Erbrecht

Erfüllung der Formerfordernisse einer Auflassung vor einem nicht in Deutschland bestellten Notar

Aktenzeichen  V ZB 3/16

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:130220BVZB3.16.0
Normen:
§ 925 Abs 1 S 2 BGB
Art 11 Abs 1 BGBEG
Art 51 Abs 1 AEUV
Art 56 AEUV
Art 11 EGV 593/2008
Art 9 Abs 6 EuVtrÜbk
Art 5 Abs 1 EGFreizügAbk CHE
Spruchkörper:
5. Zivilsenat

Leitsatz

Die in § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Auflassung bestimmte Form kann im Fall des Satzes 2 der Vorschrift nur durch deren Erklärung durch die gleichzeitig anwesenden Beteiligten vor einem im Inland bestellten Notar gewahrt werden.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Karlsruhe, 3. Dezember 2015, Az: 14 Wx 3/15vorgehend AG Lörrach, 18. Dezember 2014, Az: GRG 4007/2014

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandes-gerichts Karlsruhe – 14. Zivilsenat – vom 3. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Beteiligte zu 1 ist als Alleineigentümer des eingangs genannten, in Deutschland unweit der Schweizer Grenze gelegenen Grundstücks eingetragen. Mit Vertrag vom 30. Mai 2014 verpflichtete er sich zur Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils an dem vorbenannten Grundstück auf die Beteiligte zu 2. Die Beteiligten einigten sich dabei über den Eigentumsübergang; der Beteiligte zu 1 bewilligte und die Beteiligte zu 2 beantragte, sie als jeweils hälftige Miteigentümer in das Grundbuch einzutragen. Der Vertrag wurde durch einen Schweizer Notar mit Amtssitz in Basel beurkundet.
2
Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung des Eigentumswechsels zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich dieser weiterhin gegen die Verfügung des Grundbuchamtes.
II.
3
Das Beschwerdegericht meint, bei einem Schweizer Notar handele es sich nicht um eine im Sinne des § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB zuständige Stelle. Auch wenn dies dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht eindeutig zu entnehmen sei, so spreche doch die Entstehungsgeschichte für diese Auslegung. Aus der Gesetzgebungshistorie ergebe sich, dass der Gesetzgeber von der Zuständigkeit nur deutscher Notare ausgegangen sei. Es könne nicht angenommen werden, dass er die in § 925a BGB niedergelegte Pflicht ausländischen Notaren habe übertragen wollen. Die häufig fehlende Vertrautheit ausländischer Notare mit dem sachenrechtlichen Institut der Auflassung und deren Ortsferne wie auch die Sicherung der rechtzeitigen Information der Genehmigungs- und Steuerbehörden rechtfertige die ausschließliche Zuständigkeit deutscher Notare. Aus dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 ergebe sich nichts anderes, da die dort vereinbarte Dienstleistungsfreiheit nicht für die Ausübung hoheitlicher Befugnisse gelte, wozu die Beurkundungstätigkeit der Notare gehöre.
III.
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Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und gemäß § 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Grundbuch hat die Eintragung der Auflassung zu Recht verweigert.
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1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend von § 20 GBO aus. Danach darf die Eintragung der Auflassung nur erfolgen, wenn die dazu erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist und dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen wird. Die Beteiligten haben dem Grundbuchamt eine von einem in Basel, Schweiz, ansässigen Notar errichtete öffentliche Urkunde vorgelegt, nach deren § 4 sie vor ihm die Auflassung eines hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück durch den Beteiligten zu 1 an die Beteiligte zu 2 erklären. Richtig nimmt das Beschwerdegericht weiter an, dass diese Einigung nicht wirksam ist und deshalb den Anforderungen des § 925 BGB nicht genügt.
