Handels- und Gesellschaftsrecht

Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs für die Feststellung einer Gewerbesteuerforderung des Finanzamtes im Rahmen der Kommanditistenhaftung

Aktenzeichen  7 W 282/18

Datum:
27.3.2018
Fundstelle:
LSK – 2018, 5329
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 S. 2
GVG § 13
FGO § 33
InsO § 93

 

Leitsatz

Für Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen den Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unabhängig von der Rechtsnatur der einzelnen Gläubigerforderungen gegeben. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

14 O 810/17 2018-01-26 Bes LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 26.01.2018, Az. 14 O 810/17 Ins, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.495,00 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten vor dem Landgericht München II (Az. 14 O 810/17 Ins) um eine Inanspruchnahme des Beklagten nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 S. 2 HGB.
Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 21.02.2013 (Az. 67b IN 17/13, Anl. K 1) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der FFH Fonds Nr. 17 MS „A.“ GmbH & Co. Containerschiff KG (im Folgenden als Schuldnerin bezeichnet) bestellt worden. Im Insolvenzverfahren hatten ursprünglich 40 Gläubiger Insolvenzforderungen in einer Gesamthöhe von 8.248.704, 23 € zur Tabelle angemeldet, darunter auch das Finanzamt H. mit einer Gewerbesteuerforderung in Höhe von 6.514,20 € nebst Zinsen in Höhe von 351,00 € für die Jahre 2008 bis 2012 (Lfd. Nr. 37 der Tabellen laut Anl. K 2 und K 11). Eine weitere Forderungsanmeldung über 543.916,90 € wegen Gewerbesteuer für das Jahr 2013 hat das Finanzamt H. mittlerweile wieder zurückgenommen (Lfd. Nr. 20 der Tabellen laut Anl. K 2 und K 11).
Mit Stand zum 02.01.2018 waren Insolvenzforderungen in Höhe von 659.808,32 € festgestellt und Insolvenzforderungen in Höhe von 2.113.313,53 € für den Ausfall festgestellt. Weitere Forderungen in Höhe von 18.824,07 € hat der Kläger bestritten. Forderungen in Höhe von 5.395.929,08 € wurden von den Gläubigern zurückgenommen (vgl. Anl. K 11).
Die Forderung des Finanzamts H. laut Nr. 37 der Tabelle ist noch nicht festgestellt (vgl. Anl. K 11). Auf den Insolvenzanderkonten befanden sich zum 10.08.2017 Beträge in Höhe von 2.155.024,85 € und 97.541,97 US$.
Der Beklagte ist mit einer Einlage in Höhe von 30.000,00 € an der Schuldnerin beteiligt und mit einer entsprechenden Hafteinlage als Kommanditist im Handelsregister eingetragen (vgl. Anl. K 5).
Der Kläger trägt vor, der Beklagte habe von der Schuldnerin in den Jahren 2004 bis 2008 nicht durch Vermögenseinlagen gedeckte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 13.500,00 € erhalten.
Der Beklagte rügt, dass hinsichtlich der zur Tabelle angemeldeten Forderung des Finanzamts Hamburg-Mitte wegen Gewerbesteuer für 2008 bis 2012 der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet sei; zuständig seien vielmehr die Finanzgerichte.
Das Landgericht München II hat mit Beschluss vom 26.01.2018 (Bl. 118/119) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt.
Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Beklagten vom 12.02.2018 (Bl. 120/121 d.A.), eingegangen beim Landgericht per Fax am 13.02.2018, hat das Landgericht mit Beschluss vom 21.02.2018 nicht abgeholfen und die Vorlage an das Oberlandesgericht München angeordnet (Bl. 122/124).
II.
Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet, da das Landgericht zu Recht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt hat.
Ob eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vorliegt und damit gemäß § 13 GVG die ordentlichen Gerichte zuständig sind, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Es kommt darauf an, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivilrechts oder des Abgabenrechts geprägt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.04.2013, Az. 9 B 37/12, Rdnr. 6). Die in dieser Weise vorzunehmende Abgrenzung weist das Streitverhältnis in diejenige Verfahrensordnung, die ihm nach der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht und bewirkt zugleich, dass regelmäßig diejenigen Gerichte anzurufen sind, die durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch besonders geeignet sind (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1984, Az. VI ZR 297/81, Rdnr. 7).
Dies sind die ordentlichen Gerichte, da es für die streitgegenständliche Inanspruchnahme des Beklagten als Kommanditist nach Herabminderung seines Kapitalanteils unter den Betrag der Hafteinlage gemäß §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 S. 2 HGB durch den Insolvenzverwalter der Schuldnerin für Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger auf das Bestehen der zur Tabelle angemeldeten, aber noch nicht festgestellten Gewerbesteuerforderung des Finanzamts H. für die Jahre 2008 bis 2012 nicht entscheidend ankommt und deshalb eine besondere abgabenrechtliche Fachkompetenz – wie sie nur die Finanzgerichte haben – zur Entscheidung nicht notwendig ist.
Denn die ausschließlich zu § 93 InsO entwickelte Rechtsprechung zur Rechtswegzuständigkeit bei Geltendmachung einer § 33 FGO unterfallenden Forderung gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter durch den Insolvenzverwalter (vgl. BFH, Beschluss vom 09.04.2014, Az. III S 4/14, Rdnrn. 6 und 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.01.2014, Az. 19 W 2/14, Rdnr. 3), ist nicht auf Haftungsfälle nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 S. 2 HGB übertragbar. Da nach der neuesten Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 20.02.2018, Az. II ZR 272/16) bei der Kommanditistenhaftung nach § 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 S. 2 HGB eine konkrete Zuordnung der Klagesumme auf die geltend gemachten materiellen Gläubigeransprüche nicht erforderlich ist, weil alle eingezogenen Beträge anteilig zur Befriedigung aller Gläubigerforderungen zu verwenden sind (BGH, aaO, Rdnr. 18 aE, anders noch ausdrücklich BGH, Urteil vom 09.10.2006, Az. II ZR 193/05, Rdnr. 9) und damit durch die Inanspruchnahme des Beklagten auch nicht eine einzelne Gläubigerforderung unabhängig von den anderen Gläubigerforderungen ganz oder teilweise zum Erlöschen gebracht wird, kommt es auf die Rechtsnatur einzelner Gläubigerforderung nicht mehr an. Sinn und Zweck des § 171 Abs. 2 HGB ist es nämlich, die Gläubigerforderungen gegen die Kommanditisten in der Hand des Insolvenzverwalters zu bündeln, damit dieser einen geordneten Forderungsausgleich zwischen den Gläubigern und Kommanditisten herbeiführen kann. Dies ist wiederum nur möglich, wenn der Insolvenzverwalter sämtliche Gläubigerforderungen in einem einheitlichen gerichtlichen Verfahren geltend machen kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.1989, Az. 6 U 218/88, Rdnr. 17).
III.
Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens war auf ein Drittel des Wertes der Hauptsache (10.485,00 €) festzusetzen (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 31. Auflage, Köln 2016, Rdnr. 16 zu § 3 ZPO Stichwort „Rechtswegverweisung“).
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nicht vorliegen. Die Entscheidung weicht nicht von der eines höher- oder gleichrangigen Gerichts ab. Die Beschlüsse des BFH (Beschluss vom 09.04.2014, Az. III S 4/14) und des OLG Frankfurt (Beschluss vom 22.01.2014, Az. 19 W 2/14) beziehen sich nicht auf die hier streitgegenständliche Inanspruchnahme eines Kommanditisten nach §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 S. 2 HGB). Die Entscheidung hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.


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