Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Auslegung, Vertrag, Befristung, Beendigungszeitpunkt, Abmahnung, Zeitpunkt, Formunwirksamkeit, Teilurteil, Ablauf, Zugang, Schriftsatz, Pflichtverletzung, Auflage, Bundesrepublik Deutschland, wichtiger Grund, widerrechtliche Drohung

Aktenzeichen  7 U 2746/20

Datum:
6.4.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 7942
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

14 HK O 570/20 2020-03-09 TeU LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Teilurteil des Landgerichts München I vom 09.03.2020, Az. 14 HK O 570/20, in Ziffer 1 seines Tenors dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis auf Basis des Internationalen Agenturvertrages vom 15.12.2009 nebst den hierzu vereinbarten Nachträgen vom 28.09.2010 und 18.12.2017 bis zum Ablauf des 31.01.2020 fortbestand, und die darüber hinausgehende Zwischenfeststellungsklage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der landgerichtlichen Schlussentscheidung vorbehalten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten um den Beendigungszeitpunkt eines Handelsvertretervertrages.
Die Parteien schlossen am 15.12.2009 den „Internationale(n) Agenturvertrag“ gemäß Anl. K 1 (im Folgenden als IAV abgekürzt). Dieser Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:
„1. Zone und Produkte
1.1 Der Geschäftsherr beauftragt den Agenten, der den Auftrag annimmt, als sein Handelsvertreter den Verkauf der in Anlage I § 1 angegebenen Produkte in der in Anlage I § 2 angegebenen Zone an die in Anlage II genauer angegebenen Kunden zu fördern.
(…)
12. Ausschließlichkeit
12.1 Der Geschäftsherr verpflichtet sich, während der gesamten Dauer dieses Vertrages, ohne Absprache mit dem Agenten, keinem Dritten das Recht zu gewähren, die Produkte zu vertreten oder zu verkaufen.
(…)
17. Vertragsdauer
17.1 Der vorliegende Vertrag ist unbefristet und tritt am 01.10.2009 in Kraft.
17.2 Der Vertrag kann von beiden Seiten im ersten Jahr mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten gekündigt werden. Ab dem zweiten Jahr gilt eine Kündigungsfrist von 6 Monaten.
Die Mitteilung der Vertragsauflösung muss schriftlich auf eine Weise erfolgen, die eine Bestätigung und das Datum des Empfangs einschließt (z.B. Einschreiben mit Rückschein, Telex, Kurier). Der Ablauf der Kündigungsfrist hat mit dem Ende eines Kalendermonats zusammenzufallen.
(…)
19. Vorzeitige Auflösung
19.1 Im Fall von wesentlicher Nichterfüllung der Gegenpartei oder aus außerordentlichen Gründen, die eine vorzeitige Auflösung rechtfertigen, kann jede Partei diesen Vertrag mit sofortiger Wirkung durch eine schriftliche Mitteilung an die Gegenpartei, die auf eine Weise erfolgen muss, die den Beleg und das Datum des Erhalts der Mitteilung gewährleistet (z.B. Einschreibebrief mit Rückschein, Telex, Eilbote) auflösen.“
Anlage I § 2 zum IAV lautete:
„§ 2 Zone Deutschland“
Am 28.09.2010 änderten die Parteien den IAV durch die Vereinbarung laut Anl. B 2 ab.
Am 18.12.2017 übermittelte die Beklagte der Klägerin folgendes Schreiben (Anl. K 2).
„Dear Mr. M., We refer to the agency agreement in force between the parties, dated 15th December 2009. As agreed, the clause 17.1 is modified as follows:
„17.1 Der vorliegende Vertrag tritt am 01.10.20019 [sic] in Kraft und endet am 31.12.2020; die Parteien werden sich bis zum 30.06.2020 treffen, um die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu besprechen. Sollte dieses Treffen nicht zeitgerecht durchgeführt werden, verlängert sich der Vertrag auf unbestimmte Zeit.“
All the other contractual provisions are unchanged and will remain in force.“
Die Klägerin unterzeichnete das Schreiben am selben Tag.
Mit Schreiben vom 31.07.2019 laut Anl. K 3, das der Klägerin als Einschreibebrief (“registered letter“) und vorab als Email zuging, kündigte die Beklagte den IAV zum 01.02.2020 gemäß Ziffer 17.2 IAV. Für den Zeitraum ab dem 01.02.2020 schloss die Beklagte einen Vertriebsvertrag mit der Firma G. T. GmbH.
Der Geschäftsführer der Klägerin weigerte sich, den Vertriebsleiter der Beklagten S. an einem am 05.11.2019 stattfindenden Verkaufsmeeting mit dem Kunden R. teilnehmen zu lassen. Deswegen mahnte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 11.11.2019 laut Anl. B 21 ab. Der Vertriebsleiter der Beklagten hätte in dem Meeting die Kundin R. darauf hinweisen wollen, dass das Handelsvertreterverhältnis mit der Klägerin zum 31.01.2020 enden werde.
Am 27.11.2019 schlossen die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung (zu Bl. 7 d.A.), wonach „(F)ür alle Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit dem Internationalen Agenturvertrag zwischen den Parteien vom 15.12.2009, insbesondere für die streitige Auseinandersetzung über die Feststellung des Fortbestands des Vertragsverhältnisses, (…) soweit nicht gesetzlich zwingend etwas anderes bestimmt ist, der Gerichtsstand Landgericht München I vereinbart“ ist.
Am 18.12.2019 fand ein Meeting mit einer Kundin der Beklagten, der H. Gastronomie-Service GmbH statt, an der für die Klägerin deren Geschäftsführer M. und für die Beklagte u.a. deren Vertriebsleiter S. teilnahmen. In dem Meeting wurde hinsichtlich eines von der Beklagten hergestellten, von H. unter einer Eigenmarke vertriebenen Gebäcks mit Cremefüllung (“Crisp & Creamy“) die Weiterentwicklung des Produkts durch die Einführung weiterer Cremegeschmacksrichtungen erörtert. Eine derartige Ergänzung der Cremegeschmackspalette war in der Vergangenheit schon seit 2013 diskutiert worden. Die früheren Vertriebsleiter der Beklagten hatten eine solche aber aufgrund der hohen inmitten stehenden Mindestproduktionsmengen als problematisch angesehen. Als der nunmehrige Vertriebsleiter der Beklagten S. die neuen Geschmacksrichtungen in dem Meeting vorstellte, wies der Geschäftsführer der Klägerin darauf hin und schlug vor, die Machbarkeit einer Ergänzung der Cremepaletten erst noch intern zu klären und zu diskutieren. Nachdem die Kundin auf Frage der Beklagten, ob sie ihr Warenmuster zusenden könne, bejahend geantwortet hatte, wandte der Geschäftsführer der Klägerin ein, dass dies über die Klägerin erfolgen müsse.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.12.2019 laut Anl. K 15 kündigte die Beklagte den IAV außerordentlich fristlos, da aufgrund des Verhaltens des Geschäftsführers der Klägerin in dem Meeting mit der Kundin H. Gastronomie-Service GmbH am 18.12.2019 das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien dauerhaft zerrüttet sei.
