Europarecht

VI ZB 97/19

Aktenzeichen  VI ZB 97/19

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:160321BVIZB97.19.0
Normen:
§ 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO
Spruchkörper:
6. Zivilsenat

Leitsatz

Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung (hier: Abweisung einer Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 26. September 2019, Az: 1 U 3156/19vorgehend LG München I, 13. Mai 2019, Az: 15 O 17917/18

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. September 2019 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt bis 80.000 €.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt von dem beklagten Fahrzeughersteller Schadensersatz wegen eines von ihm im Juli 2015 gebraucht von Dritten erworbenen Kraftfahrzeugs der Marke BMW 640d. Er behauptet, die Abgasreinigung des eingebauten Dieselmotors N 57 sei mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung ausgestattet, und macht geltend, sein Schaden liege bereits im ungewollten Vertragsschluss. Den Kaufvertrag hat der Kläger angefochten.
2
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 73.251 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs, gerichtete Klage abgewiesen. Ansprüche aus unerlaubter Handlung scheiterten daran, dass der Kläger zu einer Täuschung oder zu sittenwidrigem Verhalten der Beklagten nicht hinreichend konkret vorgetragen habe. Es fehle zudem an einem Schaden. Da mit Anfechtung des Kaufvertrags die Wirkungen des Vertrags nach § 142 Abs. 1 BGB ex tunc entfallen seien, sei der zwischen dem Kläger und dem Dritten geschlossene Kaufvertrag rückabzuwickeln. Der Kläger werde damit so gestellt, als wäre der Kaufvertrag nie geschlossen worden. Damit sei ein etwaiger Schaden des Klägers, auch durch den Vertragsschluss selbst, entfallen.
3
Die hiergegen fristgerecht erhobene Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil ihre Begründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
4
Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281, juris Rn. 9 mwN).
5
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Hat das Erstgericht – wie hier – die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2020 – VI ZB 6/20, WM 2020, 2290 Rn. 8; vom 11. Februar 2020 – VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 f.; vom 3. März 2015 – VI ZB 6/14, NZV 2015, 378 Rn. 5 f.; jeweils mwN).
6
2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es vorliegend an einem Angriff gegen die das Urteil des Landgerichts selbständig tragende Erwägung, jedenfalls sei der in dem Vertragsschluss liegende Schaden des Klägers durch die erfolgte Anfechtung des Kaufvertrags rückwirkend entfallen. Die Berufungsbegründung beschränkt sich hinsichtlich der Frage des Schadens auf die Aussage, es dürfte rechtlich eindeutig sein, dass durch den Erwerb einer mangelhaften Sache auch ein Schaden eingetreten sei. Zu der entscheidenden Frage, ob der Schaden durch die Anfechtung rückwirkend entfallen ist, verhält sich die Berufung hingegen nicht.
7
Soweit mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht wird, die Verfahrensrüge – Verletzung der Hinweispflicht – eingangs der Berufungsbegründung sei nicht auf die Ausführungen zur arglistigen Täuschung beschränkt, sondern beziehe sich auf die gesamte Urteilsbegründung und damit auch auf die Schadensproblematik, geht dies fehl. Die Berufungsbegründung befasst sich mit keinem Wort näher mit der Argumentation des Landgerichts zum durch die Anfechtung entfallenen Schaden. Dies gilt auch für die Ausführungen im Rahmen der Verfahrensrüge, die einen konkreten Bezug zu der Urteilsbegründung vermissen lassen. Im Übrigen hat das Landgericht ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2019 einen entsprechenden Hinweis erteilt, sodass es auch von daher fernliegt, dass die Rüge so zu verstehen sein sollte, wie es jetzt mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht wird.
8
Auf die sachliche Richtigkeit der Auffassung des Landgerichts kommt es, wie das Berufungsgericht weiter zutreffend festgehalten hat, insoweit ebenso wenig an wie auf die Frage, ob das Landgericht das Vorliegen einer wirksamen Anfechtung fehlerfrei festgestellt hat. Soweit der Kläger dies in Abrede stellt, hätte es ihm oblegen, hierzu in der Berufungsbegründung vorzutragen.
Seiters     
      
von Pentz     
      
Oehler
      
Klein     
      
Böhm     
      


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