Arbeitsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz – Bewerberverfahrensanspruchs – Stellenausschreibung – Anforderungsprofil

Aktenzeichen  4 SaGa 8/21

Datum:
24.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 4. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2021:1124.4SAGA8.21.00
Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 5. Februar 2021, 2 Ga 23/20, Urteil

Tenor

Auf Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 5.2.2021 – 2 Ga 23/20 – abgeändert.
Der Beklagten wird vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens untersagt, die Stelle als „Sachbearbeiter (m/w/d) vorwiegend in der Alten und Kleinen Synagoge sowie Mikwe“ in der Kulturdirektion der Stadt …….. mit einer*m anderen Bewerber*in als der Klägerin arbeitsvertraglich dauerhaft zu besetzen und/oder die damit verbundenen Aufgaben dauerhaft zu übertragen.
Die Kosten des Rechtsstreits (I. und II. Rechtszug) trägt die Beklagte.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz zur Sicherung ihres Bewerberinnenverfahrensanspruchs.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird abgesehen (§ 69 Abs. 4 S. 2 letzter Halbsatz ArbGG i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 05.02.2021 – Az.: 2 Ga 23/20 – abzuändern und der Verfügungsbeklagten vorläufig, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu untersagen, die öffentlich ausgeschriebene Stelle als „Sachbearbeiter (m/w/d) Kulturpädagogik vorwiegend in der Alten und Kleinen Synagoge sowie Mikwe“ in der Kulturdirektion der Stadt ……….. mit einem/einer anderen Bewerber/in als der Verfügungsklägerin arbeitsvertraglich dauerhaft zu besetzen und/oder die damit verbundenen Tätigkeiten dauerhaft zu übertragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet.
Dadurch, dass die Beklagte die Klägerin vom Auswahlverfahren in Bezug auf die ausgeschriebene Stelle ausgeschlossen hatte, hat sie deren Bewerberinnenverfahrensanspruch verletzt.
Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat auch bei der Stellenbesetzung im Rahmen privater Arbeitsverhältnisse die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Zur Sicherung der Rechte aller Bewerber*innen hat er dabei sein Auswahlverfahren transparent und nachprüfbar zu gestalten. Aufgrund des dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zuzubilligen
den großen Spielraums bei der Festlegung von Anforderungen für die zu besetzende Stelle hat er das Anforderungsprofil an sich, sein Zustandekommen und das Ergebnis zu dokumentieren. Denn mit der Festlegung eines Anforderungsprofils wird der Kreis potenziell erfolgreicher Bewerberinnen verengt. Das bedarf im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und muss daher überprüfbar dokumentiert sein.
Diese Dokumentation hat auch den Sinn, dass nicht nachträglich der Bewerberkreis verengt oder erweitert werden kann, indem ein nicht hinreichend dokumentiertes Anforderungsprofil verengt oder aufgeweicht wird. Außerdem setzt eine effektive gerichtliche Kontrolle eine solche hinreichende Dokumentation voraus. Es reicht allerdings nicht, überhaupt nur die Anforderungsprofile festzulegen und das zu dokumentieren, sondern die Festlegung des Anforderungsprofils muss auch so hinreichend bestimmt formuliert sein, dass nachträglich nicht durch Ausnutzung verschiedener Auslegungsmöglichkeiten tatsächlich Veränderungen am Anforderungsprofil vorgenommen werden können. Deshalb muss eine Ausformulierung des Anforderungsprofils in einer Ausschreibung auch hinreichend bestimmt sein; das ist jedenfalls dann nicht mehr der Fall, wenn die konkrete Formulierung auch nach Auslegung anhand von § 133 BGB kein eindeutiges Ergebnis ergibt (vgl. zu allem BVerwG 20.06.2013, 2 VR 1/13, NVwZ 2014, 75 Rn 32; BVerwG 3.3.2011, 5 C 16/10, NJW 2011, 2452 Rn 23; VG Würzburg 15.5.2013, W 1 E 13.252 Rn 35).
Daran gemessen ist das hier dokumentierte Anforderungsprofil nicht hinreichend bestimmt. In der Ausschreibung formulierte die Beklagte als zwingend vorzuweisende Qualifikation: „ein Hochschulabschluss (Diplom(FH) oder Bachelor) in der Fachrichtung Kultur- oder Medienpädagogik oder Erziehungswissenschaften“.
Diese Formulierung ist nicht eindeutig genug. Aus ihr ergibt sich nicht, dass – wie die Beklagte die Formulierung versteht – allein ein entsprechender Abschluss in der Fachrichtung Kultur- oder Medienpädagogik oder ein entsprechender Hochschulabschluss im Fach Erziehungswissenschaften erforderlich ist. Die Verwendung des Wortes “Fachrichtung” kann sich hier auch auf Erziehungswissenschaften beziehen. Dann ließe sich – wie die Klägerin es versteht – die Anforderung so interpretieren, als dass ein Abschluss in einem Studium gefordert wird, welches nicht das Fach Erziehungswissenschaften selber sein muss, sondern der Fachrichtung mehrerer verschiedener möglicher Erziehungswissenschaften zuzuordnen wäre. Die Parteien sind sich einig dahingehend, dass es ein Studienfach “Fachrichtung Erziehungswissenschaften” nicht gibt. Einer Fachrichtung fehlt die notwendige Konkretisierung und Spezifizierung auf nur ein Fach. Es wird nur eine Richtung angegeben, d.h. damit ist der Begriff „Fachrichtung“ eine Art Oberbegriff. Die Beklagte hat auch nicht hinreichend deutlich im Anforderungsprofil herausgestellt, dass das Fach Erziehungswissenschaften gemeint ist.
Aufgrund dieser unklaren Formulierung war es ihr möglich, Bewerberinnen mit verschiedenen Studienabschlüssen unter den Begriff Fachrichtung Erziehungswissenschaften zu subsumieren oder es sein zu lassen und damit war unklar, welches genaue Anforderungsprofil erfüllt sein müsse. Das hat Spielräume offen gelassen, nachträglich den potenziell erfolgreichen Bewerberinnenkreis zu verengen oder auch auszuweiten.
Schon deshalb war der Ausschluss der Klägerin vom Auswahlverfahren rechtsfehlerhaft.
Die Beklagte ist bei der Auswahl der Bewerber*innen, die zum Auswahlverfahren zugelassen wurden, worauf die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat, auch unter Ausnutzung dieses Spielraums vorgegangen, denn sie hat nicht lediglich Bewerberinnen mit einem Abschluss der Fachrichtung Kultur- oder Medienpädagogik oder mit Abschluss im Fach Erziehungswissenschaften zum Vorstellungsgespräch geladen, sondern mit der in der von der Beklagten im Berufungsrechtszug überreichten Auflistung (Bl. 131 ff. d. A.) unter Nr. 28 erfassten Bewerber*in eine Person (laufende Nr. 28), welche den Abschluss zu diesem Zeitpunkt noch nicht erworben hatte, mit der Nr. 34 eine Person mit einem Abschluss in Geschichtswissenschaften, mit der Nr. 44 eine Person mit einem Abschluss in Kulturanthropologie/europäische Ethnologie, mit der Nr. 70 eine Person mit einem Abschluss in Pädagogik der Kindheit. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zwei dieser Bewerber*innen schwerbehindert gewesen waren und nach Auffassung der Beklagten deshalb zwingend zum Vorstellungsgespräch einzuladen gewesen seien, stellt sich das Vorgehen insoweit als willkürlich dar. Zum einen dokumentiert die Beklagte damit, dass nicht offensichtlich ungeeignet ist, wer die geforderte Qualifikation nicht hat. Zum anderen erschließt sich nicht, warum ein Abschluss als Bachelor „Pädagogik der Kindheit“ dem Fach Erziehungswissenschaften zugeordnet wird, der Abschluss der Klägerin in der Fachrichtung „Pädagogik und Methodik der Grundschulbildung“ (Bl. 21 d.A.) hingegen nicht. Wenn die Beklagte allerdings nur einen Hochschulabschluss im Fach Erziehungswissenschaften als solche hätte gelten lassen wollen, wie sie der Klägerin gegenüber reklamiert, ist die Vorgehensweise insoweit nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte trägt als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits.
Die Entscheidung ist unanfechtbar; eine Revision ist nicht vorgesehen.


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