Arbeitsrecht

Befristung – Vertretung – Rechtsmissbrauch

Aktenzeichen  7 AZR 765/16

Datum:
21.2.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2018:210218.U.7AZR765.16.0
Normen:
§ 14 Abs 1 S 2 Nr 3 TzBfG
§ 242 BGB
§ 14 Abs 2 S 1 TzBfG
§ 12 Abs 1 TzBfG
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Kiel, 21. Januar 2016, Az: 5 Ca 1598 a/15, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 27. September 2016, Az: 1 Sa 63/16, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27. September 2016 – 1 Sa 63/16 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags zum 30. September 2015.
2
Der Kläger war seit dem 25. August 2008 auf der Grundlage von insgesamt 22 befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten als Briefzusteller beschäftigt. Zunächst war er bis zum 31. Juli 2013 neben seinem Betriebswirtschaftsstudium/Fachbereich Logistik als Teilzeitkraft mit unterschiedlichem Stundenumfang tätig. In dieser Zeit vertrat er verschiedene abwesende Stammkräfte. Vom 1. April bis zum 31. August 2013 absolvierte der Kläger in der Abteilung Verkehr der Beklagten ein Praktikum auf der Grundlage eines „Vertrags über die Ableistung eines berufspraktischen Studiensemesters“. Vom 1. September bis zum 20. November 2013 bestanden keine vertraglichen Beziehungen der Parteien. In dieser Zeit fertigte der Kläger seine Abschlussarbeit an. Ab dem 21. November 2013 war der Kläger als Zustellkraft in Vollzeit tätig. Im letzten, für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. September 2015 geschlossenen Arbeitsvertrag vom 24. Juni 2015 ist als Befristungsgrund angegeben: „Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit des Mitarbeiters N“. Dieser Befristungsgrund war bereits in den beiden vorherigen befristeten Arbeitsverträgen vom 29. Juli und 29. September 2014 genannt.
3
Herr N ist bei der Beklagten seit dem 29. Juni 2006 als Zusteller beschäftigt, seit dem 1. April 2009 unbefristet in Vollzeit. Ebenso wie der Kläger wurde er im Bereich des Zustellstützpunkts mit Leitung (ZSPL) K eingesetzt und nach der Entgeltgruppe 3 ETV-DP AG vergütet. Auf der Grundlage des § 27 Abs. 2 MTV-DP AG hatte die Beklagte Herrn N zunächst für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 1. Oktober 2014 Sonderurlaub gewährt und diesen bis zum 1. Oktober 2015 verlängert. Auf seinen weiteren Antrag vom 7. Juni 2015 bewilligte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 13. Juli 2015 ein weiteres Jahr Sonderurlaub bis zum 2. Oktober 2016. Nach § 27 Abs. 2 MTV-DP AG kann Sonderurlaub unter Verzicht auf Entgelt gewährt werden, wenn ein persönlicher Grund vorliegt und die dienstlichen Verhältnisse das Fernbleiben von der Arbeit gestatten.
4
Am 10. Oktober 2013 hatte die Beklagte mit Herrn N folgende Rahmenvereinbarung geschlossen:
        
„Die Deutsche Post AG NL K erklärt sich bereit, Herrn N in eine Liste der Interessenten für Arbeitseinsätze aufzunehmen.
        
Im Bedarfsfalle wird Herr H oder ein Vertreter sich daher an Herrn N mit der Frage wenden, ob dieser in der Lage und bereit ist, für einen näher bestimmten kurzen Zeitraum Arbeiten bei der Deutschen Post AG NL K zu erledigen.
        
Die Deutsche Post AG NL K und Herr N sind sich einig, dass die Deutsche Post AG nicht verpflichtet ist, Beschäftigungsangebote zu machen. Herr N ist nicht verpflichtet, Beschäftigungsangebote der Deutschen Post AG anzunehmen.
        
Demzufolge soll durch den Abschluss dieser Rahmenvereinbarung und den in Einzelfällen erfolgenden Beschäftigungen ein Dauerteilzeitarbeitsverhältnis auch in Form eines Abrufarbeitsverhältnisses gemäß § 12 TzBfG nicht begründet werden.
        
Die Ausgestaltung dieser Rahmenvereinbarung entspricht ausdrücklich dem von Herrn N geäußerten Wunsch, da Herr N aus pers. Gründen nicht öfter zur Verfügung stehen kann.
        
Für den Fall, dass diese Interessenlage nicht mehr besteht, wird Herr N dies unverzüglich der Deutschen Post AG NL K mitteilen.“
5
Herr N wurde in der Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. September 2015 an drei Tagen beschäftigt.
6
Mit der am 19. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 26. Oktober 2015 zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Befristung sei nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Bei Vertragsschluss am 24. Juni 2015 habe die Beklagte bereits von dem Antrag des Briefzustellers N auf Verlängerung seines Sonderurlaubs Kenntnis gehabt und daher gewusst, dass ein Vertretungsbedarf über den 30. September 2015 hinaus bestehen würde. Außerdem könne sich die Beklagte nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs nicht auf den Sachgrund der Vertretung berufen. Insbesondere die Anzahl von 22 befristeten Arbeitsverträgen indiziere, dass er dauerhaft als Personalreserve beschäftigt worden sei.
7
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt
        
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 1. Juli 2015 vereinbarten Befristung am 30. September 2015 beendet worden ist.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Befristung des Arbeitsvertrags sei durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Der Kläger habe den abwesenden Mitarbeiter N vertreten, dem die Aufgaben des Klägers bei Vertragsschluss gedanklich zugeordnet worden seien. Sie habe bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags davon ausgehen dürfen, dass Herr N seine vertragliche Tätigkeit nach Beendigung des Sonderurlaubs am 1. Oktober 2015 wieder aufnehmen werde. Ob ein Sonderurlaub bewilligt werde, hänge von tatsächlichen Voraussetzungen ab, die nach dem Antrag von Herrn N vom 7. Juni 2015 hätten geprüft werden müssen. Erst am 13. Juli 2015 habe die Abwesenheit der Stammkraft N über den 30. September 2015 hinaus festgestanden. Die mit Herrn N getroffene Rahmenvereinbarung über kurzfristige Aushilfstätigkeiten habe den Vertretungsbedarf wegen des Sonderurlaubs nicht berührt. Der wiederholte Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit dem Kläger sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Kläger sei bis zum 31. Juli 2013 neben seinem Studium in Teilzeit beschäftigt gewesen. Die im Interesse des Klägers liegende Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses von drei Monaten und drei Wochen im Jahr 2013 zeige, dass von einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung der Befristungsmöglichkeit nicht die Rede sein könne.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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