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2. Die Wirksamkeit der Auflassung richtet sich nicht nur in materiell-rechtlicher Hinsicht, sondern auch hinsichtlich der zu beachtenden Form nach deutschem Sachrecht. Die Formwirksamkeit von Verträgen bestimmt sich zwar nach dem im Verhältnis zur Schweiz anwendbaren Art. 9 Abs. 1 EVÜ, der inhaltlich Art. 11 Abs. 1 EGBGB und Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) entspricht, alternativ nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht oder nach dem Recht des Staates, in dem er geschlossen wurde (sog. Ortsform). Die Form wäre deshalb schon gewahrt, wenn der Vertrag der Ortsform entspricht. Danach wäre das der hier einzutragenden Auflassung zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft der Beteiligten wirksam, wenn und weil es der für solche Verträge in der Schweiz geltenden Form genügt. Diese Regelung gilt aber nach Art. 9 Abs. 6 EVÜ, der inhaltlich Art. 11 Abs. 5 der Rom I Verordnung und hier im Ergebnis auch der etwas anders gefassten Regelung in Art. 11 Abs. 4 EGBGB entspricht, nicht für Verträge, die ein dingliches Recht an einem Grundstück zum Gegenstand haben. Dingliches Recht an einem Grundstück im Sinne dieser Vorschriften ist auch ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück (für die korrespondierende Regelung in Art. 43 EGBGB: BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 – IX ZB 69/16, WM 2017, 1618 Rn. 19). Für solche Rechte gelten die zwingenden Formvorschriften des Staates, in dem das Grundstück belegen ist, sofern sie nach dem Recht dieses Staates ohne Rücksicht auf den Ort des Abschlusses des Vertrages und auf das auf ihn anzuwendende Recht gelten. Danach bestimmt sich nicht nur die materiell-rechtliche, sondern auch die Formwirksamkeit der Auflassung nach deutschem Sachrecht, weil Gegenstand der Auflassung das (Mit-) Eigentum an einem in Deutschland belegenen Grundstück ist.
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3. Die Maßgeblichkeit deutschen Sachrechts muss allerdings nicht bedeuten, dass ein darin bestimmtes Formerfordernis der notariellen Beurkundung nur mit der Beurkundung durch einen im Inland bestellten Notar und nicht durch einen im Ausland bestellten Notar erfüllt werden könnte. In Abhängigkeit von den Zwecken, die mit der im deutschen Sachrecht bestimmten Form verfolgt werden, kann die notarielle Beurkundung durch einen im Ausland bestellten Notar dem Formerfordernis des deutschen Sachrechts genügen. Anerkannt ist dies im Gesellschaftsrecht. Für die Abtretung des Geschäftsanteils an einer deutschen GmbH ist in § 15 Abs. 3 GmbHG die notarielle Form vorgeschrieben. Dieses Formerfordernis des deutschen Rechts kann durch eine Beurkundung durch einen in der Schweiz bestellten Notar erfüllt werden, wenn sie der Beurkundung durch einen in Deutschland bestellten Notar gleichwertig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 1981 – II ZB 8/80, BGHZ 80, 76, 78 und vom 17. Dezember 2013 – II ZB 6/13, BGHZ 199, 270 Rn. 13 ff. sowie Urteil vom 22. Mai 1989 – II ZR 211/88, NJW-RR 1989, 1259, 1261). Für Beurkundungen durch einen in Basel bestellten Notar ist die Gleichwertigkeit anerkannt (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – II ZB 6/13, aaO Rn. 23; Nachweise zu anderen Schweizer Kantonen bei MüKoBGB/Spellenberg, 7. Aufl., Art. 11 EGBGB Rn. 88).
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4. Im Unterschied dazu kann die in § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Auflassung bestimmte Form im Fall des Satzes 2 der Vorschrift nur durch deren Erklärung durch die gleichzeitig anwesenden Beteiligten vor einem im Inland bestellten Notar gewahrt werden.
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a) Die Frage ist allerdings umstritten.
