Aktenzeichen M 21 K 15.3119
VwGO VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
Leitsatz
Der Antrag einer Zeitsoldatin auf freiwillige Weiterverpflichtung (§ 40 Abs. 2 SG) kann ermessensfehlerfrei abgelehnt werden, wenn ihr die körperliche Eignung für den begehrten Dienstposten fehlt, weil sie im aktiven Rettungsdienst bei Auslandseinsätzen auf Grund eines Bandscheibenleidens nicht uneingeschränkt als Rettungsassistentin verwendbar ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des BAPersBw vom 17. April 2015 und dessen Beschwerdebescheid vom 24. Juni 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie erfüllen den Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Weiterverpflichtungsantrag vom 8. Oktober 2014.
Im Einzelnen:
Nach § 40 Abs. 2 SG kann die Zeitdauer der Berufung eines Soldaten auf Zeit auf Grund freiwilliger Weiterverpflichtung innerhalb der Grenzen des § 40 Abs. 1 SG verlängert werden. Als „Kann“-Bestimmung handelt es sich bei der Regelung des § 40 Abs. 2 SG um eine Ermessensnorm mit der Folge, dass die Klägerin grundsätzlich keinen Anspruch auf die begehrte Verlängerung der Berufungszeitdauer hat, sondern lediglich einen Anspruch darauf, dass über ihren Antrag ermessensfehlerfrei entschieden wird. Der entsprechende personelle Bedarf der Bundeswehr spielt dabei eine zentrale Rolle, denn § 40 Abs. 2 SG dient maßgeblich den Interessen des Dienstherrn (vgl. OVG LSA, B.v. 18.2.2011 – 1 L 3/11 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Auch wenn die Verlängerung keine Ernennung darstellt, sind die §§ 3, 37 und 38 SG hier angesichts der mit der Erstberufung identischen Interessenlage anzuwenden (vgl. nur Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 40 Rn. 25 m.w.N.). Tatbestandliche – und hier erfüllte – Verlängerungsvoraussetzung ist somit insbesondere nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 SG, dass der Soldat die körperliche Eignung besitzt, die zur Erfüllung seiner Aufgaben als Soldat (grundsätzlich) erforderlich ist.
Der Dienstherr legt die Anforderungen, denen ein Bewerber in körperlicher Hinsicht genügen muss, in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest. Subjektive Rechte der Bewerber werden hierdurch grundsätzlich nicht berührt. Dem Dienstherrn steht hierbei ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Ein Soldat, der diesen Anforderungen nicht genügt, ist auch dann nicht geeignet, wenn er in Friedenszeiten zumutbar verwendet werden kann. Demgegenüber ist dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage eröffnet, ob der Bewerber den vom Dienstherrn festgelegten – laufbahnbezogenen – Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt. Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der körperlichen Anforderungen für eine Verwendung im Wehrdienstverhältnis rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden körperlichen Eignung. Es ist zu prüfen, ob der Bewerber den Anforderungen genügt und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich daran – bei Soldaten – bis zum Erreichen des Endes der Dienstzeit oder der Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwas ändert (vgl. zu all dem BayVGH, B.v. 9.6.2017 – 6 ZB 16.1993 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.).
Für die Beurteilung der körperlichen Eignung kommt es auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung an (vgl. nur BayVGH, B.v. 9.6.2017 – 6 ZB 16.1993 – juris Rn. 25). Nur im Hinblick auf die von der Beklagten im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nach § 40 Abs. 2 SG anzustellenden prognostischen Erwägungen zur Einstellungs- und Verwendungsnotwendigkeit ist auf die bestehende Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen (vgl. nur OVG LSA, B.v. 18.2.2011 – 1 L 3/11 – juris Rn. 11).
Gemessen an den vorgenannten, obergerichtlichen Grundsätzen fehlt der Klägerin auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer die uneingeschränkte – voll überprüfbare – körperliche Eignung für den von ihr bekleideten und auch künftig begehrten Dienstposten eines SanFwRettAss. Insbesondere ist sie nicht für Auslandseinsätze verwendbar. Die gerade auch auf den letztgenannten Gesichtspunkt gestützte und damit insbesondere dem Interesse der Beklagten an möglichst effektiver Bündnisverteidigung (Art. 24 Abs. 2 GG, vgl. hierzu nur BVerfG, U.v. 12.7.1994 – 2 BvE 3/92 u.a. – juris) Rechnung tragende Ablehnung ihres Weiterverpflichtungsantrags vom 18. Oktober 2014 ist ermessensfehlerfrei. Im Einzelnen:
Unstreitig hat der Rettungsassistent nach der einschlägigen, fachlichen Aufgabenbeschreibung der Beklagten unter Einsatz- und Friedensbedingungen Erste Hilfe am Notfallort zu leisten und lebensrettende Maßnahmen sowie Krankentransporte durchzuführen.
Grundlagen für die Überprüfung der körperlichen Eignung sind auch hier insbesondere die Regelungen in der ZDv 46/1. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Regelungen gegen höherrangiges Recht verstoßen oder aus einem anderen Grund rechtswidrig sind (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.2005 – 1 WB 58/04 – juris Rn. 4). Das gilt auch für den zur Durchführung des § 40 SG ergangenen Berufungserlass ZDv 14/5 B 127 (vgl. OVG LSA, B.v. 18.2.2011 – 1 L 3/11 – juris Rn. 14) und seine Nachfolgeregelung ZDv A – 1420/13. Etwas anderes hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Die Würdigung der zum Gesundheitszustand der Klägerin vorliegenden militärärztlichen Stellungnahmen ergibt, dass sie gemessen an der vorgenannten Aufgabenbeschreibung und den einschlägigen Grundlagen für die Überprüfung der körperlichen Eignung nicht uneingeschränkt körperlich geeignet, insbesondere nicht für Auslandseinsätze verwendbar ist.
