Aktenzeichen 34 SchH 12/17
Leitsatz
1 Einer abschließenden Entscheidung darüber, ob die Schiedsvereinbarung gültig ist und sich auf den streitigen Anspruch erstreckt, bedarf es im Bestellungsverfahren nicht. Bei der Schiedsrichterbestellung muss als Vorfrage lediglich geprüft werden, ob die zugrundeliegende Schiedsvereinbarung offensichtlich unwirksam ist oder offensichtlich den inmitten stehenden Streit nicht betrifft. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Notwendiger Inhalt einer wirksamen Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 ZPO sind die Vereinbarung darüber, dass ein bestimmter Rechtsstreit oder eine näher bezeichnete Mehrzahl von Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis von einem Schiedsgericht an Stelle der an sich zuständigen staatlichen Gerichte entschieden werden soll, sowie die eindeutige Bezeichnung des für die Entscheidung zuständigen Schiedsgerichts. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der zweite Schiedsrichter ist – wenn die Parteien hierzu nichts vereinbart haben – auf Antrag der anderen Partei durch das Gericht zu bestellen, wenn eine Partei nicht innerhalb eines Monats nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung durch die andere Partei den Schiedsrichter benannt hat. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Zur Durchführung eines Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen strittiger Ansprüche des Antragstellers aus Anlass seines Ausscheidens aus der … & … GbR mit Ablauf des 1. Januar 2013 wird zum zweiten beisitzenden Schiedsrichter bestellt:
Rechtsanwalt Dr. … …, c/o … & … Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB …, … N.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Bestellungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Bestellungsverfahren wird auf 120.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und der Antragsgegner waren die einzigen Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Unter § 16 des Gesellschaftsvertrags haben die Parteien eine Schiedsvereinbarung getroffen. Diese hat folgenden Wortlaut:
Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern oder einem Gesellschafter und der Gesellschaft sollen gütlich geregelt werden. Kommt eine solche Regelung nicht zustande, entscheidet anstelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein Schiedsgericht in einer Instanz abschließend. Das Schiedsgericht setzt sich aus drei Rechtsanwälten und/oder Steuerberatern zusammen. Jede Partei kann einen Schiedsrichter bestimmen. Den Vorsitzenden des Schiedsgerichts bestimmen die von den Parteien gewählten Schiedsrichter einvernehmlich. Kommt eine solche Einigung nicht zustande, bestimmt der Oberfinanzpräsident N. den Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Im Übrigen gelten die Regelungen der §§ 1025 ff. ZPO.
Nach dem Ausscheiden des Antragstellers aus der Gesellschaft mit Ablauf des 1. 1.2013 besteht zwischen den Parteien Streit über Ansprüche des Antragstellers gegen den Antragsgegner, insbesondere wegen Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens, aber auch wegen Erstellung einer Schlussbilanz sowie wegen Auskunftserteilung und Erfüllung steuerlicher Erklärungspflichten. Der Antragsteller beabsichtigt, deswegen gegen den Antragsgegner im Weg der Schiedsklage vorzugehen. Mit Anwaltsschriftsatz vom 22.6.2017 forderte er den Antragsgegner unter Bezugnahme auf vorangegangenen Schriftwechsel und unter Darstellung der für berechtigt erachteten Ansprüche unter Fristsetzung zur Benennung eines Schiedsrichters auf. Gleichzeitig benannte er einen Schiedsrichter seiner Wahl. Der Antragsgegner kam dem Verlangen nicht nach. Der Antragsteller hat deshalb mit Schriftsatz vom 9.8.2017, Eingang bei Gericht am 11.8.2017, beim Oberlandesgericht München die Bestellung eines zweiten Schiedsrichters beantragt.
Der Antragsgegner hält die Schiedsklausel wegen fehlender Regelungen betreffend das schiedsrichterliche Verfahren für unwirksam, insbesondere mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten. Er hat zuletzt angeregt, soweit die Klausel für wirksam erachtet werde, dem oben bezeichneten Rechtsanwalt wegen dessen Ortsnähe den Vorzug vor der vom Senat vorgeschlagenen Person zu geben. Der Antragsteller hat Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.
II.
