Europarecht

8 B 29/21

Aktenzeichen  8 B 29/21

Datum:
30.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:301121B8B29.21.0
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 10. März 2021, Az: 4 A 3178/19, Urteilvorgehend VG Düsseldorf, 2. Juli 2019, Az: 3 K 18952/17

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. März 2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 90 000 € festgesetzt.

Gründe

1
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für ihre zuvor auf Grundlage einer unbefristeten Erlaubnis nach § 33i GewO betriebene Spielhalle wegen Unterschreitens des landesgesetzlichen Mindestabstandes zu zwei benachbarten Spielhallen ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage dagegen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der glücksspielrechtliche Erlaubnisvorbehalt und das Mindestabstandsgebot für Spielhallen seien mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abweichung vom gesetzlichen Mindestabstandsgebot, weil kein atypischer Fall gegeben sei. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
2
Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der – gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden – höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.
3
1. Die von der Klägerin für grundsatzbedeutsam erachtete Frage,
ob für Nordrhein-Westfalen eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende rechtliche Grundlage gegeben ist, auf deren Basis sich die Beklagte die sich aus der beschränkenden Regelung des § 25 Abs. 1 GlüStV (Mindestabstand zwischen Spielhallen) i.V.m. § 16 ff. AG GlüStV NRW ergebende Notwendigkeit der Durchführung eines Auswahlverfahrens zwischen den in Abstandskollision stehenden Spielhallenbetreibern stützen kann,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da die Beschwerdebegründung insoweit keinen bundesrechtlichen Klärungsbedarf erkennen lässt. Daran ändert der Umstand nichts, dass sie einen Verstoß des Berufungsurteils gegen Verfassungsrecht, namentlich den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, geltend macht. Sie rügt lediglich eine Verletzung dieses bundesrechtlichen Grundsatzes, ohne aufzuzeigen, dass dessen Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt wäre, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (vgl. dazu u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 2013 – 9 BN 1.13 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 4 und vom 29. Juni 2015 – 10 B 66.14 – juris Rn. 15).
4
2. Die Klägerin legt auch hinsichtlich der von ihr als grundsatzbedeutsam erachteten sinngemäßen Frage,
ob die Sachkriterien für die Auswahl zur Auflösung von Standortkollisionen zwischen den gesetzlichen Mindestabstand unterschreitenden Spielhallen mindestens in ihren Grundsätzen gesetzlich bestimmt sein müssen,
keinen höchstrichterlichen Klärungsbedarf dar. Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht in seinem von der Klägerin zitierten Beschluss vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – (BVerfGE 145, 20 Rn. 181 ff.) hinreichend geklärt. Danach verstößt das Fehlen von gesetzlichen Kriterien für die bei der Wiedererteilung von Erlaubnissen zu treffende Auswahl unter Spielhallen mit nach Ablauf der Übergangsfrist erloschenen Altgenehmigungen, die zueinander den gesetzlichen Mindestabstand nicht einhalten, dann nicht gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, wenn der Eingriff in die Berufsfreiheit durch eine Übergangsfrist und die Möglichkeit einer Härtefallbefreiung vom Mindestabstandserfordernis abgemildert ist und nur eine bestimmbare Anzahl von Bestandsspielhallen betrifft (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017, a.a.O. Rn. 183). Der Gesetzgeber kann die Bewältigung der vielgestaltigen Auswahlkonstellationen anhand sachgerechter Kriterien den zuständigen Behörden überlassen, da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung soweit ersichtlich nur ein geringes Mehr an Bestimmtheit und Rechtsklarheit schaffen könnte. Auch soweit eine Vielzahl von Konkurrenzsituationen aufgelöst werden muss, erfordert der Vorbehalt des Gesetzes daher jedenfalls derzeit keine ausdrückliche gesetzgeberische Festlegung der maßgeblichen Auswahlparameter. Insofern gebietet es die ohnehin geforderte Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Positionen der Spielhallenbetreiber auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, dass die zuständigen Behörden sich eines Verteilmechanismus bedienen, der die bestmögliche Ausschöpfung der bei Beachtung der Mindestabstände verbleibenden Standortkapazität in dem relevanten Gebiet ermöglicht (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017, a.a.O. Rn. 185).
5