Die Klägerin behauptete, die ordentliche Kündigung vom 31.07.2019 sei unwirksam, da der IAV befristet sei, weshalb eine ordentliche Kündigung während der Vertragslaufzeit ausgeschlossen sei.
Die außerordentlich fristlose Kündigung vom 27.12.2019 sei unwirksam, da ein wichtiger Grund nicht vorläge.
In dem Meeting vom 18.12.2019 habe sich der Geschäftsführer der Klägerin völlig korrekt verhalten. Die Intervention hinsichtlich der Übersendung von Warenmustern an die Kundin H. direkt durch die Beklagte sei Ausfluss der bisherigen Praxis der Parteien gewesen, wonach Warenmuster an die Firma H. über die Klägerin versandt worden seien, da die Firma H. nicht über die erforderliche IFS-Zertifizierung verfügt habe. Von einem Risiko, die Beklagte könne durch das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin die Firma H. als Kundin verlieren, könne daher nicht die Rede sein.
Die Beklagte habe auch keine fälligen Zahlungen an die Beklagte zurückgehalten. Zum einen sei hinsichtlich der Lieferrechnungen der Beklagten ein Zahlungsziel von 60 Tagen vereinbart. Zum anderen sei die Klägerin nach der Vertragspraxis der Parteien berechtigt gewesen, von den der Beklagten geschuldeten Rechnungsbeträgen Provisionen und Fixprovisionen in Abzug zu bringen. Insoweit sei die Klägerin auch nicht von der Beklagten abgemahnt worden.
Darüber hinaus habe sich die Beklagte selbst massiv vertragsuntreu verhalten.
Die Klägerin beantragte,
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis auf Basis des Internationalen Agenturvertrages vom 15.12.2019 nebst den hierzu vereinbarten Nachträgen vom 28.09.2010 und 18.12.2017 sowie 20.06.2019 bis zum Ablauf des 31.12.2020 mit der Maßgabe fortbesteht, dass die Beklagte neben der Klägerin keine weiteren Vertriebsvermittler für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestellen darf und auf Basis ihrer Zusage vom 20.06.2019 einen zusätzlichen Fixkostenbetrag in Höhe von 2.500,00 und auf die vermittelten Geschäfte der Klägerin einen Provisionssatz von 3,5 anstatt 2% (ab 01.07.2019) schuldet.
Die Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
Die Beklagte erwiderte, dass ein wichtiger Grund für die außerordentlich fristlose Kündigung des IAV vorgelegen habe.
In dem Meeting mit der Kundin H. am 18.12.2019 habe sich der Geschäftsführer der Klägerin in höchstem Maße geschäftsschädigend verhalten. So habe er sich nicht aktiv in dieses wichtige Meeting eingebracht, sondern sich unbeteiligt gegeben. Bei der Vorstellung neuer Produkte durch den Vertriebsleiter der Beklagten S. habe er nur zu Boden geschaut, sich die Fingernägel gereinigt und sogar gerülpst. Dies habe dazu geführt, dass sich die Kundin sichtlich unwohl gefühlt habe. Durch die in dem Meeting von Seiten des Geschäftsführers der Klägerin geäußerten Zweifel an der Lieferfähigkeit der Beklagten hinsichtlich neuer Geschmacksrichtungen des Produkts „Crisp & Creamy“ sowie des Einwands hinsichtlich der Übersendung von Warenproben seien die Autorität und das Ansehen der Beklagten gegenüber ihrer Kundin untergraben worden.
Darüber hinaus sei das Vertrauensverhältnis der Parteien auch dadurch geschädigt, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Mitarbeiter der Beklagten mit Emails überhäuft und hierdurch die Tätigkeit des Vertriebsleiters der Beklagten wesentlich eingeschränkt habe.
Darüber hinaus habe der Geschäftsführer der Klägerin dem Vertriebsleiter der Beklagten mit dem Verlust von dessen Arbeitsplatz gedroht, da ohne die Tätigkeit der Klägerin ein Vertrieb in Deutschland nicht mehr aufrecht zu erhalten sei und sodann seine Tätigkeit als Vertriebsleiter überflüssig werde.
Schließlich habe die Klägerin mehrfach unberechtigterweise Zahlungen zurückgehalten.
Mit Teilurteil vom 09.03.2020, Az. 14 HK O 570/20, stellte das Landgericht München I fest, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis auf Basis des Internationalen Agenturvertrages vom 15.12.2019 nebst den hierzu vereinbarten Nachträgen vom 28.09.2010 und 18.12.2017 sowie 20.06.2019 bis zum Ablauf des 31.12.2020 mit der Maßgabe fortbestehe, dass die Beklagte neben der Klägerin keine weiteren Vertriebsvermittler für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestellen dürfe.
Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass das Vertragsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung vom 31.07.2019 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 27.12.2019 beendet worden sei.
Die ordentliche Kündigung vom 31.07.2019 sei unwirksam, da die Parteien in der Nachtragsregelung vom 18.12.2017 eine Vertragslaufzeit bis jedenfalls 31.12.2020 vereinbart hätten. Dies schließe eine vorherige ordentliche Kündigung aus (LGU S. 5 unten / 6 oben).
Auch die außerordentliche Kündigung vom 27.12.2019 habe den Vertrag nicht beendet. Die außerordentliche Kündigung vom 27.12.2019 sei nämlich bereits formunwirksam, da sie per Telefax und auf dem normalen Postwege übersandt worden sei. Dies entspreche jedoch nicht den im Vertrag vereinbarten Anforderungen an eine beweissichere Übermittlung der Kündigungserklärung (LGU S. 6 unten / 7 oben). Gleiches gelte für die Übermittlung per Email. Einen Zugang durch Boten habe die Beklagte nicht vorgetragen (LGU S. 7).
