Aktenzeichen 1 HK O 2634/15
GmbHG GmbHG § 46 Nr. 6, § 47 Abs. 4 S. 2
Leitsatz
1 Die Anordnung der Durchführung einer Sonderprüfung bei einer GmbH ist Aufgabe der Gesellschafterversammlung. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Sonderprüfung kann auf Ebene der Muttergesellschaft und deren Komplementärin durchgeführt werden, auch wenn es deren erklärtes Ziel ist, die Tätigkeit der Tochtergesellschaften zumindest mit zu überprüfen. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Gesellschaftergeschäftsführer, dem Pflichtverletzungen zur Last gelegt werden, die im Rahmen der Sonderprüfung festgestellt werden sollen, ist nach § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG von der Abstimmung ausgeschlossen. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) vom 20.08.2015 (10:30 Uhr) zu TOP 5 der Tagesordnung gefasste Beschluss, wonach der Beschlussantrag abgelehnt wurde, nichtig ist.
2. Es wird festgestellt, dass in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) vom 20.08.2015 (10:30 Uhr) zu TOP 5 der folgende Beschluss gefasst wurde:
a) Es wird ein Sonderprüfer für die XY_ Verwaltungs-GmbH sowie die XY_ GmbH & Co. KG bestellt. Der Sonderprüfer wird vom Präsidenten der Industrie- und Handelskammer M. benannt. Der Sonderprüfer muss die in § 143 AktG geregelten Voraussetzungen erfüllen, in Deutschland, Tschechien und Slowenien tätig sein und in der Lage sein, Dokumente in tschechischer, slowenischer, deutscher und englischer Sprache auszuwerten. Der Sonderprüfer erhält die Befugnisse in entsprechender Anwendung des § 145 Abs. 1, 2, 3 AktG.
b) Zum besonderen Vertreter sowohl der XY_ GmbH & Co. KG als auch der XY_ Verwaltungs-GmbH gegenüber dem Sonderprüfer wird Herr C.S. bestellt. Dieser wird beauftragt und bevollmächtigt, die Gesellschaften gegenüber dem Sonderprüfer zu vertreten, insbesondere mit diesem eine angemessene Vergütungsvereinbarung abzuschließen.
Der besondere Bevollmächtigte ist befugt, im Rahmen der Sonderprüfung Mitarbeitern der Gesellschaften Anweisungen zu erteilen, insbesondere diese anzuweisen, dem Sonderprüfer Auskunft zu erteilen, Dokumente zur Verfügung zu stellen, Zugang zu Räumlichkeiten und Zugriff auf EDV-Systeme zu gewähren.
c) Gegenstand der Sonderprüfung sind etwaige Pflichtverletzungen der ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführerin P.R. sowie des Geschäftsführers U.B. im Rahmen der Geschäftsführung der XY_ Verwaltungs-GmbH sowie der XY_ GmbH & Co. KG sowie die Vorbereitung der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen die Gesellschafter P.R., G.R. und die G.R. GmbH & Co. KG auf der Basis des zu erstellenden Sonderprüfungsberichts.
Die Sonderprüfung erfasst insbesondere folgende Punkte: 1) Stand des Rollouts der SAP-Software im gesamten XY_-Konzern, insbesondere die getroffenen Maßnahmen zur Anbindung der slowenischen Tochtergesellschaft XY_ inzeniring d.o.o., und weshalb diese bisher nicht umgesetzt wurde.
2) Prüfung der Geld- und Sachleistungen im Verhältnis zwischen der XY_ GmbH & Co. KG und der XY_ inzeniring d.o.o., L. seit dem 01.01.2011 und deren rechtlicher Grundlagen.
3) Prüfung sämtlicher Vertragsverhältnisse zwischen der XY_ GmbH & Co. KG und der XY_ inzeniring d.o.o. auf Plausibilität im Hinblick auf den Geschäftszweck und Tätigkeitsbereich der XY_ inzeniring d.o.o. im XY_-Konzern.
4) Prüfung der Geld- und Sachleistungen an die Gesellschafter P.R., G.R. und die G.R. GmbH & Co. KG sowie mit diesen rechtlich oder wirtschaftlich oder persönlich verbundenen juristischen und natürlichen Personen seitens der XY_ inzeniring d.o.o., L. und deren rechtliche Grundlagen.
5) Prüfung der Geld- und Sachleistungen an Herrn A.M. (Lebensgefährte der Frau P.R.) seitens der XY_ inzeniring d.o.o., L., sowie aller vertraglichen Vereinbarungen mit ihm.
Prüfung sämtlicher Geld- und Sachleistungen sowie Vertragsverhältnisse zwischen der XY_ inzeniring d.o.o., L. und der XY_-CZ s.r.o., Tschechien.
6) Prüfung sämtlicher Geld- und Sachleistungen sowie Vertragverhältnisse zwischen der XY_ inzeniring d.o.o., L. und der XY_-CZ s.r.o., Tschechien.
7) Prüfung der Vertriebstätigkeiten der XY_ inzeniring d.o.o., L. und der XY_-CZ s.r.o., Tschechien seit dem Jahr 2011.
8) In die Prüfung sollen insbesondere folgende Unterlagen einbezogen werden, soweit dies zweckdienlich für den Prüfungsauftrag ist und Erkenntnisse zu den vorstehenden Prüfungspunkten erwarten lässt:
– Gesellschafterbeschlüsse der XY_ inzeniring d.o.o.
– Leasing- und Mietverträge der XY_ inzeniring d.o.o.
– Liste des aktuellen Fuhrparks der XY_ inzeniring d.o.o.
– Anstellungsverträge inkl. der letzten Lohnabrechnung der XY_ inzeniring d.o.o.
– Dokumentation der Rabattregelungen der XY_ inzeniring d.o.o.
– Kreditkartenabrechnungen der XY_ inzeniring d.o.o.
– Bankauszüge der XY_ inzeniring d.o.o.
– Rechnungen an und von der XY_ inzeniring d.o.o.
– Dokumentation der gewerblichen Schutzrechte (Patentanmeldungen, Patente, Marken etc.)
d) Die Geschäftsführung – auch ein Geschäftsführer alleine – der XY_ GmbH & Co. KG sowie der XY_ Verwaltungs-GmbH wird angewiesen, dem Sonderprüfer uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen Dokumenten und Daten zu verschaffen, welche der Sonderprüfer im Rahmen seines Prüfungsauftrages anfordert. Dem Sonderprüfer ist, soweit er dies verlangt, ein Prüfungsraum zur Verfügung zu stellen im Verwaltungsgebäude Technik oder Vertrieb in B.. Dem Sonderprüfer ist weiter ein Zugang zu den EDV-Systemen des XY_-Konzerns zu gewähren, soweit dies erforderlich ist.
e) Die Geschäftsführung – auch ein Geschäftsführer alleine – der XY_ GmbH & Co. KG sowie der XY_ Verwaltungs-GmbH wird angewiesen und beauftragt, für die XY_ GmbH & Co. KG sowohl als Gesellschafterin der XY_ inzeniring d.o.o., L., als auch der XY_-CZ s.r.o., O., sämtliche erforderliche Maßnahmen zu treffen, um dem Sonderprüfer selbst die Einsichtnahme und Einholung von Auskünften bei diesen Tochtergesellschaften zu ermöglichen. Hierzu gehört insbesondere die Abhaltung von und die Vertretung in Gesellschafterversammlungen (insbesondere auch Vollversammlungen unter Verzicht auf alle Form- und Fristerfordernisse für die Ladung und Abhaltung einer Gesellschafterversammlung) und die Fassung von Gesellschafterversammlungsbeschlüssen zur entsprechenden Anweisung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften. Im Fall der Weigerung der Erteilung dieser Auskünfte bzw. Gewährung der Einsichtnahme durch die Geschäftsführung der XY_ inzeniring d.o.o., L., oder der XY_-CZ s.r.o., O., ist die Auskunftserteilung und Einsichtnahme gerichtlich durchzusetzen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
Auf Antrag der Kläger war festzustellen, dass der unter TOP 5 gestellte Beschlussantrag gefasst wurde. Der Beschluss in der Gesellschafter5versammlung unter TOP 7 wurde wirksam gefasst, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.
1. Der Kläger zu 2) ist aktiv legitimiert, soweit sich seine Klage auf die Beschlüsse bei der Beklagten zu 1) beziehen. An dieser Gesellschaft ist der Kläger zu 2) persönlich beteiligt. Dies wäre im Wege der Auslegung des Klageantrag festzustellen gewesen und wurde mit Schriftsatz vom 19.02.2016 ausdrücklich erklärt.
Die beiden Beklagten sind hinsichtlich beider Gesellschafterbeschlüsse passiv legitimiert. Die Beschlussfassungen sind beiden Gesellschaften zuzurechnen. Hinsichtlich des Beschlussantrages unter TOP 5 betrifft dieser beide Gesellschaften. Es wurde über die Durchführung einer Sonderprüfung bei beiden Gesellschaften abgestimmt. Ob eine Sonderprüfung bei einer Kommanditgesellschaft möglich ist, ist im Rahmen der Begründetheit zu entscheiden.
Auch der unter TOP 7 gefasste Beschluss betrifft beide Beklagte. Angewiesen wird der Geschäftsführer der Beklagten zu 1), betroffen ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2).
2. In der Gesellschafterversammlung vom 20.08.2015 wurde der Beschluss über die Durchführung einer Sonderprüfung bei beiden Beklagten gefasst.
Ein Beschlussergebnis wurde ausweislich des Protokolls nicht festgestellt. Die Kläger haben daher ein Feststellungsinteresse dahingehend, dass ein entsprechender Beschluss gefasst wurde.
Die Anordnung der Durchführung eines Sonderprüfung bei einer GmbH ist Aufgabe der Gesellschafterversammlung. Die Gesellschafterversammlung hat das Recht, die Geschäftsführung zu kontrollieren (§ 46 Ziff. 6 GmbHG). Als Maßnahme der Überwachung und Kontrolle durch die Gesellschafterversammlung kann eine Sonderprüfung angeordnet werden und Sonderprüfer bestellt werden (vgl. Baumbach/Hueck § 46 GmbHG, Rn. 50).
Bei einer Kommanditgesellschaft ist die Durchführung einer Sonderprüfung – wie auch bei der GmbH – im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Die Gesellschafterrechte auf Überprüfung ergeben sich aus § 166 HGB. Die Durchführung einer Sonderprüfung ist jedoch nicht ausgeschlossen. Zulässig ist die jedenfalls dann, wenn eine solche in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen wäre, was bei der XY_ KG jedoch nicht der Fall ist.
Auf Grund des Beschlussantrages der Kläger soll jedoch eine umfassende Prüfung der Tätigkeit der Mitgesellschafterin P.R. gerade auch im Hinblick auf ihre Stellung als Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin der XY_ L. erfolgen. Eine solche Prüfung ist nur dann in entsprechender Weise möglich, wenn auch die XY_ KG und ihre Komplementärgesellschaft, die XY_ GmbH mitgeprüft werden. Die XY KG ist gleichzeitig die Muttergesellschaft der XY_ L..
Die Sonderprüfung kann auch auf Ebene der Muttergesellschaft und deren Komplementärin durchgeführt werden, auch wenn das erklärte Ziel ist, die Tätigkeit der Tochtergesellschaften zumindest mit zu überprüfen. Die Vorwürfe gegen die Mitgesellschafterin P.R. stehen auch im Zusammenhang mit Entscheidungen, die auf der Ebene der Muttergesellschaft getroffen, oder nicht getroffen werden.
Der Beschlussantrag zu TOP 5 wurde auch mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Zwar haben die Mitglieder der Gesellschafterfamilie R. gegen den Beschlussantrag gestimmt. Jedoch hatte die Gesellschafterin P.R. nach § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG kein Stimmrecht gehabt. Nach dieser Vorschrift ist das Stimmrecht eines Gesellschafters nicht nur dann ausgeschlossen, wenn es sich um die Einleitung eines Rechtsstreits gegen den Gesellschafter geht, sondern auch schon, wenn es um die außergerichtliche Geltung und Klärung von Ansprüchen geht (vgl. Baumbach/Hueck § 47 GmbHG, Rn. 93). Dieser Stimmrechtsausschluss erstreckt sich damit auch auf Maßnahmen, die die Gesellschafterversammlung beschließt, um mögliche Pflichtverletzungen, die einen Gesellschafter betreffen, festzustellen und zu ermitteln. Vorliegend geht es darum, ob die Mitgesellschafterin P.R. auf Grund ihres Verhaltens bei den beiden Tochtergesellschaften in Slowenien und Tschechien ihre Pflichten verletzt hat. Auf Grund des Vortrags der Kläger ist dies zumindest nicht ausgeschlossen.
3. Der Beschluss über die Durchführung einer Sonderprüfung bei der XY_ Tortechnik GmbH, H. (TOP 7) wurde wirksam gefasst, die Kläger haben daher keinen Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses.
Der Mitgesellschafter C.S. war bei der Beschlussfassung ausgeschlossen.
Die Anordnung und Durchführung einer Sonderprüfung ist Ausdruck der Kontrollrechte der Gesellschafterversammlung, wie bereits ausgeführt.
Der Gesellschaftergeschäftsführer, dem Pflichtverletzungen zur Last gelegt werden, die im Rahmen der Sonderprüfung festgestellt werden sollten, ist nach § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG – wie bereits ausgeführt – von der Abstimmung ausgeschlossen.
Der Mitgesellschafter C.S. war Geschäftsführer der Tochtergesellschafter in H.. Er war somit von der Beschlussfassung ausgeschlossen und die dennoch abgegebene Stimme durfte bei der Feststellung des Beschlussergebnisses nicht mit gezählt werden.
Der Beschlussantrag unter TOP 7 wurde daher mit der erforderlichen Mehrheit angenommen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.