Erbrecht

Anforderungen an notarielles Nachlassverzeichnis

Aktenzeichen  34 O 7909/20

Datum:
18.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25932
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 362, Abs. 1, § 2314 Abs.1, Abs. 3

 

Leitsatz

§ 2314 BGB soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Hierbei soll ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Dementsprechend muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

34 O 7909/20 2021-04-01 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

Der sofortigen Beschwerde der Beklagten vom 19.04.2021 (Bl. 206/209 d.A.) gegen den Beschluss vom 01.04.2021 (Bl. 200/205 d.A.) wird nicht abgeholfen, § 572 Abs. 1 ZPO.

Gründe

Der sofortigen Beschwerde wird aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen. Auch aufgrund der Beschwerdebegründung ist eine Änderung der Entscheidung nicht möglich.
Soweit die Beschwerde moniert, es liege kein entsprechender Antrag der Klagepartei vor, kann dies seitens des Gerichts nicht nachvollzogen werden. Zu Recht verweist der Klägervertreter in seiner Stellungnahme vom 30.04.2021 auf seinen Antrag mit Schriftsatz vom 08.02.2021 (Bl. 187/199 d.A.). Der Einzelrichter hat am 23.02.2021 die Zustellung dieses Schriftsatzes an den Beklagtenvertreter verfügt. Die Geschäftstelle des Gerichts hat diese Verfügung am selben Tag abgehakt (Bl. 187 d.A.). Demnach geht das Gericht davon aus, dass dieser Schriftsatz dem Beklagtenvertreter auch vorliegt.
Am 27.11.2020 hat die Urkundsbeamtin des Gerichts auch antragsgemäß eine vollstreckbare Ausfertigung des Teil-Anerkenntnisurteils vom 14.11.2018 (Bl. 74/76 d.A.) erteilt. Die Zuständigkeit hierfür ergibt sich aus § 724 Abs. 2 ZPO. Der Einzelrichter schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Klägervertreters in dessen Schriftsatz vom 30.04.2021, Seite 2, an.
Auch nach dem neuerlichen Vorbringen des Beklagtenvertreters bleibt es dabei, dass der in Form des Teil-Anerkenntnisurteils vom 14.11.2018 titulierte Anspruch der Klägerin auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses gem. § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB nicht durch die Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 19.03.2019 (Bl. 114 ff. d.A. und Anlage „K1“) gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt worden ist.
Für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses gelten nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (NJW 2020, 2187 Rn. 7-10, beck-online) folgende Grundsätze:
„a) § 2314 BGB soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Hierbei soll ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten. Dementsprechend muss der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdings darf er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde (…).
Die Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Maßgebend sind danach jeweils die Umstände des Einzelfalls (…). Hierbei darf und muss der Notar das Wissen des Erben sowie das in seiner Person vorhandene Aufklärungspotenzial gegebenenfalls in der Weise nutzen, dass er den Erben auffordert, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten bzw. sonstigen Dritten durchzusetzen. Die vom Erben geschuldete Kooperation kann insoweit auch in der Anweisung an Dritte bestehen, die benötigten Auskünfte unmittelbar gegenüber dem Notar zu erteilen (…).
Liegt (…) ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 II BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen (…). Von diesem Grundsatz sind allerdings verschiedene Ausnahmen anerkannt. So kann ein Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn in diesem eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt ist (…), wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen (…), wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat (…) oder wenn sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (…).“
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt dem notariellen Nachlassverzeichnis vom 19.03.2019 gemäß § 362 Abs. 1 BGB keine Erfüllungswirkung zu. Der Notar Joseph Hönle hat offensichtlich keine eigenen Ermittlungen angestellt, sondern sich auf die Wiedergabe der Bekundungen der Beklagten verlassen. In überzeugender Weise hat der Klägervertreter schriftsätzlich wiederholt, insbesondere zuletzt im Schriftsatz vom 08.02.2021, Seiten 4 und 5 (Bl. 190/191 d.A.), vorgetragen, dass der vorgenannte Notar aus der von ihm selbst erstellten Urkunde heraus zwei Anlässe zum Anstellen eigener Nachforschungen hatte:
-So wurde unter Ziffer (5) Kaufpreisforderung angegeben, dass die dem Erblasser allein zustehende laufende Kaufpreisforderung für die Immobilie in Salzburg auf das in dem Nachlassverzeichnis unter (2) aufgeführte Oder-Konto bei der Salzburger Sparkasse geleistet wurde, so dass die Beklagte Zugriff auf diese Gelder hatte. Im Hinblick auf die Verwendung der auf diesem Konto in Erfüllung der Kaufpreisforderung eingegangenen Beträge erfolgten offensichtlich keine notariellen Erkundigungen.
-Im Hinblick auf den unter (2) erwähnten Lebensversicherungsvertrag bei der Wiener Städtische Versicherung AG führte der Notar lediglich die Beklagte als bezugsberechtigte Person für den Fall des Ablebens des Erblassers auf, ohne dass Angaben zur Höhe der erfolgten Zuwendung erfolgten. Offenbar wurden auch insoweit keine Erkundigungen angestellt.
Ergänzend wird auf die klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 08.02.2021, Seiten 4 und 5 (Bl. 190/191 d.A.), verwiesen.
Damit kann das notarielle Nachlassverzeichnis vom 19.03.2019 ausnahmsweise keine Erfüllungswirkung entfalten, so dass der von der Beklagten angegriffene Beschluss auch aus diesem Grunde zu erlassen war.


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