Arbeitsrecht

Eingruppierung einer Gesundheitspflegerin nach AVR Diakonie

Aktenzeichen  6 AZR 785/15

Datum:
29.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2017:290617.U.6AZR785.15.0
Normen:
Anl 1 Entgeltgr 8 DWArbVtrRL
§ 12 Abs 1 S 1 DWArbVtrRL
§ 12 Abs 2 S 1 DWArbVtrRL
§ 12 Abs 2 S 2 DWArbVtrRL
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Frankfurt, 6. August 2014, Az: 15 Ca 4288/13, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 20. Oktober 2015, Az: 8 Sa 1820/14, Urteilnachgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 28. August 2018, Az: 8 Sa 1189/17, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 2015 – 8 Sa 1820/14 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. August 2014 – 15 Ca 4288/13 – teilweise abgeändert, soweit es der Klage stattgegeben hat. Soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Dezember 2013 unter Berücksichtigung der Stufenverweildauer den Unterschiedsbetrag zwischen der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 2 und der Entgeltgruppe 8 Erfahrungsstufe 1 AVR-DW EKD in der jeweils geltenden Fassung nebst Zinsen zu zahlen, wird die Klage abgewiesen.
3. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung über den Feststellungsantrag für die Zeit seit dem 1. Januar 2014 und über die Leistungsklage sowie zur Entscheidung über die Kosten an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
2
Die Beklagte ist eine diakonische Einrichtung und betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Die 1951 geborene Klägerin ist dort als Krankenschwester beschäftigt. Der in diesem Krankenhaus bestehende Pflegedienst arbeitet in der Organisationsform der Bezugspflege. Eine Pflegekraft übernimmt deshalb die gesamte Pflege eines Patienten und erstellt den dafür erforderlichen Pflegeplan. Die Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum in der Abteilung Psychotherapie und Psychosomatik beschäftigt. Das Behandlungskonzept dieser Abteilung beinhaltet schwerpunktmäßig tiefenpsychologisch fundierte Einzel- und Gruppentherapie.
3
Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 16./17. Januar 2003 gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW EKD) in der jeweils gültigen Fassung. Am 23. Januar 2014 wurde deren Umbenennung in Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) beschlossen.
4
Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2007 wurden die Eingruppierungsregelungen der Anlage 1 zu den AVR-DW EKD geändert. Ua. wurde in den Eingruppierungskatalog in der bis zum 31. Oktober 2013 geltenden Fassung (künftig AVR-DW EKD aF) bei der Entgeltgruppe 8 Abschnitt A das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie“ eingefügt. Nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juni 2012 (- 4 AZR 438/10 -) beschloss der Schlichtungsausschuss der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD am 21. Oktober 2013 „zur Klarstellung“ die Änderung dieses Richtbeispiels, das seit dem 1. November 2013 folgende Fassung hat:
        
„Gesundheits- und Krankenpfleger/in im OP-Dienst und in der Intensivpflege; Fachpflegekräfte in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit oder Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit vergleichbaren Aufgaben“.
5
Außerdem wurde folgende Besitzstandsregelung unter 1 b beschlossen:
        