Die außerordentliche Kündigung vom 27.12.2019 sei aber auch inhaltlich unwirksam. Das von der Beklagte behauptete geschäftsschädigende Verhalten der Klägerin (u.a. Rülpsen und Reinigen der Fingernägel während einer Besprechung mit einem Kunden der Beklagten, mangelnde Unterstützung neuer Produkte und Konzepte der Beklagten) reiche – unterstellt die Behauptungen der Beklagten träfen zu – als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht aus. Hierbei sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung selbst in erheblicher Weise gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe, da sie eine unwirksame ordentliche Kündigung ausgesprochen und Verhandlungen mit einem neuen Vertriebspartner (der Firma G. T. GmbH) aufgenommen habe (LGU S. 7). Solche Verhandlungen seien der Beklagten aber aufgrund der im Vertrag enthaltenen Exclusivitätsklausel versagt. Sollte sich die Klägerin in dem Kundenmeeting nicht aktiv eingebracht haben, sondern sich unbeteiligt gegeben habe, wäre dies jedenfalls auf die unberechtigte ordentliche Kündigung der Beklagten zurückzuführen. Das behauptete Reinigen der Fingernägel sowie das Rülpsen seien im Übrigen schon nicht konkret genug vorgetragen (LGU S. 8).
Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Teilurteils wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klageabweisungsziel vollumfänglich weiter. Sie rügt u.a., dass das Landgericht zu Unrecht von einer Formunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 27.12.2019 ausgegangen sei. Diese sei nämlich unstreitig auch per Boten übermittelt worden. Die zudem erfolgte Übermittlung per Email sei ebenfalls ausreichend. Darüber hinaus habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass die formgemäße Übermittlung der Kündigung keine Wirksamkeitsvoraussetzung sei. Vielmehr solle damit nur der Zugang der Erklärung sichergestellt werden. Der Zugang sei aber zwischen den Parteien unstreitig.
Die außerordentliche Kündigung sei auch nicht materiell unwirksam gewesen. Die Beklagte ihrerseits habe sich vertragskonform verhalten. Sie habe zum Zeitpunkt der Kündigung keinerlei vertragliche Vereinbarungen mit einem anderen Handelsvertreter im Vertragsgebiet unterhalten und damit nicht das Exclusivitätsrecht der Klägerin verletzt. Das Führen von Gesprächen sei nicht verboten, solange kein kollidierendes Vertragsverhältnis eingegangen werde. Die ordentliche Kündigung sei wirksam gewesen. Aus diesem Grund sei die vom Landgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerhaft. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses durch die Beklagte habe aufgrund des inakzeptablen und geschäftsschädigenden Verhaltens des Geschäftsführers der Klägerin in dem Meeting vom 18.12.2019 vorgelegen.
Im Übrigen würde das Fehlen eines wichtigen Grundes für die außerordentliche Kündigung nur zu einer Umdeutung der Kündigung vom 27.12.2019 in eine ordentliche führen. Die Befristung des Vertragsverhältnisses auf den 31.12.2020 durch die Nachtragsvereinbarung vom 18.12.2017 schließe eine ordentliche Kündigung nicht aus, da auch ein befristetes Vertragsverhältnis mit einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit versehen werden könne. Die Ermöglichung einer ordentlichen Kündigung entspreche auch dem Parteiwillen, da Ziffer 17.2 des Vertrages vom 15.12.2009, der eine ordentliche Kündigung vorsehe, ausdrücklich durch die Nachtragsvereinbarung vom 18.12.2017 nicht geändert werden sollte.
Bei dem Urteil des Landgerichts handle es sich um ein unzulässiges Teilurteil, da die darin entschiedene Frage der Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 27.12.2019 bzw. 31.01.2020 auch für den weiteren Klageantrag von Bedeutung sei.
Das Landgericht habe darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht seine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO verletzt. So habe es auf eine Formunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 27.12.2019 abgestellt, obwohl eine solche von den Parteien nicht thematisiert worden sei. Darüber hinaus hätte das Landgericht der Beklagten die von ihr in der mündlichen Verhandlung beantragte Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 11.02.2020 und 04.03.2020 gewähren müssen.
Die Beklagte beantragt daher:
Das am 09.03.2020 verkündete Teilurteil des Landgerichts München I, Az. 14 HK O 570/20 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Die Beklagte sei schon aufgrund ihrer eigenen mangelnden Vertragstreue nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen. Denn sie habe die über den 01.02.2020 fortdauernden Exclusivitätsrechte der Klägerin beharrlich geleugnet und einen neuen Vertriebsvermittler installiert. Bereits im Herbst 2019 habe die Beklagte feste Abreden mit der Firma G. T. GmbH getroffen.
Selbst wenn man – wie nicht – die von der Beklagten behaupteten Verhaltensweisen des Geschäftsführers der Klägerin als wahr unterstelle, wäre in Anbetracht der langjährigen beanstandungsfreien Vertragsdauer vor der außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen. Im Übrigen habe der Geschäftsführer der Klägerin auch bei dem Gespräch mit der Firma H. die Interessen der Beklagten bestmöglich gewahrt und zu keinem Zeitpunkt die Leistungsfähigkeit und -willigkeit der Beklagten in Frage gestellt.
Eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung ändere am Ergebnis nichts. Denn nach dem Willen der Parteien solle eine Kündigung erst für die Zeit nach dem 31.12.2020 zulässig sein.
Der Senat hat am 06.04.2022 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.04.2022, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als nur festzustellen war, dass das Vertragsverhältnis der Parteien bis zum Ablauf des 31.01.2020 fortbestand. Insoweit als das Landgericht in seinem angegriffenen Urteil darüber hinausgehend feststellte, dass das Vertragsverhältnis der Parteien bis zum 31.12.2020 fortbestehe, war das landgerichtliche Urteil deshalb aufzuheben und der Feststellungsantrag der Klägerin zurückzuweisen. Insoweit als mit der Berufung darüber hinausgehend die vollständige Abweisung des Feststellungsantrags verfolgt wurde, blieb die Berufung ohne Erfolg und war sie zurückzuweisen.
I.
Das landgerichtliche Urteil war nicht schon deshalb aufzuheben, weil es sich dabei um ein nach § 301 ZPO unzulässiges Teilurteil gehandelt hätte. Zwar darf ein Teilurteil nur erlassen werden, wenn die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Jedoch kann dahinstehen, ob – wie von der Berufung vorgetragen (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 09.07.2020, S. 30, Bl. 154 d.A.) – die im landgerichtlichen Urteil entschiedene Frage des Beendigungszeitpunkts des Handelsvertreterverhältnisses auch für den Klageantrag, über den vom Landgericht noch nicht entschieden wurde, von Relevanz ist und deshalb im streitgegenständlichen Fall die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht, da eine solche Gefahr – sollte sie bestehen – gerade dadurch beseitigt werden kann, dass über eine vorgreifliche Vorfrage ein Zwischenfeststellungsurteil gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ergeht (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 223/11, Rdnr. 20).
