Handels- und Gesellschaftsrecht

Beschwerde, Gesellschafterversammlung, Widerklage, Gesellschaft, Gesellschafter, Trennung, Nebenintervention, Feststellung, Klage, Verfahren, Organstellung, Aufsichtsrat, Interesse, Rechtsbeschwerde, rechtliches Interesse, sofortige Beschwerde, sofortigen Beschwerde

Aktenzeichen  7 W 578/22

Datum:
2.6.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13414
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

12 HK O 7622/20 2022-03-17 ZwU LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers werden das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 17.03.2022, Az. 12 HK O 7622/20, aufgehoben und die Nebenintervention zurückgewiesen.
2. Die Nebenintervenientin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 53.116,30 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger ist zusammen mit der Nebenintervenientin Gesellschafter der Beklagten, deren Satzung laut Anl. B 3 keine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters und/oder zur Einziehung eines Gesellschaftsanteils enthält. Der Kläger war – jedenfalls bis zum 26.05.2020 – neben Frau A. R. Geschäftsführer der Beklagten. In einer Gesellschaftversammlung der Beklagten am 26.05.2020 wurde Beschluss gefasst u.a. über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten (TOP 1), die außerordentliche fristlose Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages (TOP 2), die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Kläger durch die Beklagte (TOP 9 und 10) und seinen Ausschluss als Gesellschafter der Beklagten (TOP 11).
Mit seiner Klage will der Kläger im streitgegenständlichen Verfahren festgestellt haben, dass die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 26.05.2020 gefassten Beschlüsse nichtig sind.
Die Beklagte macht widerklagend Schadensersatzansprüche gegen den Kläger wegen der Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer der Beklagten geltend und verlangt von ihm deshalb die Zahlung von 53.116,30 € (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 04.05.2021, Bl. 118/126 d.A.).
Die Nebenintervenientin trägt vor, dass sie auf Grund ihrer Gesellschafter- und damit Organstellung in der Beklagten ein rechtliches Interesse daran habe, dass dem Widerklageantrag stattgegeben werde. Der Widerklage lägen im Übrigen die in der Gesellschafterversammlung vom 26.05.2020 zu TOP 8 – 10 gefassten Beschlüsse zu Grunde.
Die Nebenintervenientin erklärte daher mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.05.2021 (Bl. 114/117 d.A.) ihren Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten und kündigte an, im Termin zur mündlichen Verhandlung, sich dem von der Beklagten gestellten Widerklageantrag anzuschließen.
Die Beklagte beantragt,
die Nebenintervention hinsichtlich des Beitritts der Nebenintervenientin zur Widerklage vom 04.05.2021 zurückzuweisen.
Sie erwidert, dass die Nebenintervenientin hinsichtlich der Widerklage nur ein für einen Beitritt nicht hinreichendes wirtschaftliches Interesse habe (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 06.09.2021, S. 10, Bl. 146 d.A.).
Das Landgericht München I hat am 27.01.2022 mündlich verhandelt (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2022, Bl. 164/166 d.A.) und ließ mit Zwischenurteil vom 17.03.2022, Az. 12 HK O 7622/20 (Bl. 188/193 d.A.), das dem Klägervertreter am 18.03.2022 zugestellt wurde, die Nebenintervention hinsichtlich der Widerklage zu. Da die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedürfe, sei durch die streitgegenständliche Widerklage, mit der solche Schadensersatzansprüche gegen den Kläger geltend gemacht würden, die (Mit-)Gesellschafterstellung der Nebenintervenientin zumindest mittelbar betroffen, was ein rechtliches Interesse iSd. § 66 Abs. 1 ZPO begründe.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 31.03.2022 (Bl. 198/202 d.A.), eingegangen beim Landgericht am 31.03.2022, legte der Kläger sofortige Beschwerde gegen das Zwischenurteil vom 18.03.2022 ein und beantragte, die Nebenintervention zurückzuweisen.
Das Landgericht München I half mit Beschluss vom 04.05.2022 (Bl. 208/210 d.A.) der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht ab und ordnete die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht an.
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 71 Abs. 2 ZPO) und zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) erhoben worden.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, da es an einem rechtlichen Interesse der Nebenintervenientin iSd. § 66 Abs. 1 ZPO fehlt.
1. Nachdem die Nebenintervenientin ihren Beitritt im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.05.2021 ausdrücklich auf die Widerklage beschränkt hat und sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht folgerichtig auch nur den „Klageanträgen“ des Beklagtenvertreters und damit dem Widerklageantrag angeschlossen hat (vgl. S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2022, Bl. 166 d.A.), Klage und Widerklage aber unterschiedliche Streitgegenstände haben, ist Prüfungsgegenstand – was das Landgericht zutreffend erkannt hat – ausschließlich, ob die Nebenintervenientin ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten hinsichtlich der Widerklage hat, nicht aber, ob ein solches rechtliches Interesse der Nebenintervenientin bezüglich der Klage besteht (zur notwendigen Trennung nach Streitgegenständen vgl. BGH, Beschluss vom 03.07.2018 – II ZB 28/16, Rdnr. 17 und 18).