„Gesundheitspflegern/innen in der Psychiatrie, die am 31. Oktober 2013 in die Entgeltgruppe 8 A eingruppiert sind, wird für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses ein dynamischer Besitzstand garantiert.“
6
Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechtslage wird auf deren Darstellung in der Entscheidung des Senats vom 12. April 2016 (- 6 AZR 284/15 – Rn. 2 bis Rn. 7) verwiesen.
7
Die Klägerin wird seit dem 1. Juli 2007 nach der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD vergütet. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 und 7. Juli 2012 machte sie ohne Erfolg ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD geltend. Nach rechtskräftiger Abweisung eines Teils ihrer Klage begehrt sie noch die Zahlung des Differenzbetrags zwischen den Entgeltgruppen 7 und 8 AVR-DW EKD für die Zeit von Januar 2010 bis Dezember 2013 in rechnerisch unstreitiger Höhe sowie die Feststellung, die Beklagte sei seit dem 1. Oktober 2012 verpflichtet, ihr den Unterschiedsbetrag zwischen diesen Entgeltgruppen zu zahlen.
8
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Anspruch auf die begehrte Vergütung folge aus dem institutionsbezogen zu verstehenden Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ in Entgeltgruppe 8 Abschnitt A AVR-DW EKD aF. Die Arbeitsvertragliche Kommission habe sich für eine typisierende Bewertung entschieden, wonach die Gesundheitspflege in den dort genannten Einrichtungen regelmäßig mit erhöhten Anforderungen verbunden und deshalb nach der Entgeltgruppe 8 zu bewerten sei. Hilfsweise hat sie die Ansicht vertreten, ihr Anspruch ergebe sich auch bei einem tätigkeitsbezogenen Verständnis unmittelbar aus diesem Richtbeispiel. Sie erbringe wie alle bei der Beklagten tätigen Krankenschwestern – sei es mit oder ohne Fachweiterbildung – die Tätigkeit, die von Krankenschwestern in der Psychiatrie gefordert werde. Eine Pflegefachkraft mit „normaler“ pflegerischer Tätigkeit existiere in der Einrichtung der Beklagten nicht. Die psychische Pflege erfordere einen einheitlich aufeinander abgestimmten Pflegeplan, bei dem es nicht denkbar sei, einzelne Funktionen voneinander abzugrenzen. Darum betreibe das Krankenpflegepersonal in psychiatrischen Einrichtungen psychiatrische Pflege. Aus der Stellenbeschreibung für Pflegefachkräfte idF vom 30. November 2005, dem Anforderungsprofil der Beklagten für die Aufgaben in der psychiatrischen Krankenpflege idF vom 13. Dezember 2005, dem Zwischenzeugnis vom 7. April 2004 sowie dem ärztlichen Zeugnis der Beklagten vom 7. Juli 2004 folge, dass diese nicht damit gehört werden könne, dass die Klägerin nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse einer fachweitergebildeten Krankenschwester in der Psychiatrie verfüge. Dass sie alle Voraussetzungen einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD erfülle, folge auch aus dem Beurteilungsbogen zum Mitarbeiterentwicklungsgespräch vom 27. Februar 2012, in dem ihr Fachkompetenz bestätigt worden sei.
9
Die Klägerin hat zuletzt – soweit für die Revision von Belang – beantragt
        
1.    
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie seit dem 1. Oktober 2012 und für die Zukunft unter Berücksichtigung der Stufenverweildauer den Unterschiedsbetrag zwischen der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 2 und der Entgeltgruppe 8 Erfahrungsstufe 1 AVR-DW EKD in der jeweils geltenden Fassung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2012 zu zahlen;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.139,57 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.
10
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin sei zutreffend in die Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert. Der verkürzte Terminus „in der Psychiatrie“ sei auch schon nach den AVR-DW EKD aF tätigkeitsbezogen zu verstehen gewesen. Das sei durch den Spruch des Schlichtungsausschusses lediglich klargestellt worden. Die Klägerin sei auch nicht originär in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert. Ihr seien Regelaufgaben der allgemeinen Krankenpflege übertragen worden. In der Einrichtung der Beklagten sei die „Regelbehandlung“ der Normalfall und bilde den überwiegenden Anteil der Tätigkeiten. Der Klägerin seien im Rahmen der Bezugspflege keine zusätzlichen Aufgaben übertragen worden, die ihrer Tätigkeit das spezifische Gepräge einer „psychiatrischen“ Pflege gäbe. Die Klägerin sorge durch ihre Pflegetätigkeit allenfalls für die Gestaltung eines therapeutischen Milieus.
11
Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem in die Revision gelangten Umfang stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Dagegen hat nur die Beklagte Berufung eingelegt, die das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren einer vollständigen Klageabweisung weiter.

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