Um ein solches Zwischenfeststellungsurteil, das ein Teilurteil ist (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 – IX ZR 162/04, Rdnr. 7 und Greger in Zöller, ZPO, 34. Auflage, Köln 2022, Rdnr. 31 zu § 256 ZPO), handelt es sich bei dem Urteil des Landgerichts vom 09.03.2020.
Die Zwischenfeststellungsklage ist nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
Mit der Zwischenfeststellungsklage wird es einem Kläger nach der Rechtsprechung des BGH ermöglicht, neben einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage auch eine solche über nach § 322 Abs. 1 ZPO der Rechtskraft nicht fähige streitige Rechtsverhältnisse herbeizuführen, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Die begehrte Feststellung muss sich allerdings grundsätzlich auf einen Gegenstand beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Für eine Zwischenfeststellungsklage ist daher grundsätzlich kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt werden. Eine Zwischenfeststellungsklage ist jedoch dann zulässig, wenn mit der Hauptklage mehrere selbständige Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis verfolgt werden, mögen sie auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus ihm überhaupt ergeben können (BGH, Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 223/11, Rdnr. 19).
Entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.03.2022, S. 18) müssen sich diese selbständigen Ansprüche auch nicht in Form von Klage und Widerklage gegenüberstehen. Für die Zwischenfeststellungsklage genügt nämlich schon die bloße Möglichkeit, dass das streitige Rechtsverhältnis zwischen den Parteien über den gegenwärtigen Streitstand hinaus Bedeutung gewinnen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.1982 – KZR 5/81, Rdnr. 16, und Urteil vom 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rdnr. 21, wo es nicht um eine Widerklage ging).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da die Klägerin in dem von ihr in erster Instanz neben dem Berufungsverfahren weitergeführten Verfahren ihre Klage mittlerweile um den Antrag auf Feststellung, dass das Vertragsverhältnis der Parteien nicht vor Ablauf des 30.06.2021 geendet sei, sowie um Zahlungsansprüche in Höhe von 554.433,13 € aufgrund ihr für den Zeitraum bis zum 31.12.2020 zustehender Vergütungs- und Auslagenerstattungsansprüche erweitert hat (vgl. Klageerweiterungsschriftsatz des Klägervertreters vom 17.12.2020 laut Anl. BB2).
Entgegen der Ansicht der Beklagten (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.03.2022, S. 18 und 19) ist das Handelsvertreterverhältnis nach dem IAV auch ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis und damit ein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 2 ZPO (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 34. Auflage, Köln 2022, Rdnr. 4 zu § 256 ZPO). Für die Entscheidung über die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in erster Instanz nunmehr rechtshängigen Anträge ist der Beendigungszeitpunkt des Handelsvertreterverhältnisses, der den Gegenstand der Zwischenfeststellungsklage bildet, präjudiziell, da jedenfalls die Höhe der Zahlungsansprüche vom Beendigungszeitpunkt des Handelsvertreterverhältnisses abhängt (vgl. insoweit auch Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, München 2020, Rdnr. 85 zu § 256 ZPO).
Die von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des OLG Schleswig vom 07.12.1989 – 11 U 40/88 zur Unzulässigkeit einer Zwischenfeststellungsklage betrifft eine andere Sachverhaltskonstellation, da es dort gerade nicht – wie hier – um ein präjudizielles Rechtsverhältnis, sondern um die Festschreibung einer anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzung, nämlich des Vorliegens eines arglistigen Verschweigens eines Mangels der Kaufsache, ging.
Eines Feststellungsinteresses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es nicht, da die Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses, das den Streitgegenstand des Zwischenfeststellungsverfahrens bildet, das rechtliche Interesse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO ersetzt (vgl. Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, München 2020, Rdnr. 80 zu § 256 ZPO m.w.N.).
II.
Das zwischen den Parteien bestehende Handelsvertreterverhältnis endete durch die wirksame ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.07.2019 laut Anl. K 3 mit Ablauf des 31.01.2020.
1. Zwar ist der gemäß Ziffer 17.1 IAV in der Fassung vom 15.12.2009 ursprünglich unbefristet geschlossene IAV durch die Vereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 befristet worden, da die Parteien dort regelten, dass der Vertrag grundsätzlich zum 31.12.2020 enden sollte. Da es sich bei einem Handelsvertretervertrag grundsätzlich um einen auf eine Geschäftsbesorgung gerichteten Dienstvertrag handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.12.2013 – XII ZB 534/12, Rdnr. 13), gilt für ihn auch § 620 Abs. 2 BGB, sodass demnach aufgrund der von den Parteien vorgenommenen Befristung eine vorzeitige ordentliche Kündigung grundsätzlich ausscheidet (vgl. Hesse in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, München 2020, Rdnr. 11 zu § 620 BGB). Eine ordentliche Kündigung bleibt jedoch trotz einer Befristung des Vertrages zulässig, wenn die Parteien eine solche Kündigungsmöglichkeit vereinbart haben (vgl. Weidenkaff in Grüneberg, BGB, 81. Auflage, München 2022, Rdnr. 10 zu § 620 BGB). So liegt der Fall hier.
Bei der vorzunehmenden Auslegung folgt der Senat unter Beachtung des Verbots der Buchstabenauslegung nach § 133 BGB dem allgemein anerkannten Interpretationsgrundsatz, dass die Vertragsauslegung in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen hat (BGH, Urteil vom 11.09.2000 – II ZR 34/99, Rdnr. 8).
Der Wortlaut des IAV in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 eröffnet aber ausdrücklich die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung trotz der vorgenommenen Befristung des Vertrages. Der IAV sah schon in seiner ursprünglichen Fassung von 2009 in Ziffer 17.2 Abs. 1 IAV vor, dass er von beiden Seiten ordentlich gekündigt werden könne; im ersten Vertragsjahr mit einer Frist von drei Monaten, ab dem zweiten Jahr mit einer Frist von sechs Monaten. Durch die Vereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 wurde der IAV nur in seiner Ziffer 17.1 geändert. Hinsichtlich Ziffer 17.2 IAV, die die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vorsieht, wurde durch die Vereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 keine Änderung vorgenommen. Vielmehr heißt es dort „All the other contractual provisions are unchanged and will remain in force.“, sodass die Parteien in der Vereinbarung vom 18.12.2017 ausdrücklich ihren übereinstimmenden Willen zum Ausdruck brachten, dass die Änderung von Ziffer 17.1 IAV die einzige Änderung sein solle und die restlichen Vertragsbestimmungen und damit auch Ziffer 17.2 mit der darin enthaltenen Möglichkeit der ordentlichen Kündigung unverändert fortgelten sollten.