Das folgt insbesondere aus der überzeugenden Stellungnahme des Beratenden Arztes vom 9. April 2015. Der für die Erteilung einer militärärztlichen Ausnahme für die begehrte Dienstzeitverlängerung allein zuständige (vgl. Kap. D 01.01 des AU Nr. 80 FA InspSan Nr. 6.2) Beratende Arzt des BAPersBw hat in dieser Stellungnahme aus militärärztlicher Sicht insbesondere auf weitere Sicht Bedenken für eine Verwendung der Klägerin im aktiven Rettungsdienst geäußert und unter Bezugnahme auf die dementsprechende ärztliche Mitteilung des Sanitätsunterstützungszentrums Kümmersbruck vom 20. Februar 2015 festgehalten, dass bei ihr eine ausschließende Gesundheitsziffer (Signierziffer 2) vorliegt. Eine militärärztliche Ausnahme für eine Dienstzeitverlängerung auf SaZ 25 hat er nur unter der Auflage „keine Teilnahme am aktiven Rettungsdienst, keine Auslandsverwendung als RettAss“ erteilt.
Diese Stellungnahme des Beratenden Arztes beruht auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage und ist sowohl in sich als auch vor dem Hintergrund der sonst noch zum Gesundheitszustand der Klägerin vorliegenden militärärztlichen Stellungnahmen schlüssig.
Unwidersprochen hat die Beklagte vorgetragen, dass das Attest des Facharztzentrums München vom 19. Februar 2015 seinerzeit Eingang in die Akte beim Beratenden Arzt gefunden hatte, es ihm also bei seiner Begutachtung vorgelegen hatte.
Aufgrund der bei der Klägerin diagnostizierten, klinisch symptomatischen Bandscheibendegeneration der HWK 6/7 und 5/6 hat sich der Beratende Arzt überdies nachvollziehbar „insbesondere auf weitere Sicht“ gegen ihre Verwendung im aktiven Rettungsdienst ausgesprochen und ihr auch die Auslandsverwendungsfähigkeit als RettAss abgesprochen.
Zutreffend wird eingangs der Stellungnahme des Beratenden Arztes festgehalten, dass die Klägerin damals überwiegend nicht im aktiven Rettungsdienst verwendet worden ist. Das deckt sich mit den Angaben, die dazu im Schreiben des Staffelchefs der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck vom 23. Februar 2015 gemacht worden sind und spricht bereits für sich genommen gegen die uneingeschränkte Verwendungsfähigkeit der Klägerin auf ihrem damaligen und auch künftig begehrten Dienstposten.
Diese Prognose des Beratenden Arztes ist auch angesichts der bei der Klägerin diagnostizierten Erkrankung nachvollziehbar. Risikofaktoren, die ein Bandscheibenleiden der Halswirbelsäule verursachen können, sind vor allem schweres Heben, langes Autofahren, Arbeiten mit Vibrationsgeräten wie Presslufthammer, aber auch Rauchen (vgl. nur http://www.uniklinikumsaaland.de/fileadmin/UKS/Aktuelles /Zeitschrift_UKS_Report/Medizinlexikon/Meizinlexikon_ab_2005/Bandscheiben_hals.pdf.). Die für den von der Klägerin innegehabten und auch künftig von ihr begehrten Dienstposten einschlägige Tätigkeitsbeschreibung setzt die Fähigkeit zum schweren Heben voraus. Sie hält insbesondere fest, dass die Tätigkeit trotz aller Hilfsmittel körperlich anstrengend ist. Deswegen leuchtet es ein, dass sich der Beratende Arzt „insbesondere auf weitere Sicht“ gegen die Verwendung der Klägerin im aktiven Rettungsdienst ausgesprochen und ihr auch die Auslandsverwendungsfähigkeit als RettAss abgesprochen hat. Hinzu kommt, dass das von der Beklagten vorgetragene Risiko der Verschlimmerung der Erkrankung der Klägerin unwidersprochen geblieben ist.
Die Beurteilung des Beratenden Arztes deckt sich mit den vorliegenden, auf von zwei verschiedenen Militärärzten erstellten Begutachtungen beruhenden ärztlichen Mitteilungen für die Personalakte (vom 20. Februar 2015 und vom 22. April 2015). Sie wird durch das Vorbringen der Klägerin, insbesondere den Befund/Bericht des Facharztzentrums München vom 19. Februar 2015 weder erschüttert noch widerlegt.
Der Befund/Bericht des Facharztzentrums München vom 19. Februar 2015 geht ebenfalls von einer nur eingeschränkten Verwendungsfähigkeit der Klägerin aus, weil auch in diesem Befund/Bericht das Erfordernis einer militärärztlichen Ausnahmegenehmigung gesehen wird. Er äußert sich jedoch zur Verwendungsfähigkeit der Klägerin im aktiven Rettungsdienst, insbesondere zu ihrer Auslandsverwendungsfähigkeit, nicht. Schon deswegen ist der Befund/Bericht des Facharztzentrums München vom 19. Februar 2015 nicht dazu geeignet, die militärärztliche Beurteilung des Beratenden Arztes vom 9. April 2015 zu erschüttern oder sie gar zu widerlegen.
Über den Befund/Bericht des Facharztzentrums München vom 19. Februar 2015 hinaus fehlt es an jeglichem substantiierten Vorbringen der Klägerin dazu, dass sie spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer körperlich für die Teilnahme am aktiven Rettungsdienst und eine Auslandsverwendung als RettAss geeignet ist.
Nach all dem ist die Klage abzuweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.