Europarecht

B 7/14 AS 391/21 B

Aktenzeichen  B 7/14 AS 391/21 B

Datum:
29.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2022:290322BB714AS39121B1

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb darüber ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
2
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision ua dann zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 – 8 BU 64/75 – SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist – auch für die Rüge einer Gehörsverletzung, die im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 547 ZPO) – aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung, ausgehend von der Rechtsansicht des LSG, auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (zu den Anforderungen vgl etwa BSG vom 3.12.2015 – B 4 AS 169/15 B – juris RdNr 9 mwN).
3
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht, soweit der Kläger behauptet, die unterlassene Beiladung des Sozialhilfeträgers stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Es lässt sich aus den Ausführungen des Klägers nicht erkennen, dass die Entscheidung des LSG hierauf beruht. Der Kläger trägt schon keine Tatsachen vor, aus denen sich eine Leistungspflicht des SGB XII-Leistungsträger ergeben könnte. Es fehlt an der substantiierten Darstellung des Streitgegenstandes des Verfahrens, sodass bereits unklar bleibt, um welche Ansprüche nach dem SGB II überhaupt gestritten wird, aus welchen Gründen im Einzelnen solche Ansprüche abgelehnt worden sind und warum ein Anspruch auf eine Sozialhilfeleistung nach dem SGB XII in Betracht kommen sollte (vgl zum geforderten substantiierten Vorbringen BSG vom 7.1.2020 – B 14 AS 154/19 B – juris RdNr 8; BSG vom 8.10.2020 – B 8 SO 50/19 B – juris RdNr 8; BSG vom 9.11.2021 – B 4 AS 258/21 B – juris RdNr 3). Allein die der Beschwerdebegründung zu entnehmende Behauptung, wenn das beklagte Jobcenter für die Erbringung der Leistungen (welcher?) nicht zuständig sei, dann müsse der SGB XII-Leistungsträger beigeladen werden, reicht insoweit nicht.Der Beschwerdebegründung können auch keine Ausführungen dazu entnommen werden, dass ein Fall der notwendigen Beiladung iS des § 75 Abs 5 SGG vorliege. Das Vorbringen des Klägers ist zwar wohl in diesem Sinne zu verstehen. Allerdings beschränkt sich sein Vortrag insoweit auf eine Behauptung dessen und Erläuterungen zum Sinn und Zweck des § 75 Abs 5 SGG. Entsprechende substantiierte Ausführungen zu den Voraussetzungen der notwendigen Beiladung wären aber schon deshalb geboten gewesen, weil nur eine unterbliebene notwendige Beiladung einen Verfahrensmangel darstellt, der die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG eröffnet und auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist (BSG vom 10.4.2017 – B 6 KA 22/17 B – juris RdNr 6 mwN; BSG vom 18.7.2017 – B 13 R 110/17 B – juris; BSG vom 21.12.2020 – B 13 R 253/19 B – juris RdNr 13). Das Unterlassen einer einfachen Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG stellt hingegen grundsätzlich keinen Verfahrensmangel im vorgenannten Sinne dar (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 75 RdNr 8b mwN).
4
An hinreichend substantiiertem Vortrag fehlt es zudem im Hinblick auf die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs. Der Kläger trägt zwar vor, das LSG habe seinen Antrag, ihm zu gestatten, an der für den 16.11.2021 terminierten mündlichen Verhandlung nach § 110a SGG von einem anderen Ort als dem Sitzungssaal des LSG aus teilzunehmen, ohne jede Begründung und ohne jedes Ermessen mit Beschluss vom 10.11.2021 abgelehnt. Auch legt er in der Beschwerdebegründung seine Beweggründe für einen Antrag auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort dar. Damit bezeichnet der Kläger den Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs jedoch nicht hinreichend. Es mangelt bereits an Vorbringen, was er zur Begründung seines Antrags vorgebracht hat und zur sonstigen Prozessgeschichte in diesem Zusammenhang. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. “Bezeichnet” ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn vereinzelt Sachverhaltselemente herausgegriffen, sondern nur dann, wenn die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die geltend gemachten Tatsachen – ihre Richtigkeit unterstellt – es als möglich erscheinen lassen, dass das Urteil darauf beruht (BSG vom 29.9.1975 – 8 BU 64/75 – SozR 1500 § 160a Nr 14 – juris RdNr 3; s auch BSG vom 10.10.2017 – B 13 R 234/17 B – juris RdNr 5).
5
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
                S. Knickrehm                Neumann                Siefert


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