Arbeitsrecht

Rückkehrrecht nach § 17 HVFG

Aktenzeichen  5 AZR 566/10

Datum:
19.10.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 17 LBKHG HA vom 21.11.2006
§ 1 Abs 1 TVÜ-L
§ 4 bis 6 TVÜ-L
§ 11 TVÜ-L
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hamburg, 4. November 2009, Az: 8 Ca 232/09, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg, 19. August 2010, Az: 7 Sa 91/09, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. August 2010 – 7 Sa 91/09 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Vergütung und Eingruppierung der Klägerin nach Ausübung eines Rückkehrrechts.
2
Die Klägerin war nach vorangegangener Ausbildung seit dem 1. Oktober 1989 bei der Beklagten in städtischen Krankenhäusern als Krankenschwester beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für die Beklagte geltenden Fassung Anwendung.
3
Aufgrund § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Errichtung der Anstalt Landesbetrieb Krankenhäuser vom 11. April 1995 (LBKHG, HmbGVBl. I S. 77) gingen die Arbeitsverhältnisse der in den städtischen Krankenhäusern tätigen Arbeitnehmer auf den Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg (LBK Hamburg), eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts, über. Träger des LBK Hamburg war gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 LBKHG die Beklagte. § 17 Abs. 2 LBKHG lautete:
        
„Die Freie und Hansestadt Hamburg ist verpflichtet, für den Fall der Überführung der Anstalt in eine andere Trägerschaft dafür Sorge zu tragen, daß die Beschäftigten, die zum Stichtag des Übergangs auf den LBK Hamburg bei den Landesbetrieben beschäftigt waren, von dem neuen Träger unter Wahrung ihres Besitzstandes übernommen werden. Die Freie und Hansestadt Hamburg ist außerdem verpflichtet, im Falle einer Überführung der gesamten Anstalt in eine andere Trägerschaft ohne Mehrheitsbeteiligung der Freien und Hansestadt Hamburg diese Mitarbeiter auf deren Wunsch unter Wahrung der bei der Anstalt erreichten Lohn- und Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit wieder in den Diensten der Freien und Hansestadt Hamburg zu beschäftigen. Im Falle der Überführung einzelner Krankenhäuser oder anderer Einrichtungen des LBK Hamburg oder Teilen von ihnen in eine andere Trägerschaft ohne Mehrheitsbeteiligung des LBK Hamburg ist der LBK Hamburg verpflichtet, den Beschäftigten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes als Arbeitnehmer oder Beamte beim LBK (…) beschäftigt gewesen sind, unter Wahrung der beim LBK Hamburg erreichten Lohn- und Vergütungsgruppe sowie Beschäftigungszeit den Verbleib in der Anstalt zu ermöglichen.“
4
Mit dem Gesetz zur Errichtung der Betriebsanstalt LBK Hamburg vom 17. Dezember 2004 (LBKBetriebG, HmbGVBl. I S. 487) wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2005 die Betriebsanstalt „LBK Hamburg – Anstalt öffentlichen Rechts“ (Betriebsanstalt LBK Hamburg) errichtet. Zugleich wurde das LBKHG in „Gesetz zur Errichtung der Anstalt Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg Immobilien Anstalt öffentlichen Rechts“ und der bisherige LBK Hamburg in LBK-Immobilien umbenannt. Bei der nur noch als Besitzanstalt fungierenden LBK-Immobilien verblieben vier Personalstellen. Der Betrieb der Krankenhäuser wurde auf die Betriebsanstalt LBK Hamburg übertragen, deren Träger der LBK-Immobilien war. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LBKBetriebG gingen die Arbeitsverhältnisse der bisher beim („alten“) LBK Hamburg beschäftigten Arbeitnehmer mit Wirkung zum 1. Januar 2005 auf die Betriebsanstalt LBK Hamburg (dem „neuen“ LBK Hamburg) über. Dabei war ein Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer entsprechend § 613a Abs. 6 BGB vorgesehen.
5
Mit der Verordnung zur Umwandlung der Betriebsanstalt LBK Hamburg in eine Kapitalgesellschaft vom 4. Januar 2005 (HmbGVBl. I S. 4) wurde die Betriebsanstalt LBK Hamburg in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt, deren Mehrheitsgesellschafterin zunächst noch die Besitzanstalt LBK-Immobilien war. Die Rechte und Pflichten der Beschäftigten aus den bestehenden Arbeitsverträgen blieben durch den Formwechsel unberührt. Der früheren Regelung zum Rückkehrrecht der Arbeitnehmer in § 17 Abs. 2 LBKHG entsprach nunmehr § 15 Abs. 2 LBK-Immobiliengesetz. Ergänzend bestimmte § 15 Abs. 3 LBK-Immobiliengesetz, dass das Rückkehrrecht auch dann besteht, wenn die neu errichtete Anstalt öffentlichen Rechts in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt worden ist und der LBK-Immobilien seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft mehrheitlich veräußert.
6
Die Mehrheit der Anteile an der LBK Hamburg GmbH (74,9 %) gingen am 1. Januar 2007 von der Beklagten auf einen privaten Krankenhausträger über unter nachfolgender Umfirmierung in A GmbH. Zuvor war das LBK-Immobiliengesetz in „Gesetz über den Hamburgischen Versorgungsfonds – Anstalt öffentlichen Rechts – (HVFG)“ und der LBK-Immobilien in Hamburger Versorgungsfonds (HVF) umbenannt worden.
7
In § 17 HVFG wurde das Rückkehrrecht mit Wirkung vom 29. November 2006 wie folgt geregelt:
        
„Veräußert der HVF seine Beteiligung an der LBK Hamburg GmbH mehrheitlich, so ist die Freie und Hansestadt Hamburg verpflichtet, diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LBK Hamburg GmbH, die bereits im Zeitpunkt der Errichtung der LBK Hamburg – Anstalt öffentlichen Rechts – dort beschäftigt waren, auf deren Wunsch unter Wahrung der beim LBK Hamburg erreichten Lohn- und Vergütungsgruppe und Beschäftigungszeit wieder in den Diensten der Freien und Hansestadt Hamburg zu beschäftigen. Maßgeblicher Veräußerungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des dinglichen Übergangs der Anteilsmehrheit. In diesem Fall hat die Leitung der LBK Hamburg GmbH alle betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem Recht nach Satz 1 schriftlich zu unterrichten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Mitteilung der Geschäftsleitung schriftlich mitteilen, dass sie von ihrem Recht Gebrauch machen. Die Überführung der Arbeitsverhältnisse in den Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg soll dann binnen eines weiteren Jahres erfolgen (…).“
8
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin beim LBK Hamburg fand bis zum 31. Dezember 2006 der zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) und ver.di abgeschlossene Manteltarifvertrag für Angestellte (MTV
Angestellte AVH), der inhaltlich im Wesentlichen dem BAT entsprach, Anwendung. Zum 1. Januar 2007 erfolgte die Überleitung in den – dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nachgebildeten – Tarifvertrag für den Krankenhaus-Arbeitgeberverband Hamburg e.V. (TV-KAH) nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten von Mitgliedern des Krankenhausarbeitgeberverbandes Hamburg (KAH) vom 14. Juni 2007 (TVÜ-KAH). Dieser entspricht im Wesentlichen dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder).
9
Nachdem die Klägerin ihre Rückkehr zur Beklagten verlangt hatte, schlossen die Parteien mit Wirkung zum 1. Mai 2008 einen neuen Arbeitsvertrag, in dem es heißt:
        
„§ 1   
        
Die Arbeitnehmerin wird ab 01.05.08 auf unbestimmte Zeit als Vollbeschäftigte/Vollbeschäftigter eingestellt. (…)
        
        
        
§ 2     
        
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für die Arbeitgeberin jeweils geltenden Fassung.
        
        
        
§ 3     
        
Eine Probezeit entfällt. Die beim Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg – Anstalt öffentlichen Rechts – (LBK) und bei der A GmbH (A GmbH) erbrachten Beschäftigungszeiten werden gem. § 17 Satz 1 des Gesetzes über den Hamburgischen Versorgungsfond (HVFG) als Beschäftigungszeiten iSv. § 34 Abs. 3 Satz 1 TV-L anerkannt.
        
        
        
§ 4     
        
Der Arbeitnehmer ist in Entgeltgruppe 10 TV-L eingruppiert.
        
        
        
§ 5     
        
Es werden folgende Besitzstandsregelungen vereinbart:
        
Bei der A GmbH erfolgte eine Zuordnung in eine individuelle Zwischen- oder individuelle Endstufe gem. §§ 6 Abs. 1 und 4, 7 Abs. 3 TVÜ-KAH. Die Differenz zwischen dieser individuellen Stufe und dem Tabellenentgelt nach § 4 dieses Arbeitsvertrages wird als übertarifliche Besitzstandszulage gewährt.
        