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aa) Nach weit überwiegender Ansicht ist nur ein im Inland bestellter Notar für die Entgegennahme der Auflassungserklärung nach § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB zuständig (vgl. KG, DNotZ 1987, 44, 45 ff.; OLG Köln, OLGZ 1972, 321, 322; LG Ellwangen, BWNotZ 2000, 45, 46; Palandt/Thorn, BGB, 79. Aufl., Art. 11 EGBGB Rn. 10; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Vierter Teil Rn. 3337; Staudinger/Hertel, BGB [2017], BeurkG Rn. 855; Landesnotarkammer Bayern, DNotZ 1964, 451; Blumenwitz, DNotZ 1968, 712, 736; Döbereiner, ZNotP 2001, 465, 466 ff.; Kanzleiter, DNotZ 2007, 222, 224 f.; Kropholler, ZHR 140 [1976], 394, 410 f.; Riedel, DNotZ 1955, 521; Rothoeft, FS Esser [1975], 113 ff., 127; Saage, DNotZ 1953, 584, 587; Schäuble, BWNotZ 2018, 60, 65; offen gelassen von OLG Brandenburg, Beschluss vom 17. September 2009 – 5 Wx 6/09, juris Rn. 15). Nach der Gegenauffassung ist auch ein im Ausland bestellter Notar zuständige Stelle im Sinne von § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Erman/Hohloch, BGB, 15. Aufl., Art. 11 EGBGB Rn. 34; MüKoBGB/Spellenberg, 8. Aufl., Art. 11 EGBGB Rn. 81; ders. in FS Schütze [1999], 887 ff., 894 f., 897; Staudinger/Winkler von Mohrenfels, BGB [2019], Art. 11 EGBGB Rn. 302; Heinz, RIW 2001, 928, 929 ff.; Küppers, DNotZ 1973, 645, 677; Mann, NJW 1955, 1177, 1178 und ZHR 138 [1974], 448, 456; Stauch, Die Geltung ausländischer notarieller Urkunden in der Bundesrepublik Deutschland, [1983], 119-122).
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bb) Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage bislang nur beiläufig befasst. Er hat nur entschieden, es sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die durch einen amerikanischen Notar beurkundete Auflassung von in Deutschland belegenen Grundstücken als den Anforderungen des § 925 BGB nicht genügend angesehen werde (BGH, Urteil vom 10. Juni 1968 – III ZR 15/66, WM 1968, 1170, 1171).
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b) Der Senat entscheidet die Frage im Sinne der überwiegenden Ansicht.
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aa) Der Wortlaut des § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB lässt allerdings die Auslegung zu, dass die Formulierung „jeder Notar“ auch ausländische Notare erfasst. Für ein solches Verständnis der Vorschrift ließe sich der Vergleich zu der Regelung über die Beurkundung einer Vollstreckungsunterwerfung in § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO anführen, die auf in Deutschland zugelassene Notare beschränkt sein soll und dies ausdrücklich so bestimmt. An einer expliziten Regelung dieser Art fehlt es in § 925 BGB. Weit verstanden wird der Begriff „eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags“ in § 15 Abs. 3 GmbHG. Dieser Form genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie ausgeführt, auch die Beurkundung der Abtretung eines GmbH-Anteils durch einen ausländischen Notar, wenn sie – wie im Fall eines Schweizer Notars – gleichwertig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 1981 – II ZB 8/80, BGHZ 80, 76, 78 und vom 17. Dezember 2013 – II ZB 6/13, BGHZ 199, 270 Rn. 13 ff. sowie Urteil vom 22. Mai 1989 – II ZR 211/88, NJW-RR 1989, 1259, 1261). Andererseits kann auch im Gesellschaftsrecht nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die den inländischen Notaren übertragenen Aufgaben auch von ausländischen Notaren übernommen werden können. So regelt etwa § 8 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ausdrücklich, dass die Belehrung der Geschäftsführer einer GmbH auch durch einen im Ausland bestellten Notar erfolgen kann. Eine solche Regelung enthält § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenfalls nicht. Die der vorliegenden strukturell vergleichbare Frage, ob die in den westlichen Bundesländern bestellten Notare vor dem Wirksamwerden des Beitritts im Beitrittsgebiet wirksam Beurkundungen vornehmen konnten, hat der Gesetzgeber mit Art. 231 § 7 Abs. 1 EGBGB durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung im positiven Sinne geklärt (BT-Drucks. 12/2480 S. 76 f.).
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bb) Die Entstehungsgeschichte der Norm ergibt indessen eindeutig, dass in § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB nur ein im Inland bestellter Notar gemeint ist.
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(1) Das Reichsjustizamt hatte mit der Vorschrift des § 925 BGB erreichen wollen, dass die Auflassung ausschließlich vor dem Grundbuchamt erklärt werden konnte. Es war nämlich der Überzeugung, dass nur so eine überlegte, missbrauchsfreie, zügige und rechtssichere Erklärung und Umsetzung der Auflassung zu erreichen war (Mugdan, Gesammte Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III S. 174; Einzelheiten bei Pajunk, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung [2002], 109-116). Dieses Ziel konnte das Reichsjustizamt in den parlamentarischen Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch nur teilweise erreichen. Nach § 925 Abs. 1 BGB in der letztlich verabschiedeten Ursprungsfassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. August 1896 (RGBl. S. 195) musste die Auflassung zwar vor dem Grundbuchamt erklärt werden. Nach dem gleichzeitig verabschiedeten früheren Art. 143 Abs. 1 EGBGB blieben aber die landesgesetzlichen Vorschriften unberührt, welche für die im Gebiet des jeweiligen Landes liegenden Grundstücke bestimmten, dass die Einigung der Parteien im Fall des § 925 BGB außer vor dem Grundbuchamt auch vor Gericht, vor einem Notar, vor einer anderen Behörde oder vor einem anderen Beamten erklärt werden konnte.
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(2) Damit waren nur von dem jeweiligen Land bestellte Notare angesprochen; die Länder konnten die Entgegennahme der Auflassungserklärung durch „ihre“ Notare auch nur für Auflassungserklärungen vorsehen, die Grundstücke in ihrem jeweiligen Gebiet betrafen. Das ergibt sich mittelbar aus § 1 der Verordnung über Auflassungen, landesrechtliche Gebühren und Mündelsicherheit vom 11. Mai 1934 (RGBl. I S. 378). Nach Satz 1 dieser Bestimmung konnten unabhängig von dem Bestehen oder Nichtbestehen landesgesetzlicher Vorschriften Auflassungen in allen Ländern außer vor dem Grundbuchamt oder einer sonstigen nach Landesrecht zuständigen Stelle auch vor einem Notar erklärt werden. Das galt nach Satz 2 der Vorschrift auch für Grundstücke, die außerhalb des Amtsbezirks des Notars oder des Landes, von dem er bestellt war, lagen. Hieraus folgt, dass es nur um im Inland bestellte Notare ging.
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(3) Daran hat sich durch die Überführung dieser und der begleitenden Vorschrift in § 2 der Verordnung von 1934 in das Bürgerliche Gesetzbuch durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 5. März 1953 (BGBl. I S. 33) nichts geändert. Mit der Formulierung „jeder Notar“ sollten die Regelungen in § 1 der Verordnung von 1934 redaktionell gestrafft, aber inhaltlich unverändert mit dem heutigen § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert werden (BT-Drucks. I/3824 S. 17; weitere Einzelheiten bei Riedel, DNotZ 1955, 521, 522 f.). Mit dem Inkrafttreten des Beurkundungsgesetzes am 1. Januar 1970 hielt der Gesetzgeber an dieser Regelung uneingeschränkt fest. Mit dem Gesetz fielen mit Ausnahme der Zuständigkeit der Konsularbeamten nach § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 12 KonsG und der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 925 Abs. 1 Satz 3 BGB alle anderen Zuständigkeiten für die Entgegennahme der Auflassung, auch die Zuständigkeit der Grundbuchämter, weg. Zu keinem Zeitpunkt hat der Gesetzgeber erwogen, eine Zuständigkeit zur Entgegennahme der Auflassungserklärung für im Ausland bestellte Notare zu begründen.
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c) Die Zuständigkeit von im Ausland bestellten Notaren zur Entgegennahme der Einigung über die Übertragung des Eigentums an im Inland belegenen Grundstücken lässt sich auch nicht im Wege einer analogen Anwendung von § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB begründen. Eine solche Auslegung setzt einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers voraus (vgl. Senat, Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 225/17, NJW-RR 2019, 845 Rn. 35), an dem es aber fehlt.
