Arbeitsrecht

Verselbständigung eines Eigenbetriebs; Bildung eines Gesamtpersonalrats

Aktenzeichen  6 PB 4/13

Datum:
13.3.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 9 Abs 2 S 1 PersVG BW 1996
§ 9 Abs 1 PersVG BW 1996
§ 1 PersVG BW 1996
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 4. Dezember 2012, Az: PL 15 S 696/12, Beschluss

Gründe

1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da sie keinen Zulassungsgrund gemäß § 86 Abs. 2 BaWüPersVG, §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG aufzeigt.
2
1. Der Frage, ob bei Eigenbetrieben eine Verselbständigung im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG und demzufolge die Bildung eines Gesamtpersonalrats (§ 54 BaWüPersVG) zulässig ist, kommt keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu, da sie – jedenfalls soweit für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich – eindeutig im Sinne des Verwaltungsgerichtshofs zu bejahen ist. Gemäß § 9 Abs. 1 BaWüPersVG sind Betriebe der in § 1 BaWüPersVG genannten Körperschaften Dienststellen im Sinne des Gesetzes. Damit eröffnet sich grundsätzlich auch für sie die Möglichkeit einer Verselbständigung von Außenstellen, Nebenstellen oder Teilen nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 BaWüPersVG. Weder Wortlaut oder Zweck der Norm, noch die Gesetzessystematik ergeben Ansatzpunkte für eine gegenteilige Sicht. Der Ergänzung von § 9 Abs. 2 BaWüPersVG durch das Gesetz vom 30. Juli 2009 (GVBl. 363) kann – wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht angenommen hat – nicht die Wertung entnommen werden, die Option der Bildung eines Gesamtpersonalrats sei in Konstellationen der hier vorliegenden Art für die übergeordnete Ebene des Landkreises reserviert. Die von der Beschwerde angedeutete Frage, ob bei einem Eigenbetrieb eine Verselbständigung einzelner Betriebsteile im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG zulässig ist, wenn dieser – nach vorangehender Zusammenfassung mit der Kreisverwaltung gemäß § 9 Abs. 3 BaWüPersVG – seinerseits bereits auf Grundlage der letzten Tatbestandsalternative von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG verselbständigt worden ist (entsprechend der Vorgehensweise, über die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 24. Juli 2007 – PL 15 S 3/06 – auf Basis der damaligen Gesetzeslage zu befinden hatte), stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Selbst wenn sie zu verneinen wäre, würde dies jedenfalls die Anwendung von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG in einer Konstellation wie der hier in Rede stehenden, in der kein für die Gesamtheit von Kreisverwaltung und Kreisbetrieb zuständiger Gesamtpersonalrat gebildet worden ist, nicht sperren können.
3
2. Rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ergibt sich nicht im Zusammenhang mit der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Beteiligte zu 2. sei als verantwortlicher Erster Betriebsleiter (vgl. § 4 Abs. 3 BaWüEigBG) für die Verselbständigungserklärung im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG zuständig gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Prüfung an dem Maßstab ausgerichtet, als “Leiter der Hauptdienststelle” im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG sei derjenige anzusehen, der bei den für eine Beteiligung der Personalvertretung in Betracht kommenden Angelegenheiten einen eigenen Entscheidungs- und Handlungsspielraum besitzt und insofern dem Personalrat als verantwortlicher Partner gegenüber treten kann. Hiermit bewegt sich der angefochtene Beschluss im Einklang mit der gefestigten Senatsrechtsprechung zum personalvertretungsrechtlichen Dienststellenbegriff (vgl. etwa Beschlüsse vom 18. Januar 1990 – BVerwG 6 P 8.88 – Buchholz 251.0 § 9 BaWüPersVG Nr. 5 S. 6 und vom 29. März 2001- BVerwG 