Dem Antrag ist durch Bestellung eines zweiten Schiedsrichters stattzugeben.
1. Die Zuständigkeit des Senats für die Bestellung folgt aus § 1025 Abs. 3, § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 und Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl. S. 295). Der mangels Parteivereinbarung über den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1043 ZPO) maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt von Antragsteller und/oder Antragsgegner (vgl. MüKo/Münch ZPO 5. Aufl. § 1025 Rn. 24 f.) liegt in Bayern.
2. Gegen die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung (§ 1029 Abs. 2 ZPO) und ihre Anwendbarkeit auf den vorliegenden Streit bestehen nach summarischer Bewertung keine Bedenken.
Einer abschließenden Entscheidung darüber, ob die Schiedsvereinbarung gültig ist und sich auf den streitigen Anspruch erstreckt, bedarf es im Bestellungsverfahren nicht. Bei der Schiedsrichterbestellung muss als Vorfrage lediglich geprüft werden, ob die zugrundeliegende Schiedsvereinbarung offensichtlich unwirksam ist oder offensichtlich den inmitten stehenden Streit nicht betrifft (vgl. BGH NJW-RR 2010, 425; BayObLG MDR 2001, 780). Das ist hier nicht der Fall.
a) Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften sind weit auszulegen (OLG Düsseldorf SchiedsVZ 2004, 161/162); sie gelten im Zweifel auch für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten mit ausgeschiedenen Gesellschaftern (OLG Koblenz OLGR 2008, 568; Kröll SchiedsVZ 2010, 144/146; Zöller/Geimer ZPO 32. Aufl. § 1029 Rn. 74).
b) Weil die Parteien in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen waren und deshalb bei Vereinbarung des Gesellschaftsvertrags samt Schiedsklausel nicht als Verbraucher handelten, greift das Formerfordernis des § 1031 Abs. 5 ZPO nicht.
c) Notwendiger Inhalt einer wirksamen Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 ZPO sind die Vereinbarung darüber, dass ein bestimmter Rechtsstreit oder eine näher bezeichnete Mehrzahl von Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis von einem Schiedsgericht an Stelle der an sich zuständigen staatlichen Gerichte entschieden werden soll, sowie die eindeutige Bezeichnung des für die Entscheidung zuständigen Schiedsgerichts (BGH NJW 84, 669 mit NJW 1983, 1267; Zöller/Geimer § 1029 Rn. 28). Die gegenständliche Schiedsklausel genügt diesen Mindestanforderungen. Aus ihr geht die Derogation der staatlichen Gerichte für definierte Streitkomplexe ebenso hervor wie die Vereinbarung darüber, dass für die Entscheidung ein ad hoc zu bildendes Schiedsgericht zuständig sein soll.
Vereinbarungen über das schiedsrichterliche Verfahren gehören, wie sich schon aus § 1042 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO ergibt, nicht zum zwingenden Mindestinhalt einer Schiedsvereinbarung. Fehlen sie, so gelten die gesetzlichen Regeln (Zöller/Geimer § 1029 Rn. 11 mit Rn. 31 f.).
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betreffend die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung („Schiedsfähigkeit II“ – II ZR 255/08 = BGHZ 180, 221 ff.) und im Recht der Personengesellschaft („Schiedsfähigkeit III“ – I ZB 32/16 = SchiedsVZ 2017, 197 ff.) sind hier nicht unmittelbar einschlägig. Auf die Mindestanforderungen, die Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen erfüllen müssen, um auch Beschlussmängelstreitigkeiten zu erfassen, kommt es deshalb nicht unmittelbar an, weil mit der beabsichtigten Schiedsklage weder die Anfechtbarkeit noch die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen geltend gemacht werden soll. Auch eine Rechtskrafterstreckung auf nicht am Rechtsstreit beteiligte Personen steht nicht im Raum. Selbst wenn – was hier dahinstehen kann – die Schiedsklausel als wirksame Basis für Beschlussmängelstreitigkeiten ungeeignet wäre, hätte dies zudem nicht ohne weiteres die vollständige Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung und damit ihre Ungültigkeit für die vorliegende Streitigkeit zur Folge (vgl. BGHZ 180, 221/230 Rn. 22).