2. An diesem Auslegungsergebnis ändert auch die Frage der 2017 von den Parteien vor Abschluss der Änderungsvereinbarung diskutierten Bankfinanzierung der Klägerin nichts. Dass der Geschäftsführer der Klägerin die Beklagte im Jahre 2017 darauf hingewiesen hatte, dass die Klägerin eine Bankfinanzierung in Anspruch nehmen wolle (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 19.11.2019, S. 3 unter Tz 10, Bl. 3 d.A.), ist zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 14.02.2020, S. 14 Tz. 31 und vom 09.07.2020, S. 50, 2. Absatz, Bl. 173 d.A.). Streitig ist insoweit allerdings, ob die Bank der Klägerin die Finanzierung von der Vereinbarung einer Mindestlaufzeit im Handelsvertretervertrag abhängig machte (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 14.02.2020, S. 14 Tz. 32 – 35 und Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.03.2020, S. 7, Bl. 92 d.A.). Selbst wenn man letzteres zu Gunsten der Klägerin unterstellt, ergibt sich in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Vereinbarung vom 18.12.2017, wonach nur Ziffer 17.1 IAV geändert werden sollte, alle anderen Vertragsbestimmungen und damit auch Ziffer 17.2 IAV aber unverändert Bestand haben sollten, entgegen der Ansicht der Klägerin aus der Tatsache der Mitteilung der Klägerin an die Beklagte betreffend die Bankfinanzierung für einen objektiven Dritten nicht „die zwingende Auslegung dahin, dass von den Parteien im Sinne des § 620 BGB eine Kündbarkeit des Vertragsverhältnisses während der Festlaufzeit ausgeschlossen war“ (Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.03.2020, S. 7 vorletzter Absatz, Bl. 92 d.A.). Denn eine Mitteilung der Klägerin an die Beklagte über ihre Verhandlungsgründe und -ziele bedeutet nicht automatisch, dass sich die Klägerin in den Verhandlungen, die der Vereinbarung vom 18.12.2017 vorausgingen, mit ihrem Anliegen einer Mindestlaufzeit (von ca. 3 Jahren) unter Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit auch durchsetzen konnte und deshalb diesem Anliegen von der Beklagten auch entsprochen wurde, obwohl der Wortlaut der Vereinbarung dem ausdrücklich entgegensteht.
3. Dass die Parteien abweichend vom Wortlaut des IAV in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 übereinstimmend eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit ausschließen wollten, hat die Klägerin in erster Instanz zwar pauschal behauptet (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.03.2020, S. 7 vorletzter Absatz aE, Bl. 92 d.A.). Sie hat jedoch nicht – wie für einen hinreichenden Beweisantritt iSd. § 373 ZPO geboten – in erster Instanz die äußeren Umstände dargelegt, die einen Rückschluss auf den vom Wortlaut abweichenden tatsächlichen Willen der Beklagten zulassen sollen, obwohl es sich bei der behaupteten Willensrichtung um einen inneren Vorgang bei dem für die Beklagte bei Abschluss der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 agierenden CEO Flavio Colliva handelt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, Rdnr. 44 und Greger in Zöller, ZPO, 34. Auflage, München 2022, Rdnr. 3 zu § 373 ZPO). Sie hat schließlich in erster Instanz auch keinen Beweis für ihre Behauptung eines vom Wortlaut divergierenden tatsächlichen Willens der Beklagten angeboten.
Auf die diesbezüglichen Rügen der Berufung (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 09.07.2020, S. 26 ff., Bl. 149 ff.) hat die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung (Schriftsatz des Klägervertreters vom 22.07.2020, S. 6 erster Absatz, Bl. 183 d.A.) nunmehr in zweiter Instanz ausgeführt, dass sich der vom Wortlaut des IAV abweichende tatsächliche Willen der Beklagten, eine ordentliche Kündigung bis zum Ablauf der Befristung auszuschließen, aus Anl. B 7 ergebe. Damit hat die Klägerin zwar entsprechend der oben in Bezug genommenen Rechtsprechung des BGH für einen Beweisantritt hinreichend substanziiert vorgetragen, mit der von ihr als Beweis für eine vom Wortlaut abweichende tatsächliche innere Willensrichtung der Beklagten angebotenen Anlage B 7 konnte sie den ihr insoweit obliegenden Nachweis (zur Beweislast vgl. BGH, Urteil vom 11.09.2000 – II ZR 34/99, Rdnr. 10) jedoch nicht zur Überzeugung des Senats führen.
Dass die Beklagte in den im Jahr 2019 erstellten Entwurf einer Änderungsvereinbarung laut Anl. B 7 in Ziffer 17.3 eine Regelung zur ordentlichen Kündigung aufgenommen hatte, obwohl doch jedenfalls nach Ansicht der Beklagten schon der IAV in der bisherigen, das heißt in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 (im Folgenden als IAV 2017 bezeichnet), eine solche Regelung beinhaltet habe, rechtfertigt nämlich nicht den von der Klägerin hieraus gezogenen Schluss, dass der IAV 2017 nach dem wirklichen Willen der Parteien gar keine ordentliche Kündigung vorgesehen habe (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.03.2020, S. 2 und 7 Mitte, Bl. 87 und 92 d.A.). Denn der Entwurf laut Anl. B 7 beinhaltet gegenüber dem IAV 2017 eine Neufassung der gesamten Ziffer 17. So enthielt der Entwurf laut Anl. B 7 eine im IAV 2017 nicht enthaltene Regelung zur automatischen Vertragsverlängerung unter bestimmten Voraussetzungen, sodass die bislang in Ziffer 17.2 IAV enthaltenen Regelungen zur ordentlichen Kündigungen unter Weglassung der Regelung zur ordentlichen Kündigung im ersten, längst vergangenen Vertragsjahr im Entwurf von 2019 in die nächstfolgende neu Ziffer 17.3 wanderten. Die einfache Anordnung einer unveränderten Weitergeltung der Ziffer 17.2 IAV wie in der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 war deshalb nicht möglich. Ein Rückschluss auf die Willenslage der Beklagten bei Abschluss der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 kann daraus jedenfalls nicht gezogen werden.