6 P 7.00 – Buchholz 250 § 6 BPersVG Nr. 15 S. 7 ff. m.w.N.), hinsichtlich derer der vorliegende Fall keinen Differenzierungs-, Präzisierungs- oder Änderungsbedarf zu Tage treten lässt. Allerdings verbietet es sich, die materiellen Anforderungen an den Dienststellenbegriff auch auf die Frage zu beziehen, wer Leiter der Hauptdienststelle im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG ist. Denn diese Anforderungen müssen bereits bejaht werden, damit eine Organisationseinheit überhaupt eine personalratsfähige Dienststelle im Sinne von § 9 Abs. 1 BaWüPersVG sein kann. Sind diese Voraussetzungen – wie hier bei einer als Eigenbetrieb unterhaltenen Klinik – gegeben, so bleibt der Leiter der Dienststelle nach der Verselbständigung Leiter der Gesamtdienststelle und ist damit zugleich Leiter der Hauptdienststelle im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof aus den maßgeblichen organisationsrechtlichen Bestimmungen bedenkenfrei hergeleitet, dass der Beteiligte zu 2. Leiter der Dienststelle “Ortenau-Klinikum” und damit folgerichtig Leiter der Hauptdienststelle ist. Das Vorbringen des Antragstellers, es lasse sich in der vorliegenden Konstellation gleichsam strukturbedingt keine “Hauptdienststelle” und demgemäß kein “Hauptdienststellenleiter” ausmachen, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Ist eine Verselbständigung im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG bei Eigenbetrieben grundsätzlich möglich, so liegt auf der Hand, dass deren Leiter grundsätzlich als “Leiter der Hauptdienststelle” im Sinne dieser Norm in Frage kommt.
4
3. Rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ergibt sich nicht im Zusammenhang mit der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Beteiligte zu 2. habe das in § 9 Abs. 2 Satz 2 BaWüPersVG bestimmte Erfordernis der Anhörung des Personalrats nicht verletzt.
5
a. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, mit der Bildung des neuen Eigenbetriebs zum 1. Januar 2007 seien die vormaligen Einzeldienststellen und mit ihnen die dort gebildeten Personalvertretungen untergegangen; die Amtszeit des gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 BaWüPersVG mit der Bildung des neuen Eigenbetriebs kraft Gesetzes gebildeten Übergangspersonalrats sei gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG nach Ablauf eines Jahres abgelaufen, so dass seine Konstituierung am 19. Januar 2010 ebenso wie seine danach erfolgte Anhörung durch den Beteiligten zu 2. ins Leere gegangen seien; zum Zeitpunkt der Verselbständigungserklärung am 24. Februar 2010 hätte kein Personalrat existiert, der überhaupt hätte angehört werden können; sollte der Beteiligte zu 2. es rechtswidrig verabsäumt haben, rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des Übergangspersonalrats Anfang 2008 die Wahl eines neuen Personalrats zu initiieren, würde dieses Versäumnis jedenfalls nicht die Ordnungsgemäßheit der Verselbständigungserklärung in Frage stellen.
6
b. Die Beschwerde zeigt in diesem Zusammenhang keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung auf, deren Klärung der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung dienlich wäre und die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen könnte (vgl. zu diesem Maßstab: BAG, Beschluss vom 25. September 2012 – 1 AZN 1622/12 – juris Rn. 2).
7