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aa) Die mit der Einführung des Abstraktionsprinzips bewirkte „völlige Lösung des dinglichen Vertrages von dessen obligatorischem Grunde“ (Mugdan, Gesammte Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III, S. 175) erforderte nach der Auffassung des Gesetzgebers bei der Begründung beschränkter dinglicher Rechte keine besonderen flankierenden Maßnahmen. Er hat deshalb für den auch hierfür nach § 873 Abs. 1 BGB erforderlichen dinglichen Vertrag keine Form vorgeschrieben und als Grundlage für die Eintragung in das Grundbuch die öffentlich zu beglaubigende Bewilligung des Eigentümers gemäß §§ 19, 29 GBO ausreichen lassen. Anders wurde dagegen die Situation bei dem dinglichen Vertrag über die Übertragung des Eigentums an Grundstücken beurteilt. Sie hatte aus der Sicht des Gesetzgebers als Grundlage beschränkter dinglicher Rechte eine deutlich größere wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung. Er befürchtete, dass ohne besondere Vorkehrungen Übertragungen des Eigentums leichtfertig und ohne Veranlassung, aber auch ohne Kenntnis von zwischenzeitlichen Verfügungen über das Eigentum, vorgenommen werden könnten und dass die Richtigkeit des Grundbuchs durch die an sich mögliche getrennte Erklärung von Antrag und Annahme des Antrags und eine verzögerte Übermittlung der Erklärungen an das Grundbuchamt, aber auch durch technisch unzureichende Erklärungen gefährdet werden könnte (Mugdan, Gesammte Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III, S. 174 f.).
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bb) Diesen Gefahren ließ sich aus der Sicht des Gesetzgebers am besten dadurch begegnen, dass die Auflassung bei gleichzeitiger Anwesenheit der Beteiligten vor dem Grundbuchamt zu erklären ist. Durch die gleichzeitige Anwesenheit kommt die Einigung sofort zustande. Die Notwendigkeit, die Auflassung gemeinsam „vor offenem Buche“ und gegenüber dem für die Eintragung zuständigen Grundbuchbeamten zu erklären, würde den Beteiligten die Bedeutung ihrer Erklärung schon deshalb bewusst machen, weil sie mit ihrer sofortigen Eintragung in das Grundbuch rechnen müssten. Gleichzeitig hätten sie auch die Möglichkeit, durch Einsicht in das offene Buch festzustellen, ob zwischenzeitlich über das Eigentum verfügt worden war. Übermittlungsprobleme ergäben sich nicht, weil die Auflassung gegen der das Grundbuch führenden Stelle erklärt würde (Mugdan, Gesammte Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. III, S. 175).
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d) Eine andere Auslegung von § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt nicht aus dem Zweck der Vorschrift. Dieser lässt sich nur mit einer hoheitlichen Bestellung der Notare im Inland erreichen.
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aa) Der Gesetzgeber hat allerdings das Prinzip der Erklärung der Auflassung vor offenem Buche aufgegeben, wenn auch nur zögernd und vollständig erst mit dem Inkrafttreten des Beurkundungsgesetzes am 1. Januar 1970. Die schrittweise Übertragung der Zuständigkeit für die Entgegennahme der Auflassungserklärung im Inland auf die Notare (Einzelheiten bei Riedel, DNotZ 1955, 521, 522 f.) und die Begründung der Zuständigkeit für die Entgegennahme der Auflassung im Ausland durch die Konsularbeamten hat er zudem mit Vorkehrungen versehen, durch die die mit dem Erfordernis der durch gleichzeitig anwesenden Beteiligten abzugebenden Auflassungserklärung verfolgten Zwecke weitgehend sichergestellt werden.
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bb) Da es sich bei den Notaren nicht um die buchführende Stelle handelt, kann die Erklärung der Auflassung nicht mehr „vor offenem Buche“ erfolgen. Der Gesetzgeber setzt die mit dieser Form der Erklärung der Auflassung verknüpften Schutzzwecke deshalb anderweitig um.
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(1) Den Notaren, aber auch den Konsularbeamten, wird mit dem heutigen § 925a BGB, der auf § 2 der Verordnung über Auflassungen, landesrechtliche Gebühren und Mündelsicherheit vom 11. Mai 1934 (RGBl. I S. 178) zurückgeht, aufgegeben, die Erklärung der Auflassung nur entgegenzunehmen, wenn die erforderliche Urkunde über das schuldrechtliche Grundgeschäft vorgelegt oder gleichzeitig errichtet wird. Sie sollen die Beurkundung des Grundgeschäftes und seine Übereinstimmung mit dem Verfügungsgeschäft ebenso wie die materielle Richtigkeit der Auflassungserklärungen prüfen (vgl. BeckOGK/J. Weber, BGB [1.2.2020], § 925a Rn. 2). Ebenso sollen sie nach § 21 BeurkG das Grundbuch einsehen, um die Eintragungsfähigkeit der Erklärungen zu prüfen. Die Pflicht des Notars zur Vorprüfung und damit zur Gewähr der Richtigkeit und Verlässlichkeit des Grundbuchs ist jetzt mit § 15 Abs. 3 Satz 1 GBO auch verfahrensrechtlich abgesichert worden.
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(2) Der Notar hat gemäß § 17 BeurkG die Parteien über Inhalt und Tragweite der beabsichtigten Auflassung zu belehren. Die Auflassung unterliegt nach § 925 Abs. 1 BGB zwar nicht der Form der notariellen Beurkundung; es genügt vielmehr, wenn sie bei gleichzeitiger Anwesenheit der Beteiligten vor einem Notar erklärt wird. Die Einhaltung dieser Form kann dem Grundbuchamt gegenüber nach § 29 GBO aber nur durch eine notarielle Urkunde nachgewiesen werden, für deren Errichtung das Verfahren nach den §§ 6 ff. BeurkG einzuhalten ist, das eine Belehrung der Parteien nach § 17 BeurkG einschließt. Dieses Verfahren muss der Notar einhalten, auch wenn ihm dabei unterlaufende Verfahrensfehler nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung führen (dazu Senat, Urteile vom 5. Dezember 1956 – V ZR 61/56, BGHZ 22, 312, 316 f., vom 3. Dezember 1958 – V ZR 28/57, BGHZ 29, 6, 9 f. und vom 25. Oktober 1991 – V ZR 196/90, NJW 1992, 1101, 1102; BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 – IX ZR 69/82, NJW 1983, 2933). An die Erklärung der Auflassung vor dem Notar sind die Beteiligten zudem vor ihrer Eintragung in das Grundbuch nach § 873 Abs. 2 BGB, soweit hier von Interesse, nur gebunden, wenn sie notariell beurkundet worden ist. Damit soll gewährleistet werden, „daß nicht übereilt und leichtfertig über die Rechte an Grund und Boden verfügt wird“ (vgl. Senat, Urteil vom 14. September 2018 – V ZR 213/17, MDR 2018, 1308 Rn. 13).
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(3) Die fachliche Expertise der im Inland bestellten Notare und die fachlichen Anforderungen an die zur Entgegennahme von Auflassungen ermächtigten Konsularbeamten (vgl. § 19 Abs. 1 u. 3 KonsG) stellen sicher, dass die Auflassungen nicht nur den materiell-rechtlichen Vorgaben etwa in § 925 Abs. 2 BGB, sondern auch den grundbuchtechnischen Vorgaben entsprechen. Bei den im Inland bestellten Notaren und den zur Entgegennahme von Auflassungen ermächtigten Konsularbeamten kann auch davon ausgegangen werden, dass sie die mit den Vorgaben für die Auflassung in § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB verknüpften verbraucherschützenden Ziele, nämlich den Schutz der Beteiligten vor unüberlegten, weil zum Beispiel gar nicht geschuldeten, Auflassungen und die Unterrichtung über zwischenzeitliche Verfügungen durch Einsichtnahme in das Grundbuch sicherstellen.
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(4) Die Einhaltung dieser Vorgaben kann durch inländische Behörden, nämlich durch die für die Notaraufsicht zuständigen Stellen der Justizverwaltung und die Dienstaufsicht des Auswärtigen Amtes, durchgesetzt werden. Diese Möglichkeit war Grundvoraussetzung für die Übertragung der Zuständigkeit für die Entgegennahme der Auflassung durch die Notare und die Konsularbeamten. Sie ist bei im Ausland bestellten Notaren nicht gegeben.
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e) Die Erstreckung von § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB auf ausländische Notare ist auch unter dem Gesichtspunkt einer unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschrift weder veranlasst noch geboten.
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aa) Es spricht allerdings viel dafür, dass die in § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmte Zuständigkeit nur der im Inland bestellten Notare für die Entgegennahme der Auflassung eine Beschränkung des durch Art. 5 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 4. April 2002 (ABl. EG Nr. L 114 S. 6 – fortan: Freizügigkeitsabkommen) garantierten freien Dienstleistungsverkehrs darstellt. In der Regelung in § 53 Abs. 1 des österreichischen Grundbuchsgesetzes, der zufolge die bücherliche Anmerkung für eine beabsichtigte Veräußerung nur bewilligt werden kann, wenn nach dem Grundbuchstand die Einverleibung des einzutragenden Rechts zulässig wäre und wenn die Unterschrift entsprechender Gesuche gerichtlich oder notariell beglaubigt ist, hat der Gerichtshof der Europäischen Union eine Beschränkung des mit Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs gesehen, der den Dienstleistungserbringern ähnliche Rechte vermittelt. Diese Regelung hindere österreichische wie in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige Rechtsanwälte an der Beglaubigung von Anmerkungsgesuchen und beeinträchtige damit die Dienstleistungsfreiheit (EuGH, Urteil vom 9. März 2017 Piringer, Rs. C-342/15, ECLI:EU:C:2017:196, Rn. 50-52). Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um die Frage, ob die Auflassung auch vor einem Rechtsanwalt erklärt werden könnte, sondern darum, dass sie auch nicht vor einem im Ausland bestellten Notar erklärt werden kann. Das macht aber, anders als das Beschwerdegericht meint, unionsrechtlich keinen Unterschied. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Beurkundungstätigkeit der Notare nicht Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der Bereichsausnahme nach Art. 51 Abs. 1 AEUV (vgl. EuGH, Urteile vom 24. Mai 2011, Kommission/Österreich, Rs. C-53/08, ECLI:EU:C:2011:338 Rn. 91 f. und vom 9. März 2017, Piringer, Rs. C-342/15, ECLI:EU:C:2017:196, Rn. 54), sondern unionsrechtlich eine Dienstleistung.
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bb) Eine etwaige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit von in der Schweiz ansässigen Notaren wäre jedenfalls nach Art. 5 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens gerechtfertigt.
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(1) Danach dürfen die durch das Freizügigkeitsabkommen eingeräumten Rechte nur durch Maßnahmen eingeschränkt werden, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Für die inhaltlich entsprechende Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass eine diskriminierungsfreie Beschränkung angewandt werden kann, wenn sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (EuGH, Urteile vom 28. Januar 2016, Laezza, Rs. C-375/14, ECLI:EU:C:2016:60, Rn. 31 und vom 9. März 2017, Piringer, C-342/15, ECLI:EU:C:2017:196, Rn. 53), geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das zu seiner Erreichung erforderliche Maß hinausgeht (vgl. EuGH, Urteile vom 17. März 2011, Peñarroja, Rs. C-372/09 und C-373/09, ECLI:EU:C:2011:156, Rn. 54 und vom 9. März 2017, Piringer, C-342/15, ECLI:EU:C:2017:196, Rn. 53).
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(2) Diese Voraussetzungen hat der Gerichtshof der Europäischen Union in Bezug auf den mit Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehr für den Beglaubigungsvorbehalt für Notare nach § 53 Abs. 3 des österreichischen Grundbuchsgesetzes bejaht (EuGH, Urteil vom 9. März 2017, Piringer, C-342/15, ECLI:EU:C:2017:196, Rn. 55 ff.). Bei einer Beeinträchtigung der mit Art. 5 des Freizügigkeitsabkommens garantierten Dienstleistungsfreiheit Schweizer Dienstleistungserbringer in Deutschland durch die Beschränkung der Zuständigkeit zur Entgegennahme von Auflassungen auf im Inland bestellte Notare in § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt es nicht anders. Diese Beschränkung steht in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens.