3. Weil die Parteien in der Schiedsvereinbarung zwar die Zahl der Schiedsrichter, nicht jedoch das Verfahren zu deren Bestellung im Falle ausbleibender Mitwirkung einer Partei vereinbart haben, ist der zweite Schiedsrichter des aus drei Schiedsrichtern zusammengesetzten Schiedsgerichts gemäß dem in § 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO geregelten Verfahren zu bestellen.
Danach ist der zweite Schiedsrichter auf Antrag der anderen Partei durch das Gericht zu bestellen, wenn eine Partei nicht innerhalb eines Monats nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung durch die andere Partei den Schiedsrichter benannt hat.
Die einmonatige Frist zur Benennung wurde mit dem Zugang des Aufforderungsschreibens beim Antragsgegner wirksam in Gang gesetzt, denn in dem Schreiben hatte der Antragsteller zugleich die Person des für die eigene Partei gewählten Schiedsrichters und den Gegenstand, über den eine Entscheidung des Schiedsgerichts herbeigeführt werden soll, konkret bezeichnet (vgl. Senat vom 14.10.2010, 34 SchH 7/10, juris Rn. 11; KG MDR 2013, 931/932; Zöller/Geimer § 1035 Rn. 14). Dass eine Frist von nur zwei Wochen zur Benennung des Schiedsrichters gesetzt wurde, obwohl eine Grundlage für die kurze Frist in der Schiedsvereinbarung fehlt, macht zwar die Fristsetzung (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit Kap. 10 Rn. 19), nicht aber die Bestellungsaufforderung unwirksam. Mit Zugang des Aufforderungsschreibens wird die – hier nicht abbedungene – gesetzliche Frist unabhängig von einer wirksamen Fristsetzung in Lauf gesetzt (Senat vom 25.4.2007, 34 SchH 10/06, juris Rn. 23; KG MDR 2013, 931/932; Zöller/Geimer § 1035 Rn. 14). Da bei Eingang des Bestellungsantrags die gesetzliche Monatsfrist ergebnislos abgelaufen war, ist der Antrag zulässig gestellt.
Die Kompetenz zur Bestellung eines Schiedsrichters ist deshalb auf das Gericht übergegangen.
4. Mit Ablauf der Monatsfrist des § 1035 Abs. 3 Satz 3 verliert die säumige Partei zwar das Recht auf Schiedsrichterbestellung (vgl. BayObLGZ 2002, 17). Der Partei bleibt es jedoch unbenommen, einen geeigneten Schiedsrichter zur Bestellung durch das Gericht vorzuschlagen.
5. Gemäß § 1035 Abs. 4 und Abs. 5 ZPO bestellt der Senat die oben bezeichnete Person zum Schiedsrichter. Der bezeichnete Rechtsanwalt erfüllt die besondere Qualifikationsanforderung, welche die Parteien in der Schiedsvereinbarung festgelegt haben. Aufgrund seiner Tätigkeitsschwerpunkte im Gesellschaftsrecht und in der Schiedsgerichtsbarkeit erscheint er zur Bearbeitung der gegenständlichen Auseinandersetzung geeignet. Seine Bestellung hat der Antragsgegner angeregt; der Antragsteller ist dem nicht entgegen getreten. Zur Übernahme des Schiedsrichteramtes ist er bereit. Die örtliche Nähe seines Kanzleisitzes zu den gewöhnlichen Aufenthaltsorten der Parteien sowie zum Kanzleisitz des vom Antragsteller benannten Schiedsrichters spricht für seine Auswahl.
III.
Entsprechend § 91 ZPO hat der Antragsgegner die Kosten des Bestellungsverfahrens zu tragen, da aufgrund seiner nicht gerechtfertigten Weigerung, an der Bildung des Schiedsgerichts mitzuwirken, die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens notwendig wurde.
Die Streitwertbemessung beruht auf § 3 ZPO, §§ 48, 63 Abs. 2 GKG, wobei das Interesse des Antragstellers im Bestellungsverfahren regelmäßig und auch hier mit einem Bruchteil des Hauptsachestreitwerts, etwa einem Drittel, angemessen bewertet ist.
Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO.