Arbeitsrecht

Beitragsbemessungsgrenze – gespaltene Rentenformel

Aktenzeichen  3 AZR 936/11

Datum:
20.5.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 BetrAVG
§ 313 Abs 1 BGB
§ 159 SGB 6
§ 160 SGB 6
§ 275c SGB 6
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Darmstadt, 15. Dezember 2010, Az: 2 Ca 249/10, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 5. Oktober 2011, Az: 8 Sa 181/11, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Oktober 2011 – 8 Sa 181/11 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden betrieblichen Altersrente und dabei über die Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003.
2
Der im März 1947 geborene Kläger war langjähriger Mitarbeiter der E GmbH. Zum 31. März 2007 ist er aus deren Diensten ausgeschieden. Seit dem 1. April 2007 bezieht er eine vorgezogene betriebliche Altersrente iHv. 2.631,90 Euro brutto monatlich nach der Pensionsordnung vom 27. April 1988. Die E GmbH wurde gemäß Verschmelzungsvertrag vom 2. Juni 2010 auf die Beklagte verschmolzen.
3
Die Pensionsordnung vom 27. April 1988 (im Folgenden: PO 88) ist eine Betriebsvereinbarung und lautet auszugsweise:
        
„Die Firma E (Deutschland) GmbH gewährt ihren Mitarbeitern betriebliche Versorgungsleistungen nach Massgabe der folgenden Bestimmungen:
        
…       
        
        
2.    
Art der Versorgungsleistungen
        
Im Rahmen dieser Versorgungsordnung werden folgende Versorgungsleistungen gewährt:
        
        
–       
Altersrente (siehe Abschnitt 7)
        
        
…       
        
        
Die Höhe der Leistungen wird aus
        
        
–       
der pensionsfähigen Dienstzeit (siehe Abschnitt 4)
        
        
–       
dem pensionsfähigen Einkommen (siehe Abschnitt 5) und
        
        
–       
der pensionsfähigen Bemessungsgrenze (siehe Abschnitt 6)
        
ermittelt.
        
…       
        
        
5.    
Pensionsfähiges Einkommen
        
Als pensionsfähiges Einkommen gilt das Grundgehalt des letzten Monats Januar vor dem Ausscheiden aus den Diensten der Firma. …
        
6.    
Pensionsfähige Bemessungsgrenze
        
Als pensionsfähige Bemessungsgrenze gilt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung des letzten Monats Januar vor Ausscheiden aus den Diensten der Firma.
        
7.    
Altersrente
        
Normale Altersrente erhalten alle Mitarbeiter, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausscheiden. Vorzeitige Altersrente erhalten alle Mitarbeiter, die nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus den Diensten der Firma ausscheiden.
        
Die normale bzw. vorzeitige Altersrente beträgt für jedes Jahr der pensionsfähigen Dienstzeit (siehe Abschnitt 4)
        
        
0,8 % 
des gesamten pensionsfähigen Einkommens (siehe Abschnitt 5)
        
        
zuzüglich
        
        
1,4 % 
desjenigen Teils des pensionsfähigen Einkommens (siehe Abschnitt 5), der die pensionsfähige Bemesserungsgrenze (siehe Abschnitt 6) übersteigt.
        
…       
        
        
19.     
Vorbehalte
        
Die Firma verpflichtet sich, die in dieser Pensionsordnung zugesagten Leistungen zu erbringen. Es werden keine Vorbehalte ausser den sog. Mustervorbehalten des Abschnitts 41 Ziffer (3) der Einkommensteuer-Richtlinien gemacht.“
4
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4561) hatte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 55.200,00 Euro jährlich und 4.600,00 Euro monatlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4637) wurde § 275c in das SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (West) für das Jahr 2003 auf 61.200,00 Euro jährlich und 5.100,00 Euro monatlich fest. Zudem wurden in § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung wurde durch § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2007 (Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007) in Art. 12 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742) für das Jahr 2007 auf 63.000,00 Euro jährlich und 5.250,00 Euro monatlich festgesetzt.
5
Infolge der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 verringerte sich die „Ausgangsrente“ des Klägers nach Abschnitt 7 PO 88 um monatlich 210,00 Euro. Durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erhöhte sich der Anspruch des Klägers auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,13 Euro monatlich.
6
Der Kläger hat sich unter Berufung auf die in den Urteilen des Senats vom 21. April 2009 (- 3 AZR 695/08 – BAGE 130, 214 und – 3 AZR 471/07 -) aufgestellten Grundsätze gegen die von der Beklagten unter Zugrundelegung der für das Jahr 2007 geltenden Beitragsbemessungsgrenze vorgenommene Berechnung seiner vorgezogenen Altersrente gewandt und die Auffassung vertreten, die vorgezogene Altersrente sei ohne Berücksichtigung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 zu berechnen. Die PO 88 sei durch die „außerplanmäßige“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 2003 lückenhaft geworden. Die Lücke sei im Wege der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass die vorgezogene Altersrente unter Außerachtlassung der „außerplanmäßigen“ Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze berechnet werde und von der so errechneten Versorgungsleistung der Betrag in Abzug zu bringen sei, um den sich seine gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht hat.
7
Der Kläger hat beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 30. Juni 2010 einen Betrag in Höhe von 8.028,93 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Februar 2010 aus 6.999,58 Euro und aus jeweils weiteren 205,87 Euro brutto seit 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010 und 1. Juli 2010 zu zahlen,
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, ihm monatlich am ersten Tag des jeweiligen Monats beginnend mit dem 1. Juli 2010 über den Betrag von 2.631,90 Euro hinaus weitere 205,87 Euro zu zahlen.
8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
9
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.


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