. 2 ZPO benannt. Sie hält lediglich die Auslegung des Schreibens des Beklagten vom 17. Juli 2019 als Berufungseinlegung durch das Berufungsgericht für rechtsfehlerhaft, ohne geltend zu machen, dass dieser Rechtsfehler der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verleihen oder ein Bedürfnis für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung begründen würde.
6
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann auf die Darlegung eines Zulassungsgrundes nicht deshalb verzichtet werden, weil der gerügte Rechtsfehler des Berufungsgerichts, läge er vor, dazu geführt hätte, dass das Berufungsgericht über eine tatsächlich nicht eingelegte Berufung entschieden hat, womit der angegriffene Beschluss inhaltlich wirkungslos geblieben wäre (vgl. zu Letzterem Senatsurteil vom 9. Oktober 1990 – VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704, juris Rn. 15 ff.; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl. vor § 578 Rn. 16). Der Wortlaut des § 575 Abs. 3 Nr. 2 und des § 574 Abs. 2 ZPO enthält keine entsprechende Einschränkung. Sie ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 574 Abs. 2 ZPO, die Rechtsbeschwerdeinstanz im Grundsatz ausschließlich mit Fällen zu befassen, an deren Entscheidung ein allgemeines, über den Einzelfall hinausgehendes Interesse besteht (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 16. Aufl., § 574 Rn. 1; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 23. Aufl., § 574 Rn. 2). Der Senat sieht keinen Grund dafür, warum im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Auslegung einer Prozesserklärung durch das Berufungsgericht etwas anderes als für sonstige mit der Rechtsbeschwerde zu rügende Rechtsfehler gelten sollte.
7
Soweit die Beschwerde der Auffassung ist, da mit dem Rechtsmittel nur der Rechtsschein des Beschlusses beseitigt werden solle, hänge eine dahingehende klarstellende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nicht vom Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines “echten” Rechtsmittelverfahrens ab, teilt der Senat diese Auffassung jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung im Hinblick auf das Zulässigkeitserfordernis der Darlegung eines Zulassungsgrundes nicht. Der Rechtsbeschwerde ist zwar zuzugeben, dass im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. November 1994 – LwZB 5/94, NJW 1995, 404, juris Rn. 3, ein entsprechender Rechtssatz betreffend die Zulässigkeit einer Berufung gegen ein nicht verkündetes Sachurteil aufgestellt worden ist. Aus dieser Entscheidung, die in der Literatur auf Kritik gestoßen ist (vgl. MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 511 Rn. 13; Grunsky, Anm. zu BGH LM § 511 ZPO Nr. 53), lässt sich jedoch für den Streitfall, der weder von dem in Rede stehenden Rechtsmittel noch von dessen Gegenstand her mit der dortigen Fallkonstellation übereinstimmt, nichts herleiten.
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