Handels- und Gesellschaftsrecht

Beendigung einer stillen Gesellschaft: Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung von auf ein anderes Beteiligungsprogramm umgebuchten gewinnunabhängigen Ausschüttungen

Aktenzeichen  II ZR 227/15

Datum:
14.3.2017
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:140317UIIZR227.15.0
Normen:
§ 171 Abs 1 HGB
§ 172 Abs 4 HGB
§ 232 Abs 2 HGB
§ 242 BGB
Spruchkörper:
2. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Bonn, 20. Juli 2015, Az: 6 S 61/15, Urteilvorgehend AG Euskirchen, 2. März 2015, Az: 20 C 41/14

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 20. Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Beklagte beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 5. Juni 2003 als atypischer stiller Gesellschafter an der A.           AG & Co. KG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist. Hierzu wählte er das Beteiligungsprogramm “Classic” mit einer Einmaleinlage in Höhe von 5.000 € zuzüglich Agio sowie zusätzlich das Beteiligungsprogramm “Plus” in Höhe von 5.000 € zuzüglich Agio, bei dem die Einzahlungen durch Wiederanlage der Auszahlungen auf das Beteiligungsprogramm “Classic” bis zur Höhe von maximal 100 % der Einmaleinlage erfolgen sollten (“Classic Plus”). Die – im Zeichnungsschein entsprechend angegebene – Gesamtzeichnungssumme betrug 10.000 €. Der Einmaleinlagebetrag von 5.000 € und die beiden Agio-Beträge wurden von dem Beklagten in vollem Umfang eingezahlt.
2
Der atypisch stille Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält u.a. folgende Regelungen:
“§ 3 Einlagen, Abschlussgebühr (Agio), Abtretung der Einlagenforderung
1. Die Gesellschafter leisten die in der Beitrittserklärung vereinbarten Einlagen (Einmaleinlage, Wiederanlage der Auszahlungen [max. 100 % der Einmaleinlage], Rateneinlage). …
2. … Einmalanleger, die in der Beitrittserklärung die Wiederanlage ihrer Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) vereinbart haben, leisten eine jährliche Einlage in Höhe ihrer Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) gemäß § 11 dieses Vertrages. Die Wiederanlage der Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) begründet eine eigenständige bedingte Rateneinlage, die, abhängig von der Höhe der tatsächlichen Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) gemäß § 11 dieses Vertrags, auf max. 100 % der Einmaleinlage begrenzt ist.
… .
§ 4 Gesellschaftskapital, Konten des atypisch stillen Gesellschafters

2. Für jeden Gesellschafter wird bei dem Geschäftsinhaber für jede Einlage ein gesondertes Kapitalkonto geführt, das sich aus folgenden Unterkonten zusammensetzt:
• dem Einlagekonto
• dem Gewinn- und Verlustkonto
sowie
• dem Privatkonto.
Das Einlagekonto, das Gewinn- und Verlustkonto sowie das Privatkonto sind jeweils zum 31. Dezember jeden Jahres miteinander zu verrechnen und ergeben zusammen das Kapitalkonto des Gesellschafters. …
3. Auf dem Einlagekonto werden die Einlagen des einzelnen Gesellschafters verbucht. Dieses Konto ist maßgeblich für die Gewinn- und Verlustbeteiligung des einzelnen Gesellschafters.
4. Auf dem Gewinn- und Verlustkonto werden die dem einzelnen Gesellschafter zugewiesenen Gewinn- und Verlustanteile gebucht.
5. Auf dem Privatkonto werden die Agioforderungen und Agiozahlungen sowie die Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) gemäß § 11 dieses Vertrags gebucht.
§ 6 Gesellschaftsbeschlüsse

3. Ist Gegenstand der Beschlussfassung

g) die Auflösung der Gesellschaft
… so bedarf der Gesellschafterbeschluss einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen. …
§ 9 Beteiligung am Vermögen (Auseinandersetzungswert)
1. Die Gesellschafter erhalten im Falle ihres Ausscheidens oder bei Liquidation des Unternehmens des Geschäftsinhabers entsprechend dem Verhältnis ihrer erbrachten Einlagen zum Gesamtbetrag der Einlagen aller Gesellschafter und dem zu diesem Zeitpunkt voll eingezahlten Grundkapital des Geschäftsinhabers einen Anteil an dem seit ihrem Beitritt zu dem Unternehmen des Geschäftsinhabers gebildeten Vermögen einschließlich der stillen Reserven der bilanzierten Wirtschaftsgüter (unter Berücksichtigung eines etwaigen Geschäftswerts). Die Einzelheiten ergeben sich aus den Regelungen in § 16 dieses Vertrages.
2. Weisen die gemäß § 4 dieses Vertrages geführten Konten des einzelnen Gesellschafters bei Ausscheiden auch unter Berücksichtigung der ihm zuzuordnenden stillen Reserven einen Negativsaldo aus, so ist der ausscheidende Gesellschafter verpflichtet, die gemäß § 11 erhaltenen Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) in Höhe des Negativsaldos an die Gesellschaft zurückzuzahlen.
§ 11 Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen)
1. Diejenigen Gesellschafter, die ihre Einlagen in Form einer Einmaleinlage erbringen, erhalten jährlich gewinnunabhängige Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) zu Lasten ihres Privatkontos. Hierbei handelt es sich nicht um eine Garantieverzinsung.

3. Auf Antrag, d.h. mit Unterzeichnung der Beitrittserklärung, können die Gesellschafter mit Einmaleinlage von ihrem jeweiligen Auszahlungsrecht in der Form Gebrauch machen, daß ihre Auszahlung (Entnahmen/Ausschüttungen) wiederangelegt wird und damit eine eigenständige bedingte Rateneinlage begründet.
§ 16 Abfindungsguthaben bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft
1. Bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft steht den Gesellschaftern ein Abfindungsguthaben zu. Dieses errechnet sich nach Maßgabe des § 9 dieses Vertrags und den nachstehenden Buchstaben a) bis d) wie folgt:

d) Übersteigen zum Auseinandersetzungsstichtag (vgl. Buchstabe e) dieses Paragraphen) die Verlustanteile und Entnahmen, welche die Gesellschafter während ihrer gesamten Gesellschaftszugehörigkeit erhalten haben, ihren eingezahlten Einlagebetrag (ohne Agio) zuzüglich der ihrem Gewinn- und Verlustkonto gutgeschriebenen Gewinnbeteiligungen, wird der sich insoweit ergebende negative Betrag im Falle des vertragsgemäßen Austritts der Gesellschafter zunächst mit ihrem Auseinandersetzungsanspruch gemäß Buchstabe b) bis zur Höhe des (anteiligen) Auseinandersetzungswerts verrechnet. Sollte danach bei Einmalanlegern ein negativer Betrag verbleiben, kann die Gesellschaft den ausstehenden Betrag maximal bis zur Höhe der empfangenen Auszahlungen (Entnahmen/Ausschüttungen) zurückfordern.”
3
In den Jahren nach seinem Beitritt erhielt der Beklagte aus dem Beteiligungsprogramm „Classic“ gewinnunabhängige Ausschüttungen in Höhe von 791,67 € zugewiesen, die zu Lasten seines Privatkontos in dieser Anlage verbucht, vertragsgemäß aber nicht an ihn ausgezahlt sondern unmittelbar in sein Einlagekonto im Rahmen der “Plus”-Beteiligung umgebucht wurden.
4
Am 11. Dezember 2009 beschlossen die stillen Gesellschafter, die stille Gesellschaft zum 15. Dezember 2009 zu “liquidieren”.
5
Die Klägerin nimmt den Beklagten gestützt auf § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 d GV auf Rückzahlung des Ausschüttungsbetrages von 791,67 € nebst Zinsen in Anspruch.
6
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihren Zahlungsanspruch weiterverfolgt.


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