Verwaltungsrecht

Sicherheitslage in Mali und interne Schutzalternative

Aktenzeichen  M 21 S 17.38259

Datum:
20.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher, als auch staatlicher und nichtstaatlicher Stellen besteht eine interne Schutzalternative iSd § 3e AsylG im Süden Malis, insbesondere in der Gegend in und um Bamako. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.Der Antrag wird abgelehnt.
II.Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Raphael Botor, Rosenheim, wird für das Eilverfahren abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein lediger, in Bamako geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens vom Volk der Peul.
Er stellte am 21. November 2013 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (kurz: Bundesamt) in München einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in München am 28. September 2016 wurde festgehalten, auf Wunsch des Antragstellers nehme seine Begleitperson, Frau B., an der Anhörung teil. Er gab im Wesentlichen an, mit seinen Rindern und Schafen als Nomade gelebt und deswegen keinen festen Wohnort in Mali gehabt zu haben. Zuletzt sei er in einem Dorf namens Kay gewesen, das etwa eine Autotagesfahrt von Bamako entfernt gewesen sei. Mitte 2012 habe er Mali verlassen und sei im November 2013 in das Bundesgebiet eingereist. Er habe keinen Asylantrag in Griechenland gestellt. Außer seiner Mutter habe er noch zwei Schwestern in Mali. Er habe in der Metallverarbeitung gearbeitet und sei Künstler. Danach habe er sich mit seinem Vater um dessen Rinder und Schafe gekümmert. Es gebe Krieg in Mali. Es gebe auch Probleme mit den verschiedenen Ethnien. Es gebe auch Krieg unter den Muslimen. Sein Vater, sein Onkel und viele Mitglieder seiner Familie seien vor seinen Augen getötet worden. Sein Vater sei ungefähr 2012 getötet worden. Auf die Frage, wo sein Vater genau getötet worden sei, antwortete der Antragsteller insbesondere, sein Vater sei Moslem gewesen. ISIS habe seinem Vater ungefähr 2011 gesagt, dass er sich einen Bart wachsen lassen solle. Die Schwester des Antragstellers habe ein Kopftuch tragen sollen. Zwei Tage insbesondere nach der Tötung seines Vaters sei der Antragsteller mit seiner Mutter nach Bamako gezogen und von dort noch einmal in das Dorf zurückgekehrt, um die Rinder seines Vaters zu verkaufen. Mit dem Geld sei er dann ausgereist. Er selbst sei nicht von ISIS oder einer anderen Gruppe angesprochen worden. Bei einer Rückkehr nach Mali könnte er von den Islamisten getötet werden.
Mit Bescheid vom 10. April 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, selbst bei Wahrunterstellung knüpfe die vorgetragene Bedrohung nicht an ein Merkmal nach § 3 AsylG an. Sie sei vielmehr als kriegerische Gefahr zu werten, welche alle in diesem Landesteil lebenden Menschen gleichsam betroffen habe. Außerdem stehe dem Antragsteller nach wie vor eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Eine inländische Fluchtalternative sei in jeder größeren Stadt sowie auch auf dem Land im Süden Malis gegeben. Eine Rückkehr nach Bamako sei ohne Betroffenheit von einer Bürgerkriegsgefahr möglich. Der Antragsteller sei gesund und arbeitsfähig. Es gebe keinen Anlass zu der Annahme, dass es ihm nicht gelingen werde, bei einer Rückkehr das wirtschaftliche Existenzminimum zu erreichen. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 25. April 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 10. Februar (richtig: April) 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz zu gewähren, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Über die Klage (M 21 K 17.38258) ist noch nicht entschieden.
Zugleich ließ der Antragsteller am 25. April 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm den Unterzeichner beizuordnen.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 25. April 2017 im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesamt gehe zu Unrecht davon aus, dass der Antragsteller ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht substantiiert vorgetragen habe. Eine individuelle politische Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure oder eine fehlende Schutzfähigkeit oder -willigkeit des malischen Staates bei Übergriffen Dritter sei nach seinen Angaben ersichtlich feststellbar. Es sei ersichtlich, dass der Antragsteller wegen der kriegerischen Auseinandersetzung in Mali unmittelbar oder alsbald nach einer Rückkehr landesweit einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unterliege. Ihm stehe im südlichen Teil Malis keine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Abgesehen von der nicht entscheidungserheblichen Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens muss sich der Antragsteller auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher (vgl. nur http://www.refworld.org/pdfid/59d388b84.pdf) als auch staatlicher (vgl. nur https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf) und nichtstaatlicher Stellen (vgl. nur https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/mali) jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen (§ 3e AsylG).
Im Vergleich zum Bericht des Generalsekretärs des Sicherheitsrats der UN über die Lage in Mali im Juni 2017 haben sich die politische und die Sicherheitslage dort zum Zeitpunkt Ende September 2017 verschlechtert. Die UN berichten allerdings in diesem Zusammenhang von einer Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen den bewaffneten Signatarkräften in Nordmali, wachsender Unsicherheit im Zentrum des Landes und steigender politischer Unruhe im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsprozess, der zu einer verspäteten Umsetzung des Abkommens geführt habe. Für die Region Kidal wird von einer Verschlechterung der Sicherheitslage berichtet. Asymmetrische Angriffe gegen internationale Kräfte seien insbesondere in den Regionen Gao, Kidal und Timbuktu zu verzeichnen. Die Sicherheit von Zivilisten habe sich in den Gegenden um Ménaka und Mopti verschlechtert. Zur Lage der Peul verhält sich der aktuelle Bericht des Generalsekretärs des Sicherheitsrats der UN nicht.
Dementsprechend wird vom Außenministerium der Vereinigten Staaten festgehalten, für Teile des Nordens und des Zentrums des Landes werde insbesondere von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche, extremistische Organisationen berichtet. Die Truppen der Regierung und der Französischen Republik hätten jedoch dort verschiedene Terrorgruppen bekämpft. Peul hätten im Berichtszeitraum 2016 für die zentralen Regionen Mopti und Segou in wenigen Fällen von Missbrauch durch Regierungskräfte berichtet. Angriffe durch bewaffnete Gruppen, welche die Vereinbarung von 2015 unterzeichnet hatten, seien im Berichtszeitraum 2016 sporadisch und örtlich begrenzt gewesen. Terroristische Gruppen hätten ihre Aktivitäten (nur) im Norden und zentralen Teilen des Landes fortgesetzt. Die Regierung habe nicht genügend Ressourcen gehabt, um diese Fälle im Norden (allein) zu verfolgen und zu untersuchen.
Auch Amnesty International berichtet Stand 19. Mai 2017, die Instabilität habe in Mali vom Norden auf das Landesinnere übergegriffen. Es habe immer mehr bewaffnete Gruppierungen gegeben, die Anschläge verübten. Die Stadt Kidal im Norden des Landes sei von bewaffneten Gruppen kontrolliert worden. In Gao und Ménaka sei die Versorgung mit humanitärer Hilfe durch Entführungen seitens bewaffneter Gruppen behindert worden.
Bei dieser Lage muss sich der Antragsteller hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen.
2. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Raphael B. war nach den vorstehenden Ausführungen für den Eilantrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO, §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO) ebenfalls abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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