2. Ein derartiges rechtliches Interesse ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nur anzunehmen, wenn der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt. Der bloße Wunsch eines Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer Partei entschieden werden, stellt dagegen lediglich einen Umstand dar, der ein tatsächliches Interesse am Obsiegen einer Partei zu erklären vermag (BGH, aaO, Rdnr. 10 m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
a. Im vorliegenden Fall liegt das Interesse der Nebenintervenientin allerdings nur darin, durch den Erfolg der Widerklage, das heißt der Titulierung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen den Kläger, die Vermögenssituation der Beklagten zu verbessern, um dadurch eine Erhöhung des Wertes ihres Gesellschaftsanteils und/oder eine höhere Gewinnausschüttung zu erreichen. Das aber ist ein rein wirtschaftliches Interesse und kein die Nebenintervention rechtfertigendes rechtliches Interesse.
b. Ein rechtliches Interesse kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Kläger nicht nur Geschäftsführer der Beklagten war bzw. ist, sondern – jedenfalls bis zur etwaigen Rechtskraft eines Ausschlussurteils – auch Gesellschafter der Beklagten ist, sodass aufgrund des Gesellschaftsvertrages, deren Partei sowohl der Kläger als auch die Nebenintervenientin sind, ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin besteht. Mit der Widerklage wird der Kläger ausweislich ihrer Begründung jedoch gerade nicht als Gesellschafter der Beklagten, sondern allein als deren Geschäftsführer aufgrund der von ihm in seiner Funktion als Geschäftsführer (unterstellt) begangenen Pflichtverletzungen in Anspruch genommen (“Der Kläger (…) wird mit der Widerklage (…) wegen Schadensersatzansprüchen in Anspruch genommen, die der Gesellschaft aus Vermögensnachteilen entstanden sind, welche der Kläger während seiner aktiven Zeit als Geschäftsführer durch pflichtwidriges Handeln herbeigeführt hat“, vgl. Widerklageschriftsatz vom 04.05.2021, S. 2, Bl. 119 d.A.).
c. Dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Beklagten gegen den Kläger als ihren Geschäftsführer eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 GmbHG bedurfte und die Widerklage auf der Grundlage eines solchen Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 26.05.2020 erhoben wurde, genügt entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht, um ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin am Erfolg der Widerklage zu begründen. Denn der Beschluss der Gesellschafterversammlung ist in seinem Bestand unabhängig vom Ausgang der Widerklage. Selbst wenn die Widerklage – aus welchem Grund auch immer – abgewiesen werden sollte, berührt dies den Bestand des Beschlusses der Gesellschafterversammlung nicht. Dieser kann durch eine Entscheidung über die Widerklage weder aus der Welt geschafft noch bestätigt werden.
d. Ein Urteil über die Widerklage wirkt mangels Rechtskrafterstreckung auch nicht für und gegen die Nebenintervenientin, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin nicht angenommen werden kann.
e. Entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin ergibt sich ein rechtliches Interesse iSd. § 66 Abs. 1 ZPO auch nicht aus der von ihr in Bezug genommenen Rechtsprechung des BGH zum rechtlichen Interesse iSd. § 66 Abs. 1 ZPO eines jeden einzelnen Mitglieds des Aufsichtsrats an der Feststellung, dass die im Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse unwirksam sind, weil die Aufsichtsratsmitglieder aufgrund ihrer Organstellung eine gemeinsame Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse hätten (vgl. BGH, Zwischenurteil vom 29.01.2013 – II ZB 1/11, Rdnr. 13 und 14). Unbeschadet der Frage, ob dies – wie die Nebenintervenientin meint – aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafterin der Beklagten auf sie übertragbar sei, betrifft der vom BGH entschieden Fall jedoch das rechtliche Interesse des Aufsichtsratsmitglieds am Ausgang eines Beschlussmängelverfahrens. Darum geht es vorliegend jedoch gerade nicht, da die Nebenintervenientin nicht dem Rechtsstreit im Hinblick auf die Klage, deren Gegenstand die Feststellung der Nichtigkeit der in der Gesellschafterversammlung vom 26.05.2020 gefassten Beschlüsse ist, sondern nur bezüglich der Widerklage beigetreten ist.
Nach alledem war in Ermangelung eines rechtlichen Interesses der Nebenintervenientin das Zwischenurteil des Landgerichts aufzuheben und die Nebenintervention zurückzuweisen.
III.
1. Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 574 ZPO) nicht vorliegen. Der Senat weicht von keiner Entscheidung des BGH oder eines anderen Oberlandesgerichts ab.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Wert der Widerklage als Hauptsache.


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