Solange die Voraussetzungen des § 11 TVÜ-L vorliegen, werden die am Tage vor der Einstellung als Besitzstandszulage gezahlten kinderbezogenen Bezügebestandteile nach § 11 TVÜ-KAH als übertarifliche Besitzstandszulage weitergezahlt.
        
Diese Besitzstandszulagen sind abbaubar und nicht dynamisch.
        
Abbaubar bedeutet, dass lineare Erhöhungen sonstige Tarifanpassungen, Höhergruppierungen und andere Anpassungen der monatlichen Bezüge auf die übertariflichen Besitzstandszulagen angerechnet werden. Nicht angerechnet werden Einmal- und Jahressonderzahlungen sowie Überstundenbezüge und andere unständige Besitzbestandteile.
        
Nicht dynamisch bedeutet, dass die Besitzstandszulagen nicht an linearen Erhöhungen und Tarifanpassungen teilnehmen. Absenkungen der Bezüge führen nicht zu einer neuen Berechnung oder Zulage.
        
…“    
10
Bei der A GmbH war die Klägerin zuletzt in Entgeltgruppe E 10 TV-KAH eingruppiert und einer individuellen Zwischenstufe („4+“) zugeordnet. Ferner erhielt sie monatlich 181,14 Euro brutto, in den Abrechnungen als „Besitzstand Kind OZ“ bezeichnet.
11
Die Beklagte vergütete die Klägerin ab Beginn des Arbeitsverhältnisses nach Entgeltgruppe 10 Stufe 4 TV-L und zahlte außerdem eine „Besitzstandszulage kinderbezogenes Entgelt“ iHv. 181,41 Euro brutto.
12
Mit Änderungsvertrag vom 15. Dezember 2008 vereinbarten die Parteien mit Wirkung zum 1. November 2008 eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TV-L. Die Beklagte ordnete die Klägerin innerhalb der Entgeltgruppe 11 zunächst der Stufe 5 zu. Mit Schreiben vom 15. Mai 2009 teilte sie der Klägerin mit, dass diese bei korrekter Einstufung als „A-Rückkehrerin“ innerhalb der Entgeltgruppe 11 der Stufe 4 zugeordnet werden müsse. Sie kündigte zugleich an, die erfolgte Überzahlung in monatlichen Teilbeträgen einzubehalten. Mit Schreiben vom 14. Juli 2009 teilte die Beklagte der Klägerin einen Überzahlungsbetrag in Höhe von 1.536,66 Euro mit. Die sich aus der Höhergruppierung ergebende Steigerung des Tabellenentgelts rechnete die Beklagte auf die Besitzstandszulage an.
13
Mit ihrer am 29. April 2009 eingereichten Klage hat die Klägerin die (Weiter-)Zahlung der Besitzstandszulage kinderbezogene Entgeltbestandteile in Höhe von 181,14 Euro brutto monatlich und klageerweiternd die Feststellung der Eingruppierung in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 TV-L sowie die Feststellung der Nichtberechtigung einer Rückforderung in Höhe von 1.536,66 Euro begehrt. Die Klägerin hat geltend gemacht, die Abbaubarkeit der Besitzstandszulage widerspreche dem TVÜ-Länder, der solches nicht vorsehe. Überdies sei sie so zu behandeln, als wäre sie seit dem 1. Oktober 1989 durchgehend und ohne Unterbrechung bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Zum Zeitpunkt der Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 11 hätte sie sich bei einem vertragsgerechten Verhalten der Beklagten bereits in der Stufe 5 der Entgeltgruppe 10 befunden.
14
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
        
1.    
festzustellen, dass die Klägerin einen kinderbezogenen Bezügebestandteil nach § 11 TVÜ-Länder als Besitzstandszulage zu beanspruchen hat und dieser Anspruch nicht zum 31. Oktober 2008 geendet hat;
        
2.    
die Beklagte zu verpflichten, 1.086,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
        
3.    
festzustellen, dass die Klägerin seit dem 1. November 2008 in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 11 einzustufen ist;
        
4.    
festzustellen, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin kein Rückzahlungsanspruch wegen einer Überzahlung aufgrund einer seit dem 1. November 2008 rückwirkend geltend gemachten Herabstufung in die Stufe 4 der Entgeltgruppe 11 in Höhe von 1.536,66 Euro zusteht.
15
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie habe die von der Klägerin erworbenen Besitzstände gewahrt. § 17 Satz 1 HVFG verlange nur die Sicherung des erreichten Grundentgelts.
16
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

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