Aktenzeichen S 6 AS 80/16
SGG SGG § 73a
ZPO ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Inhaltliche Anforderungen an die Konkretisierung eines Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X lediglich pauschales Bestreiten der Rechtmäßigkeit angegriffener Bescheide ist nicht ausreichend
Tenor
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Mit vier Änderungsbescheiden vom 10.11.2014 bewilligte der Beklagte der 1989 geborenen Klägerin zu 1) und ihrer 2008 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2) mit der sie in Bedarfsgemeinschaft lebt, für die Zeiträume 01.01.2013 bis 31.03.2013, 01.04.2013 bis 30.09.2013, 01.10.2013 bis 31.03.2014 und 01.04.2014 bis 30.09.2014 Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Im Vergleich zu den vorausgegangenen Bewilligungsbescheiden berücksichtigte der Beklagte darin einen Mehrbedarf für Warmwasser, was zu einer entsprechenden Erhöhung der Leistung um 1,79 € für Januar 2013, um 2,08 € für Februar 2013, von 10,58 € für Marz bis Dezember 2013, von 11,78 € für Januar 2014 und 12,12 € von Februar bis März 2014 führte.
Am 04.03.2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen die Überprüfung der Änderungsbescheide nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), nachdem ihm diese von seinen Mandanten vorgelegt worden waren.
Ohne Sach- und Rechtsprüfung lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 10.03.2015 ab, da dieser lediglich pauschal – ohne Angabe der für die Unrichtigkeit der angegriffenen Bescheide sprechenden Gründe – gestellt worden sei.
Im Rahmen des durch den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerinnen vom 13.03.2015 eingeleiteten Widerspruchsverfahrens wurden die Klägerinnen vom Beklagten am 29.06.2015 aufgefordert darzulegen, aus welchen Gründen die angefochtenen Bescheide unrichtig sein sollten.
Nachdem innerhalb der hierfür gesetzten Frist keinerlei Stellungnahme seitens der Klägerinnen einging, wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.03.2015 mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2015 zurückgewiesen, in welchem der Beklagte u.a. die Auffassung vertrat, dass er nicht zu einer Überprüfung seiner Bescheide „ins Blaue hinein“ verpflichtet sei.
Gegen ihn richtet sich die am 21.01.2016 zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage, in welcher die Klägerinnen beantragen,
Der Bescheid des Beklagten vom 10.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet über den Überprüfungsantrag vom 04.03.2015 hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 10.11.2014 bezüglich der Leistungszeiträume 01.01.2013 bis 31.03.2013, 01.04.2013 bis 30.09.2013, 01.10.2013 bis 31.03.2014 und 01.04.2014 bis 30.09.2014 inhaltlich zu entscheiden.
Zugleich mit Klageerhebung wurde um Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus B-Stadt ersucht.
Der Beklagte beantragt in seinem Klageerwiderungsschreiben vom 15.07.2016, die Klage wird abgewiesen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhalten Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Antrag vorliegend abzulehnen, da es der in der Hauptsache geführten Klage an der erforderlichen Erfolgsaussicht gem. § 73 a SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO mangelt.
Nach der im Verfahren zur Bewilligung von PKH vorzunehmenden summarischen Prüfung hat es der Beklagte zu Recht abgelehnt, auf den Antrag der Klägerinnen vom 04.03.2015 hin die Änderungsbescheide vom 10.11.2014 nach § 44 SGB X inhaltlich nochmals zu überprüfen.
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags der Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfungspflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfungsauftrages der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist (BSG v. 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R; v. 04.06.2014 – B 14 AS 335/13 B).
Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund, etwa wegen eines Rechtsfehlers oder einer falschen Sachverhaltsgrundlage, nach Auffassung der Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll.
Wird hingegen ohne nähere Differenzierung ein Verwaltungshandeln insgesamt zur Überprüfung gestellt, also keine Prüfung im Einzelfall begehrt, löst ein solcher Antrag nach § 44 SGB X keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers aus (s. BSG v. 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R; v. 04.06.2014 – B 14 AS 335/13 B sowie v. 28.10.2014 – B 14 AS 39/13 R; s.a. LSG Niedersachsen -Bremen v. 25.02.2016 – L 11 AS 1392/13)
Eine Entbindung von der inhaltlichen Prüfpflicht setzt allerdings voraus, dass der Sozialleistungsträger den Einzelfall, also die konkreten Inhalte eines bestimmten Bescheides die zu Überprüfung gestellt werden sollen, bei objektiver Betrachtung nicht ermitteln kann. Ein Prüfanliegen im Einzelfall ist daher zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt wird (BSG v. 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R).
Denn auch bei einem Antrag nach § 44 SGB X hat die Verwaltung den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X zu beachten. In welchem Umfang der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht nachzukommen hat, beurteilt sich jedoch noch Lage des Einzelfalls. Als Kriterium für den Umfang der Amtsermittlungspflicht ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Leistungsberechtigte anwaltschaftlich vertreten oder/und vertreten ist.
Letztlich kommt es darauf an, ob der Sozialleistungsträger in die Lage versetzt wurde zu erkennen, welche seiner Entscheidungen und aus welchem Grund diese überprüft werden soll (s. hierzu SG Neuruppin v. 28.07.2015 – S 26 AS 2020/11).
Am 04.03.2015 wurde für die Klägerinnen pauschal und ohne jede Begründung eine Überprüfung der Änderungsbescheide vom 10.11.2014 begehrt. Ein konkretes Vorbringen zu einem Sachverhalt oder zu einer Rechtslage enthielt dieser Antrag, der zudem von ihrem rechtsanwaltlichen Vertreter gestellt wurde, nicht.
Ebenso wenig ging daraus hervor, auf welches Rechtsschutzziel er gerichtet war.
Selbst im Rahmen des gegen die Ablehnung der Überprüfung geführten Widerspruchsverfahrens kamen die Klägerinnen der Bitte des Beklagten um Konkretisierung ihres Überprüfungsantrags nicht nach (s. LSG Sachsen-Anhalt v. 23.06.2016 – L 5 AS 20/15, das einen Antrag nach § 44 SGB X der nicht bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahren hinreichend konkretisiert ist, bereits für unzulässig hält. S.a. LSG Berlin-Brandenburg v. 26.03.2013 – L 19 AS 727/11).
Erst durch die Begründung der gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.12.2015 erhobenen Klage wurde für den Beklagten deutlich, dass die Klägerinnen in den zur Überprüfung gestellten Zeiträumen höhere Heizkosten begehrten.
Die Nachbesserung eines bis dahin unbestimmten und nicht objektiv konkretisierbaren Antrags erst im Klageverfahren ist jedoch nicht ausreichend (BSG v. 13.02.2014 – B 4 AS 22/13 R).
Im Ergebnis geht das Gericht mithin davon aus, dass ihr Antrag vom 04.03.2015 nicht hinreichend konkretisiert war und die Klägerinnen deshalb keinen Anspruch auf eine inhaltliche Überprüfung der Änderungsbescheide vom 10.11.2014 hatten. Folglich wäre der Ablehnungsbescheid vom 10.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2015 zu Recht ergangen, weshalb die dagegen erhobene Klage keine Aussicht auf Erfolg hätte.
Es war mithin zu entscheiden wie geschehen und der Antrag auf PKH abzulehnen.