Über diese Grundsätze hinausgehenden Klärungsbedarf lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen. Ein solcher Bedarf kann insbesondere nicht aus den von der Klägerin geltend gemachten Unterschieden zwischen den landesrechtlichen Regelungen in Nordrhein-Westfalen und den vom Bundesverfassungsgericht bewerteten Regelungen im Saarland abgeleitet werden. Diese betreffen nicht die Auslegung des revisiblen Bundesrechts, auf welche der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung zielt.
6
Gleiches gilt, soweit die Klägerin die Unionsrechtswidrigkeit der in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelungen zur Auswahlentscheidung zwischen Spielhallenstandorten geltend macht, die wegen Nichteinhaltung des Mindestabstandes untereinander kollidieren. Klärungsbedarf hinsichtlich des von ihr angeführten Maßstabes der unionsrechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, sondern rügt lediglich eine angeblich fehlerhafte Anwendung revisiblen Rechts durch das Berufungsgericht, die eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht rechtfertigen kann.
7
3. Auch der mit der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Frage,
ob dem Gesetzesvorbehalt für Folgeanträge einer maximal bis zum 30. Juni 2021 befristeten Erlaubnis durch einen Verweis auf eine Übergangsregelung Genüge getan werden kann,
kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil der Klägerin für ihre hier streitgegenständliche Spielhalle zuletzt lediglich eine nach § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2012 bis zum 30. Juni 2017 geltende Erlaubnis nach § 33i GewO und danach keine befristete Erlaubnis erteilt worden war.
8
4. Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt auch nicht mit Blick auf die von der Klägerin formulierte Frage in Betracht,
ob ein rechtswidriges Auswahlverfahren durch Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt auf die Erlaubnispflicht für Spielhallen selbst durchschlägt.
9
Auch sie wäre im angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Das Berufungsurteil nimmt keine Rechtswidrigkeit des von der Beklagten durchgeführten Auswahlverfahrens an und verhält sich deshalb nicht zu der Frage, welche Auswirkungen eine solche auf die Vereinbarkeit des Erlaubnisvorbehalts für Spielhallen mit höherrangigem Recht hätte.
10
5. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache schließlich nicht wegen der von der Klägerin geltend gemachten Abweichung des Berufungsurteils von dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 4. September 2017 (11 ME 330/17) zu. Die Abweichung der Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts von der Rechtsprechung eines anderen Oberverwaltungsgerichts kann zwar grundsätzlichen Klärungsbedarf im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO indizieren (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2019 – 10 B 21.18 – juris Rn. 6), sofern sie dieselbe Norm des revisiblen Rechts betrifft. Das legt die Klägerin mit ihrer Beschwerdebegründung indessen nicht dar. Sowohl das Oberverwaltungsgericht Lüneburg als auch das Berufungsgericht haben ihrer Entscheidung den bundesrechtlichen Maßstab des Gesetzesvorbehalts aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 u.a. – (BVerfGE 145, 20 Rn. 182, 185) zugrunde gelegt. Ihre unterschiedliche Bewertung der Vereinbarkeit des jeweiligen irrevisiblen Landesrechts mit diesem Maßstab des revisiblen Rechts verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen ist das Berufungsgericht auch nicht von einer mit der niedersächsischen Rechtslage vergleichbaren landesrechtlichen Regelung ausgegangen. Es hat dem nordrhein-westfälischen Landesrecht hinreichende Auswahlkriterien bei kollidierenden Spielhallenstandorten sowie die Möglichkeit entnommen, eine Amortisierung von im Vertrauen auf den Bestand einer gewerberechtlichen Erlaubnis getätigten Investitionen zu berücksichtigen, die das Oberverwaltungsgericht Lüneburg für das dortige Landesrecht verneint hatte (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 4. September 2017 – 11 ME 330/17 – NVwZ 2017, 1552 Rn. 16 ff., 19).
11
6. Soweit die Klägerin rügt, das Auswahlverfahren der Beklagten verletze das unionsrechtliche Transparenzgebot, erschöpft sich ihr Vortrag in der Kritik der davon abweichenden materiell-rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts, ohne (ggf. erneuten oder weitergehenden) rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich des von diesem angewandten unionsrechtlichen Maßstabes aufzuzeigen.
12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht vorliegend nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene zu 1 mit ihrem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, keine Ausführungen zur Sache gemacht hat (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 17. Februar 1993 – 4 C 16.92 – juris Rn. 3 und vom 24. Juli 1996 – 7 KSt 7.96 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 31 S. 7) und die Beigeladene zu 2 keinen Antrag gestellt hat.
13
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben