Aktenzeichen VI R 49/11
Leitsatz
1. NV: Die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den betrieblichen PKW tatsächlich privat nutzt, zu einem lohnsteuerlichen Vorteil (Abgrenzung von BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116).
2. NV: Ob der Arbeitnehmer den Beweis des ersten Anscheins, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden, durch die substantiierte Darlegung eines atypischen Sachverhalts zu entkräften vermag, ist damit für die Besteuerung des Nutzungsvorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG unerheblich (Änderung der Rechtsprechung).
Verfahrensgang
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 8. März 2011, Az: 2 K 2155/07, Urteil
Tatbestand
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I. Streitig ist der Ansatz eines geldwerten Vorteiles wegen der privaten Nutzung eines Firmenwagens.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 2004 Außendienstmitarbeiter bzw. Verkaufsberater der Firma X-GmbH. Er verfügte über einen Dienst-PKW, der ihm nach den arbeitsvertraglichen Regelungen grundsätzlich auch für Privatfahrten zur Verfügung stand. Den Sachbezug hierfür bemaß die Arbeitgeberin des Klägers nach der 1 %-Regelung mit monatlich 243 € und erhöhte dessen Arbeitslohn entsprechend. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verfügte ebenfalls über einen Dienst-PKW, den sie ausweislich ihres Arbeitsvertrages ebenfalls privat nutzen durfte. Die Besteuerung dieses Nutzungsvorteiles steht vorliegend jedoch nicht in Streit. Überdies verfügten die Kläger im Streitjahr über einen weiteren –privaten– PKW.
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Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger –erfolglos– Werbungskosten in Höhe des von der Arbeitgeberin angesetzten Sachbezugs geltend. Die pauschale Nutzungswertbesteuerung nach der Listenpreismethode sei über den Ansatz des Nutzungswertes als Werbungskosten auszugleichen. Denn er habe den Firmen-PKW ausweislich der beigefügten formlosen Aufstellung seiner Dienstfahrten mit Angaben zum Reiseziel, zu den gefahrenen täglichen Kilometern und Angaben zur Abwesenheit von seiner Wohnung einschließlich Angaben zum Kilometerstand am Monatsanfang und –ende sowie Tankquittungen nicht privat genutzt.
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Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg. Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 402). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) habe für die Überlassung des Dienstwagens an den Kläger zu Recht einen Sachbezug in Höhe von 243 € als Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt. Denn der Kläger habe das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten nicht durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen und auch den Beweis des ersten Anscheins für eine private Nutzung nicht erschüttert.
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Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Der Arbeitslohn des Klägers sei zu Unrecht um den streitigen Sachbezug erhöht worden. Denn er habe den dienstlichen PKW nicht privat genutzt. Dies sei zwar nicht durch ein formell ordnungsgemäßes Fahrtenbuch, aber durch andere Unterlagen, die inhaltlich den Angaben eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs entsprochen hätten, nachgewiesen worden. Damit habe der Kläger den Beweis des ersten Anscheins einer Privatnutzung erschüttert. Dies habe das FG verkannt. Denn es habe für die Entkräftung des Anscheinsbeweises ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch verlangt. Hierfür müssten jedoch auch andere –wie die im Streitfall vorgelegten– Unterlagen genügen. Im Übrigen sei eine Privatnutzung des Fahrzeugs schlichtweg nicht möglich gewesen. Er habe darin stets Materialmuster und andere berufliche Dinge mit sich führen müssen. Außerdem stünden ihm und der Klägerin, die ihren Dienstwagen privat nutzen dürfe, ein in Status und Gebrauchswert vergleichbarer Privatwagen zur Verfügung. Auch deshalb sei der Ansatz eines Nutzungsvorteiles als Arbeitslohn vorliegend nicht gerechtfertigt.
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Die Kläger beantragen,das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 8. März 2011 2 K 2155/07 und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 1. Februar 2011 insoweit abzuändern, als dass Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit lediglich in Höhe von 55.649 € angesetzt werden.
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Das FA ist der Revision entgegengetreten.