Unzutreffend ist auch die Erwägung der Klägerin, der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 hätte es gar nicht bedurft, wenn hiermit nicht eine Mindestlaufzeit hätte vereinbart werden sollen (vgl. Berufungserwiderung S. 6, Bl. 183 d.A.). Denn Ziffer 17.1 IAV in der Fassung vom 15.12.2009 einerseits und Ziffer 17.1 IAV in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 1 andererseits enthalten jeweils unterschiedliche Regelungsinhalte. Nach dem ursprünglichen Vertrag war der Vertrag unbefristet, nach der Änderungsvereinbarung endete er hingegen ohne die Notwendigkeit einer Kündigungserklärung automatisch am 31.12.2020, sofern bis zum 30.06.2020 ein Treffen zur Besprechung der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses stattgefunden haben sollte. Nur wenn dieses Treffen nicht bis zum 30.06.2020 stattgefunden haben sollte, sollte der Vertrag auf unbefristete Zeit verlängert werden.
Schließlich lässt sich auch aus dem Entwurf einer Änderungsvereinbarung vom 15.12.2017 laut Anl. B 11 der Ausschluss einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit in der vom Entwurf vom 15.12.2017 abweichenden Änderungsvereinbarung vom 18.12.2017 laut Anl. K 2 nicht entnehmen.
Nach alledem endete das Handelsvertreterverhältnis der Parteien aufgrund der wirksamen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 31.07.2019 mit Ablauf des 31.01.2020.
III.
Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.12.2019 beendete das zwischen den Parteien bestehende Handelsvertreterverhältnis dagegen nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die außerordentliche fristlose Kündigung vom 27.12.2019 den in Ziffer 19.1 IAV stipulierten formellen Anforderungen genügte und formwirksam war, da sie jedenfalls aufgrund des Fehlens eines wichtigen Grundes iSd. § 89a Abs. 1 S. 1 HGB materiell unwirksam war.
1. Ein wichtiger Grund iSd. § 89a Abs. 1 S. 1 HGB liegt vor, wenn dem Unternehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfristen nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 30.01.1986 – I ZR 185/83, Rdnr.). Dabei ist zunächst festzustellen, welche der behaupteten Kündigungsgründe objektiv vorliegen (vgl. Lehmann in BeckOK HGB, 35. Edition, Stand 15.10.2021, Rdnr. 13 zu § 89a HGB m.w.N.).
a. Von den von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründen kommt die Weigerung der Klägerin, den Vertriebsleiter der Beklagten an einem von der Klägerin durchgeführten Verkaufsmeeting mit der Firma R. am 05.11.2019 teilnehmen zu lassen, schon deshalb nicht in Betracht, da dieser Sachverhalt bereits der Abmahnung vom 11.11.2019 laut Anl. B 21 zu Grunde lag und deshalb nicht mehr zur Begründung der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 27.12.2019 herangezogen werden kann. Im Übrigen wäre zwischen dem Vorfall vom 05.11.2019 und dem Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung am 27.12.2019 auch bereits ein zu langer Zeitraum verstrichen.
b. Gestützt werden kann die außerordentliche fristlose Kündigung vom 27.12.2019 auch nicht auf die Behauptung der Beklagten, der Geschäftsführer der Klägerin habe den Vertriebsleiter der Beklagten mit Emails überhäuft und dadurch dessen Tätigkeit wesentlich eingeschränkt. Insoweit fehlt es nämlich in Anbetracht der Behauptung der Klägerin, die Emails hätten der Erfüllung ihrer Berichtspflicht gedient (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.02.2020, S. 7, Bl. 28 d.A.), schon an einem hinreichend konkretisierten Vortrag der Beklagten, um welche Emails in welchem Zeitraum und mit welchem Inhalt es sich dabei gehandelt haben soll und inwieweit der Vertriebsleiter der Beklagten dadurch an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert worden sein soll.
c. Ebenfalls irrelevant wäre die (unterstellte) Äußerung des Geschäftsführers der Klägerin gegenüber dem Vertriebsleiter der Beklagten, ohne die klägerische Vermittlungstätigkeit sei ein Vertrieb in Deutschland nicht aufrechtzuerhalten, sodass die Tätigkeit des Vertriebsleiters überflüssig werde. Diese (unterstellte) Äußerung käme nämlich nur dann als Kündigungsgrund in Betracht, wenn darin eine widerrechtliche Drohung oder Beleidigung zu sehen wäre. Ansonsten würde es sich lediglich um eine zulässige Meinungsäußerung des Geschäftsführers der Klägerin handeln. Eine widerrechtliche Drohung mit einem empfindlichen Übel scheitert aber bereits daran, dass beim Bedrohten (hier unterstellt der Vertriebsleiter der Beklagten) der Eindruck erweckt worden sein muss, dass der Eintritt des Übels (Verlust des Arbeitsplatzes des Vertriebsleiters) vom Willen der Klägerin als Drohender abhängt. Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall, da nicht die Klägerin, die am Fortbestand des Handelsvertreterverhältnisses interessiert war, das Handelsvertreterverhältnis beenden wollte, sondern die Beklagte. Der (unterstellte) Verlust des Arbeitsplatzes des Vertriebsleiters hing damit nicht vom Willen der Klägerin, sondern von dem der Beklagten als Kündigender ab. Einen beleidigenden Charakter der Äußerung hat die Beklagte nicht behauptet; ein solcher wäre auch nicht ersichtlich.
d. Auch die von der Beklagten behauptete Zurückhaltung von Zahlungen durch die Klägerin kann nicht als wichtiger Grund iSd. § 89a Abs. 1 HGB herangezogen werden. Dem Vortrag der Klägerin, Forderungen der Beklagten aus Lieferrechnungen seien im Hinblick auf das vereinbarte Zahlungsziel von 60 Tagen noch nicht fällig gewesen und überdies sei die Klägerin entsprechend der bisherigen vertraglichen Praxis der Parteien berechtigt gewesen, von den Rechnungsbeträgen ihre Provisionen in Abzug zu bringen (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.02.2020, S. 6 letzter Absatz, Bl. 27 d.A.), ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Die Beklagte hat insoweit nur vorgetragen, dass die Klägerin – wie sich aus den Emails laut Anl. B 24 ergebe – mehrfach unberechtigterweise Zahlungen zurückgehalten und die Beklagte auf diesem Weg geschädigt habe (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 14.02.2020, S. 30 vorletzter Absatz, Bl. 58 d.A.). Aus dem Anlagenkonvolut B 24 lässt sich schon nicht entnehmen, um welche Forderungen der Beklagten es dabei geht und auf welchen Lebenssachverhalten sich diese stützten.
e. Schließlich stellt auch die Äußerung des Geschäftsführers der Klägerin in dem Meeting vom 18.12.2019 mit der Firma H., Warenmuster müssten der Kundin über die Klägerin zugesandt werden, jedenfalls keine, eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung der Klägerin dar. Selbst wenn entgegen der von der Beklagten bestrittenen Behauptung der Klägerin (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.02.2020, S. 5 unten, 6 oben, Bl. 26/27 d.A.) ein Versand der Warenproben direkt durch die Beklagte an die Kundin H. zulässig gewesen sein sollte, ist nicht erkennbar, wie dadurch die Geschäftsinteressen der Beklagten in erheblicher Weise beeinträchtigt worden sein sollten. Eine klärende Äußerung des in dem Meeting anwesenden Vertriebsleiters der Beklagten, dass der Versand der Probemuster dennoch durch die Beklagte erfolgen werde, hätte oder hat genügt. Dass die Firma H. die von der Beklagten angebotene Zusendung von Warenproben daraufhin abgelehnt hätte, hat die Beklagte nicht einmal behauptet.
f. Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin ihre Bemühens- und Interessenwahrnehmungspflicht iSd. § 86 Abs. 1 HGB jedoch schuldhaft dadurch verletzt, dass – was aufgrund des eigenen Vortrags der Klägerin unstreitig ist (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.02.2020, S. 5 Mitte, Bl. 26 d.A.) – der Geschäftsführer der Klägerin in der Besprechung mit der Firma H. am 18.12.2019 bei der Vorstellung neuer Geschmacksrichtungen eines von der Beklagten produzierten Gebäcks durch den Vertriebsleiter der Beklagten anregte, die Machbarkeit der vom Vertriebsleiter vorgeschlagenen Ergänzung der Cremepalette erst noch intern zu klären und zu diskutieren, da die Vorgänger des Vertriebsleiters in der Vergangenheit eine solche Ergänzung als problematisch angesehen hätten. Damit äußerte er zwar keine Zweifel am Produkt selbst, jedoch stellte er dadurch gegenüber der Kundin hinsichtlich der vorgestellten neuen Produkte zumindest implizit die Lieferfähigkeit der Beklagten in Frage. Dies widerspricht aber der Pflicht eines Handelsvertreters, sich um die Vermittlung neuer Geschäfte zu bemühen. Wenn die Klägerin Zweifel an der Realisierbarkeit der Erweiterung der Geschmackspalette hatte, so hätte sie diese ohne weiteres gegenüber der Beklagten äußern und ihre Gründe hierfür darlegen können, da der Abschluss nicht erfüllbarer Verträge weder im Interesse des Prinzipals noch des Handelsvertreters liegt. Wenn der Prinzipal aber – wie im streitgegenständlchen Fall – gegenüber Kunden von seiner Lieferfähigkeit ausgeht, dann ist es mit der Bemühens- und Interessenwahrnehmungspflicht des Handelsvertreters unvereinbar, wenn dieser im Beisein des Kunden – wenn auch nur implizit – hieran Zweifel äußert.
2. Diese nach Ansicht des Senats vorliegende Pflichtverletzung der Klägerin führt jedoch auch bei Unterstellung, der Geschäftsführer der Klägerin habe sich bei dem Meeting am 18.12.2019 mit der Firma H. – wie von der Beklagten behauptet – unangemessen benommen (keine aktive Beteiligung am Gespräch, ständiges Zubodenschauen, Fingernägelreinigen und Rülpsen), bei der vorzunehmenden Abwägung des Interesses der Beklagten an einer vorzeitigen Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses mit dem Interesse der Klägerin an dessen Fortsetzung nicht zu einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.
Der Senat verkennt im Rahmen der Abwägung nicht, dass es sich bei der – wenn auch nur impliziten – Bezweifelung der Lieferfähigkeit der Beklagten durch den Geschäftsführer der Klägerin in der Besprechung vom 18.12.2019 (unabhängig vom sonstige streitigen Auftreten des Geschäftsführers der Klägerin) um einen gravierenden Pflichtverstoß handelt, der grundsätzlich geeignet ist, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Senat sieht im Gegensatz zum Landgericht auch keine eigene Vertragsuntreue der Beklagten. Denn entgegen den Mutmaßungen des Landgerichts war – wie oben unter II dargelegt – die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.07.2019 wirksam und hat die Beklagte auch nicht gegen die Ausschließlichkeitsregelung laut Ziffer 12.1 IAV verstoßen. Demnach war sie nämlich nur verpflichtet, „während der gesamten Dauer des Vertrages (…) keinem Dritten das Recht zu gewähren, die Produkte zu vertreten oder zu verkaufen.“ Selbst nach dem eigenen Vortrag der Klägerin begann das Vertriebsverhältnis der Beklagten mit der Firma G. T. GmbH jedoch erst am 01.02.2020 (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.02.2020, S. 3/4, Tz 5 – 7, Bl. 24/25 d.A.) und damit nach Beendigung des IAV infolge der ordentlichen Kündigung vom 31.07.2019. Nach dem Wortlaut von Ziffer 12.1 IAV, der auf die Gewährung von Vertriebsrechten abstellt, nicht aber auf das Verhandeln über die Gewährung derartiger Rechte, war es der Beklagten auch nicht verwehrt, bereits vor dessen Beendigung mit der Firma G. T. GmbH über die Übernahme des Vertriebs für die Beklagte für die Zeit nach Vertragsbeendigung zu verhandeln und einen Vertriebsvertrag für die Zeit nach Beendigung des IAV zu schließen. Eine andere Auslegung wäre auch nicht interessengerecht, da eine solche bedeuten würde, dass die Beklagte erst nach Beendigung des Vertrags am 01.02.2020 Verhandlungen über den Abschluss eines Handelsvertretervertrages mit Dritten hätte aufnehmen können und damit bis zum erfolgreichen Abschluss eines solchen neuen Vertrages im Vertragsgebiet über keinen Vertrieb verfügt hätte.
Ausschlaggebendes Kriterium im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung, das gegen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses im streitgegenständlichen Fall spricht, ist jedoch die äußerst kurze Dauer der restlichen Vertragsbindung. Denn nach der Rechtsprechung des BGH sind im Rahmen der Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses an die Intensität der Vertragsstörung um so höhere Anforderungen zu stellen, je kürzer die Frist bemessen ist, innerhalb derer das Vertragsverhältnis abläuft (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 – VIII ZR 134/99, Rdnr. 34). Im streitgegenständlichen Fall endete – wie oben ausgeführt – das streitgegenständliche Handelsvetreterverhältnis infolge der wirksamen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 31.07.2019 aber bereits mit Ablauf des 31.01.2020. Da somit zwischen dem Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 27.12.2019 und der ohnehin erfolgenden Beendigung des Vertragsverhältnisses damit nur noch fünf Wochen lagen, hätten die (teilweise unterstellten) Pflichtverstöße eine sehr hohe Intensität haben müssen. Dies ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, da diese Pflichtverstöße zum einen nur im Verhältnis zu einer, wenn auch wichtigen Kundin der Beklagten (der Firma H.) erfolgten und zum anderen nicht ersichtlich ist, dass die Geschäftsbeziehung der Beklagten zur Firma H. dadurch einen objektivierbaren Schaden genommen haben. Der von der Beklagten befürchtete Autoritätsverlust bei der Kundin H. reicht hierfür jedenfalls nicht aus.