aa. Der vorliegende Fall ist durch außergewöhnliche Umstände gekennzeichnet: Den von den Antragstellern angefochtenen Wahlen zum Gesamtpersonalrat vom 27. Juli 2011 waren bereits zwei Wahlen im Jahr 2007 und im Jahr 2010 vorausgegangen, die jeweils aus unterschiedlichen Gründen verwaltungsgerichtlich für ungültig erklärt worden sind. Der vom Beteiligten zu 2. vor den zweiten Wahlen im Jahr 2010 betriebenen Konstituierung und Anhörung des Übergangspersonalrats am 19. Januar 2010 lag offenkundig die – nunmehr von der hiesigen Vorinstanz für irrig befundene – Rechtsauffassung zugrunde, der Lauf der Einjahresfrist des § 106 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG setze erst mit der Konstituierung des Übergangspersonalrats statt bereits mit der Bildung der neuen Dienststelle ein; dieser Rechtsauffassung war im Wahlanfechtungsverfahren, das sich an die zweite Wahl im Jahr 2010 angeschlossen hat, auch das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 24. Februar 2011 – PL 9 K 1008/10 – beigetreten (UA S. 10; Bl. 286 der vom Verwaltungsgerichtshof beigezogenen Gerichtsakte dieses Verfahrens). Auf dieser Grundlage wurden sodann die (dritten) Wahlen vom 27. Juli 2011 durchgeführt.
8
bb. Die von der Beschwerde aufgeworfene – aus Sicht des Senats in dieser Form zu verneinende – Frage, “ob es einem Dienststellenleiter durch Abwarten der Amtszeit des Übergangspersonalrats möglich sein soll, die nach § 9 Abs. 2 S. 2 LPVG vorgeschriebene Beteiligung der Personalvertretung zu umgehen” (Beschwerdebegründung S. 5), betrifft vor dem geschilderten Hintergrund nur einen Teilaspekt der rechtlichen Problematik des Falles, dessen Klärung noch nicht genügen würde, um den Rechtsstreit im Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens zur Entscheidung zu bringen. Klärungsbedürftig wäre – unter der Prämisse, dass die Konstituierung des Übergangspersonalrats am 19. Januar 2010 aus den von der Vorinstanz angeführten Gründen tatsächlich ins Leere lief – hier des Weiteren auch, ob die – objektive – Nichterfüllung des Anhörungserfordernisses des § 9 Abs. 2 Satz 2 BaWüPersVG auch in dem Fall die Unwirksamkeit der Verselbständigungserklärung nach sich ziehen muss, dass kein beteiligungsfähiger Personalrat gebildet ist, der Dienststellenleiter jedoch (ebenso wie das nachfolgend befasste Verwaltungsgericht) gutgläubig vom Gegenteil ausgeht, so dass aus seiner Sicht keine Veranlassung besteht, die in §§ 21, 22 BaWüPersVG für die Bildung eines Personalrats vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Frage betrifft entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht “alle Fälle, in denen ein Übergangspersonalrat gem. § 106 LPVG zu bilden ist” (vgl. Beschwerdebegründung a.a.O.), sondern nur den vorliegenden, ersichtlich speziell gelagerten Einzelfall. Die Überprüfung des hierzu vom Verwaltungsgerichtshof eingenommenen Rechtsstandpunkts würde keine verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse zutage befördern und sich daher nicht für die Wahrung der Rechtseinheit bzw. die Rechtsfortbildung als dienlich erweisen.
9
4. Zu Unrecht rügen die Antragsteller eine Divergenz (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) des angefochtenen Beschlusses zum Senatsbeschluss vom 29. Mai 1991 (BVerwG 6 P 12.89 – BVerwGE 88, 233 = Buchholz 250 § 6 BPersVG Nr. 12). Nach dem letztgenannten Beschluss hängt die Zulässigkeit einer Verselbständigung im Sinne von § 6 Abs. 3 BPersVG nicht von der weiteren “ungeschriebenen” Voraussetzung ab, dass der Nebenstellenleiter über personalvertretungsrechtlich relevante Befugnisse verfügt (S. 234 bzw. S. 13). Hieraus lässt sich, anders als der Antragsteller meint, im Hinblick auf die Anforderungen an die Person des “Leiters der Hauptdienststelle” im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG nichts herleiten. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich folglich nicht in Widerspruch zu dem genannten Beschluss gesetzt, indem er die Zuständigkeit des Beteiligten zu 2. zur Abgabe der Verselbständigungserklärung mit dessen Entscheidungsbefugnissen in für die Beteiligung des Personalrats in Betracht kommenden Angelegenheiten begründet und damit der Sache nach zugleich die Personalratsfähigkeit des Ortenau-Klinikums bestätigt hat.


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