Aktenzeichen 3 StR 462/11
Verfahrensgang
vorgehend LG Verden, 25. Juli 2011, Az: 2 KLs 16/11
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 25. Juli 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen einer Serie von Betäubungsmittelstraftaten unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
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Das Urteil muss aufgehoben werden, weil das Landgericht den Angeklagten in rechtsfehlerhafter Weise während einzelner Teile der Verhandlung beurlaubt hat (§ 230 Abs. 1, §§ 231c, 338 Nr. 5 StPO).
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1. Der Verfahrensrüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Das Landgericht hat den Angeklagten auf seinen Antrag für die Hauptverhandlungstage am 30. Mai 2011 und 1. Juni 2011 beurlaubt, da an diesen Tagen die Beweisaufnahme zum Anklagevorwurf III.5 durchgeführt werden sollte und der Angeklagte von diesen “Verhandlungsteilen nicht betroffen” ist. Am 30. Mai 2011 beantragten die Verteidiger von drei Mitangeklagten, die Ergebnisse der Telefonüberwachung weder durch Verlesung der Gesprächsprotokolle noch durch Augenscheinseinnahme der Tonbandmitschnitte in die Hauptverhandlung einzuführen und zu verwerten, und begründeten dies damit, die Voraussetzungen für eine Überwachung der Telekommunikation hätten zum Zeitpunkt der ersten Anordnung nicht vorgelegen. Die Strafkammer hat mit Beschluss vom selben Tag die Anträge “zurückgewiesen und die Durchführung der diesbezüglichen Beweisaufnahme angeordnet”.
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2. Die Verfahrensweise der Kammer hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Das Gericht kann, wenn die Hauptverhandlung gegen mehrere Angeklagte stattfindet, einem Angeklagten sowie seinem notwendigen Verteidiger auf Antrag gestatten, sich während einzelner Verhandlungsteile zu entfernen, wenn er von diesen nicht betroffen ist. In dem Beschluss sind die Verhandlungsteile zu bezeichnen, für die die Erlaubnis gilt (§ 231c Satz 1 und 2 StPO).
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b) Danach ist bereits dann rechtsfehlerhaft in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt worden (§ 338 Nr. 5 StPO), wenn die in dem Beschluss über die Befreiung festgelegte inhaltliche Begrenzung des Verhandlungsgegenstandes nicht eingehalten worden ist. So liegt es hier bezüglich der Sitzung vom 30. Mai 2011, in der über den im Beschluss bezeichneten Umfang hinaus zwei Verwertungswidersprüche entgegengenommen und beschieden worden sind.
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c) Zudem war der Angeklagte von diesem Verhandlungsteil, der in seiner Abwesenheit stattgefunden hat, betroffen. Anders wäre es nur gewesen, wenn ausgeschlossen werden könnte, dass die während seiner Abwesenheit behandelten Verfahrensfragen auch nur mittelbar die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berührten und damit auch nur potentiellen Einfluss auf Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch gegen den Angeklagten hatten (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009 – 4 StR 609/08, NStZ 2009, 400). Dies ist nicht möglich. Die Anträge dienten dem Ziel, die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung nicht in die Hauptverhandlung einzuführen. Diese waren aber erkennbar nicht nur geeignet, die die Tatvorwürfe des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bestreitenden Mitangeklagten zu belasten. Die Art und das Ergebnis von deren Verteidigungsbemühungen konnten vielmehr durchaus Bedeutung auch für den Angeklagten gewinnen, obwohl sich dieser zum Anklagevorwurf geständig eingelassen und die Mitangeklagten belastet hatte. Der Inhalt der Telekommunikation konnte dazu dienen, seine Darstellung des Tatgeschehens zu bestätigen, was für die Glaubhaftigkeit seiner Einlassung und für die gerichtliche Entscheidung darüber von Bedeutung hätte sein können, ob er damit Aufklärungshilfe im Sinne von § 31 BtMG geleistet hatte.
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d) Der Bundesgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass von der Möglichkeit der Beurlaubung nach § 231c StPO nur äußerst vorsichtig Gebrauch gemacht werden sollte, weil diese Verfahrensmaßnahme leicht einen absoluten Revisionsgrund schaffen kann (BGH, Beschluss vom 6. August 2009 – 3 StR 547/08, NStZ 2010, 289 mwN).
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges