Aktenzeichen 3 B 60/09
§ 9a Abs 1 S 2 Nr 5 AEG 1994
Art 12 Abs 1 GG
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Mai 2009, Az: 20 A 3608/07, Urteil
Gründe
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Die Kläger wenden sich gegen eine Verfügung des Eisenbahn-Bundesamtes, mit der der DB Netz AG untersagt wurde, bei Entscheidungen über den Netzfahrplan, die sonstige Zuweisung von Zugtrassen und über die Wegeentgelte nebst der Vorbereitung dieser Entscheidungen Juristinnen oder Juristen der DB AG mit der Rechtsberatung oder Rechtsvertretung zu beauftragen. Die Kläger sind bei der DB AG als Juristen beschäftigt und in der zentralen Rechtsabteilung eingesetzt, welche die DB AG für konzernangehörige Unternehmen – darunter auch die DB Netz AG – vorhält. Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen, weil die Kläger nicht in eigenen Rechten betroffen seien.
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Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die Beschwerden hiergegen bleiben ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt die von den Klägern behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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1. Die Kläger werfen in erster Linie sinngemäß die Frage auf, ob von einem an einen Dritten gerichteten Verbot, eine – hier: rechtsberatende – Dienstleistung eines bestimmten Unternehmens in Anspruch zu nehmen, die von diesem Unternehmen gerade für diese Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmer in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen sind. Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision; sie zeigt weder in dieser abstrakten Form noch mit Blick auf den konkreten Fall auf, dass die gefestigte Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG der Überprüfung oder der Fortentwicklung bedürfte.
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Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 13. Juli 2004 – 1 BvR 1298/94 u.a. – BVerfGE 111, 191 m.w.N.) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 16. Januar 2007 – BVerwG 6 C 15.06 – Buchholz 300 § 189 GVG Nr. 1 Rn. 31 m.w.N.) ist geklärt, dass der Schutz des Grundrechts einerseits umfassend angelegt ist, andererseits aber nur vor solchen Beeinträchtigungen schützt, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Der Schutzbereich ist daher nicht schon dann eröffnet, wenn eine Rechtsnorm, ihre Anwendung oder andere hoheitliche Maßnahmen unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfalten. Die Berufsfreiheit ist erst dann berührt, wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst beziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben.
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Die Kläger zeigen nicht auf, inwiefern diese Grundsätze der Überprüfung oder der Fortentwicklung bedürfen. Sie bringen im Wesentlichen vor, in ihrem Fall hätte das Berufungsgericht eine berufsregelnde Tendenz des angefochtenen Bescheides oder des § 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 5 AEG, dessen Durchsetzung der angefochtene Bescheid dient, nicht verneinen dürfen. Damit rügen sie lediglich eine unrichtige Anwendung der genannten Grundsätze auf den vorliegenden Rechtsstreit. Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan.
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Die Kläger legen auch nicht dar, dass das Berufungsgericht die unmittelbar einschlägigen Vorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in einer Weise ausgelegt hätte, die – mit Blick auf ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG – der höchstrichterlichen Überprüfung bedürfte. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Das Berufungsgericht ist offenkundig davon ausgegangen, dass § 9a Abs. 1 Satz 2 AEG lediglich Pflichten öffentlicher Betreiber von Schienenwegen mit Auswirkungen für dritte Eisenbahnverkehrsunternehmen oder mit diesen verbundenen Unternehmen begründet, jedoch keine berufsregelnde Tendenz für deren jeweilige Angestellte erkennen lässt. Dass dies zutrifft, liegt auf der Hand und bedarf daher nicht noch der Prüfung in einem Revisionsverfahren. Die Kläger sind Juristen und als solche in einem Wirtschaftsunternehmen der Verkehrsbranche angestellt. Der Beruf des Juristen als solcher wird durch Betreiberpflichten, denen die Wirtschaftsunternehmen der Verkehrsbranche unterworfen werden, nicht berührt; die Betreiberpflichten stehen infolge ihrer Gestaltung weder in einem engen noch überhaupt in irgendeinem Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs des Juristen. Nichts anderes gilt, wenn man ein besonderes Berufsbild des “angestellten Juristen eines Verkehrsunternehmens” anerkennen wollte, wofür aber jeglicher Anhaltspunkt fehlt; auch dann lassen an ein Verkehrsunternehmen gerichtete Betreiberpflichten dieses Berufsbild des “angestellten Juristen eines Verkehrsunternehmens” als solches unberührt. Schutz eines konkreten Arbeitsplatzes bietet Art. 12 Abs. 1 GG nicht; der Arbeitgeberin der Kläger bleibt unbenommen, sie für andere Aufgaben einzusetzen, und den Klägern bleibt unbenommen, den Arbeitgeber zu wechseln.
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2. Eine berufsregelnde Tendenz lässt sich auch nicht mit der Sorge der Kläger begründen, als Vertreter der DB Netz AG künftig von Behörden oder Gerichten zurückgewiesen zu werden (vgl. § 156 Abs. 2 BRAO, § 14 Abs. 6 VwVfG, § 67 Abs. 3 VwGO, § 79 Abs. 3 ZPO). Natürlich lässt sich in Frage stellen, ob die DB Netz AG, wenn sie sich entgegen dem an sie gerichteten Verbot im Rechtsverkehr durch Personen vertreten lässt, die bei einem Eisenbahnverkehrsunternehmen oder einem mit einem solchen verbundenen Unternehmen angestellt sind oder sonst eine Funktion ausüben, in Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren ordnungsgemäß vertreten ist. Diese Frage berührt jedoch allein die Rechtsstellung der DB Netz AG. Den Klägern selbst ist damit kein Berufsverbot oder Vertretungsverbot erteilt (§§ 150, 155, 156 BRAO); sie können daher wegen der Missachtung eines solchen Berufs- oder Vertretungsverbots nicht von Behörden oder Gerichten zurückgewiesen werden.
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3. Schließlich sehen sich die Kläger zumindest deshalb in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen, weil das an die DB Netz AG gerichtete Verbot ihnen gegenüber diskriminierende Wirkung habe. Die diskriminierende Wirkung sehen sie darin, dass das Verbot einer abstrakten Gefährdungslage wehren solle, diese aber mit Vermutungen zur Motivation, Interessenlage oder unbewussten Handlungsdirektiven gerade derjenigen Gruppe von Personen unterlegt werde, der sie selbst angehören. Damit wird ebenfalls kein zusätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt. Das Berufungsgericht hat – unter Bezugnahme auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 7. Oktober 1986 (7 A 48/86 – NVwZ 1987, 425) – für möglich erachtet, dass ein Bescheid einen Dritten allein wegen seiner Begründung in seinen Rechten verletzen kann, sofern dieser Dritte die Begründung als diskriminierend ansehen oder infolge der Begründung mit mittelbaren beruflichen Nachteilen rechnen muss. Das Berufungsgericht hat aber nichts dafür festgestellt, dass der hier angefochtene Bescheid – ausdrücklich oder stillschweigend – mit dem erwartbaren Verhalten gerade der Kläger motiviert wäre, geschweige denn in einer Weise, die diese als herabwürdigend empfinden könnten. Dass die Kläger typischerweise in einem Interessenzwiespalt stehen, wenn sie Angestellte der DB AG sind, in deren Auftrag aber Rechtsdienstleistungen für die DB Netz AG erbringen, und zwar auch und gerade in Angelegenheiten, die Konkurrenten der DB AG betreffen, enthält keinen persönlichen Vorwurf, sondern beschreibt die objektiven Gegebenheiten der Konstellation und damit die – vom Berufungsgericht mit Recht so genannte – abstrakte Gefährdungslage, auf die § 9a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 5 AEG und der angefochtene Bescheid reagieren.