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(a) Dem Grundbuch kommt in bestimmten Mitgliedstaaten, die das lateinische Notariat kennen, darunter auch Deutschland, unter anderem im Rahmen von Grundstückstransaktionen entscheidende Bedeutung zu. Ebenso wie nach österreichischem Recht, um das es in der Entscheidung Piringer ging, setzt eine Verfügung über ein Grundstück und insbesondere die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 Abs. 1 BGB neben der Einigung der Beteiligten über die Verfügung die Eintragung in das Grundbuch voraus, sodass die Verfügung erst mit der Eintragung wirksam wird. Die ordnungsgemäße Führung des Grundbuchs ist auch in Deutschland ein wesentlicher Teil der vorsorgenden Rechtspflege. Sie soll die ordnungsgemäße Rechtsanwendung und die Rechtssicherheit von Verfügungen zwischen Privatpersonen gewährleisten und gehört damit zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Staates. Die Verpflichtung der an der Auflassung eines in Deutschland gelegenen Grundstücks Beteiligten, diese Auflassung entweder vor einem deutschen Konsularbeamten im Ausland oder vor einem in Deutschland bestellten Notar im Inland zu erklären, soll sicherstellen, dass die notwendige Einigung über den Eigentumsübergang tatsächlich erfolgt, technisch richtig und in Übereinstimmung mit dem Inhalt des Grundbuchs erklärt und dem Grundbuchamt unverzüglich zur Eintragung zugeleitet wird. Der aus der unüberlegten und unrichtigen Auflassung eines Grundstücks folgenden Gefährdung der Interessen der Beteiligten, aber vor allem der Gefährdung der Richtigkeit des Grundbuchs, soll der Notar durch entsprechende Hinweise an die Beteiligten, notfalls aber auch dadurch entgegenwirken, dass er die Entgegenahme der Auflassungserklärung ablehnt.
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(b) Dieses Schutz- und Sicherungskonzept des Gesetzgebers setzt vertiefte Kenntnisse des deutschen Sachenrechts, insbesondere auch des Ab-straktionsprinzips und seiner Wirkungsweise, und weiter voraus, dass die zuständigen staatlichen Stellen bei Fehlern (vgl. dazu etwa die pr. Allgemeinverfügung vom 23. Mai 1921, pr. JMBl. 1921, 317) auf die Notare einwirken können. Diese Bedingungen liegen bei im Ausland bestellten Notaren schon deshalb nicht vor, weil diese nicht die Pflichten der im Inland bestellten Notare treffen (KG, DNotZ 1987, 44, 47), insbesondere die Pflichten nach § 925a BGB, und weil sie nicht der Notar- oder Dienstaufsicht der deutschen staatlichen Stellen unterliegen, die damit außerstande wäre, die Einhaltung der Vorschriften zur Gewährleistung der Richtigkeit des Grundbuchs sicherzustellen.
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Diese Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist auch verhältnismäßig. Die Beteiligten haben nach Art. 11 der Verordnung (EU) Nr. 593/2008 (Rom I) bzw. im Verhältnis zur Schweiz nach Art. 9 EÜV die Möglichkeit, einen Vertrag, der zur Übertragung des Eigentums an einem in Deutschland gelegenen Grundstück verpflichtet, außerhalb Deutschlands unter Beachtung der am Abschlussort geltenden Formvorschriften wirksam abzuschließen. Sie können die Auflassung vor dem für den Abschlussort zuständigen deutschen Konsularbeamten erklären oder Vertreter ermächtigen, die Erklärung für sie vor einem in Deutschland ansässigen Notar abzugeben.
Stresemann     
        
Schmidt-Räntsch     
        
 Brückner
        
Göbel      
        
Haberkamp      
        


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