Im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen waren des Weiteren die bisherige Vertragsdauer von zehn Jahren sowie zu erwartenden Folgen der außerordentlichen Kündigung für die Klägerin, nämlich der Verlust eines etwaigen Handelsvertreterausgleichsanspruchs. Auch diese beiden Erwägungen sprechen gegen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für weitere fünf Wochen (vgl. Ströbl in Münchener Kommentar zum HGB, 5. Auflage, München 2021, Rdnr. 22 zu § 89a HGB).
Aus diesen Gründen wäre die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf des 31.01.2020 der Beklagten im Übrigen auch dann zuzumuten gewesen, wenn die Klägerin den Vertriebsleiter tatsächlich mit Emails überhäuft hätte und Zahlungen unberechtigt einbehalten hätte Schließlich wäre jedenfalls hinsichtlich des Überhäufens mit Emails und des Einbehaltens von Zahlungen eine vorherige Abmahnung der Klägerin erforderlich gewesen, da insoweit eine Abhilfe durch die Klägerin nicht von vorneherein ausgeschlossen war.
Nach alledem endete das streitgegenständliche Handelsvertreterverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.07.2019 mit Ablauf des 31.01.2020. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 27.12.2019 führte zu keiner früheren Vertragsbeendigung.
IV.
Da – wie oben unter III ausgeführt – die Beklagte mit der Firma G. T. GmbH unstreitig ein Vertriebsverhältnis erst für den Zeitraum ab dem 01.02.2020 begründete, der IAV jedoch bereits mit Ablauf des 31.01.2020 beendet war (vgl. oben unter II.), besteht kein Bedürfnis für die beantragte Feststellung, dass das Handelsvertreterverhältnis auf der Basis des IAV mit der Maßgabe fortbestand, dass die Beklagte neben der Klägerin keine weiteren Vertriebsvermittler für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestellen darf.
V.
Der Tenor des landgerichtlichen Urteils war insoweit klarzustellen, als das Landgericht in seinem Urteil nicht – wie man dem insoweit missverständlichen landgerichtlichen Tenor entnehmen könnte – über den Bestand eines zum IAV vereinbarten Nachtrags vom 20.06.2019 entschieden hat. Dieser Nachtrag vom 20.06.2019, dessen Zustandekommen zwischen den Parteien streitig ist, bildete nämlich – wie sich aus dem klägerischen Antrag ergibt – den Teil des Streitstoffes, der in erster Instanz verblieb. Die Klägerin leitet die von ihr behauptete Nachtragsvereinbarung vom 20.06.2019 aus dem Email des Vertriebsleiters der Beklagten vom 20.06.2019 laut Anl. B 19 ab, worin die Beklagte der Klägerin neue, ab 01.07.2019 geltende Vergütungskonditionen, nämlich „Extra 2.500 € for fix costs“ und „3,5% instead of 2% (variable part)“ bestätigt habe. Auf diese Konditionen bezieht sich der zweite Teil des klägerischen Feststellungsantrags, wonach die Beklagte „auf Basis ihrer Zusage vom 20.06.2019 einen zusätzlichen Fixkostenbeitrag in Höhe von 2.500,00 und auf die vermittelte Geschäfte der Klägerin einen Provisionssatz von 3,5 anstatt 2% (ab 01.07.2019) schulde“. Darüber hat das Landgericht ausweislich des Tatbestands und der Entscheidungsgründe, die insoweit keine Feststellungen enthalten, nicht entschieden. Wäre das Landgericht trotz Unterlassens jedweder Feststellungen in seinem Urteil hierzu der Ansicht gewesen, es hätte auch über diesen Teil des klägerischen Antrags entschieden, so wäre die Bezeichnung als Teilurteil und die der Schlussentscheidung vorbehaltene Kostenentscheidung nicht nachvollziehbar. Die Aufnahme der Vereinbarung vom 20.06.2019 in den Urteilstenor durch das Landgericht erfolgte daher offensichtlich irrtümlich. Das Landgericht wollte und hat nur über den Beendigungszeitpunkt des IAV entschieden, nicht aber über die nach dem streitigen Nachtrag vom 20.06.2019 geltenden Vergütungskonditionen.
VI.
Die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen führen zu keinem anderen als dem vom Senat gefundenen Ergebnis.
1. Ob das Landgericht hinsichtlich der Art der Zustellung der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 27.12.2019 – wie die Berufung meint (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 30.04.2020, S. 30 – 36, Bl. 154 – 160 d.A.) – seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO und damit das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzte, kann dahinstehen, da es – wie oben unter III ausgeführt – auf die formelle Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 27.12.2019 nicht ankommt, da diese jedenfalls materiell unwirksam war.
2. Zwar hat das Landgericht das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör dadurch in eklatanter Weise verletzt, dass es, obwohl vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2020 ausdrücklich beantragt (vgl. S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2020, Bl. 102 d.A.), der Beklagtenseite keine Schriftsatzfrist auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 04.03.2020 (Bl. 86/98 d.A.) und vom 11.02.2020 (Bl. 22/29 d.A.) gewährte und sofort entschied. Eine solche Schriftsatzfrist hätte das Landgericht der Beklagten aber auf deren Antrag einräumen müssen, nachdem der Beklagten der Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.02.2020 vom Landgericht überhaupt nicht zugestellt und vom Klägervertreter kollegialiter erst fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2020 überlassen worden war.
Der Senat hat deshalb den Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung, den sie ausweislich der Berufungsbegründung bei Einräumung der gebotenen Schriftsatzfristen durch das Landgericht bereits in erster Instanz erbracht hätte, seiner Entscheidung zu Grunde gelegt.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten festzustellen, dass der IAV mit Ablauf des 31.01.2020 endete.
C.
I.
Die Kostenentscheidung war der landgerichlichen Schlussentscheidung vorzubehalten.
II.
In Ermangelung eines vollstreckungsfähigen Inhalts des Urteils hatte ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit zu unterbleiben.
III.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nicht vorliegt.


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