Handels- und Gesellschaftsrecht

Bestimmung des zuständigen Gerichts

Aktenzeichen  1 AR 78/20

Datum:
28.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29196
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
EGZPO § 9
BGB § 305c Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn hinsichtlich mehrerer beklagter Streitgenossen kollidierende ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen zu beachten sind. (Rn. 24 – 26)
2. Eine Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte kann auch die Ansprüche der Dritten erfassen. (Rn. 38)
3. In der Regel erfasst die Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertrag auch die Geltendmachung von deliktischen Ansprüchen, soweit sie mit vertraglichen konkurrieren. Das gilt grundsätzlich auch für Gerichtsstandsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. (Rn. 39)
4. Gerichtsstandsvereinbarungen sind bei der Durchsetzung der davon erfassten Ansprüche durch einen Rechtsnachfolger zu beachten, auch wenn dieser selbst nicht pro- und derogationsbefugt ist. (Rn. 40 – 41)

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

A.
Die Antragstellerin erhob wegen folgenden von ihr vorgetragenen Sachverhalts Klage zum Landgericht Nürnberg-Fürth:
Der Eigentümer eines bebauten Grundstücks in Fürth bestellte einer in Köln ansässigen Bauträgerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und deren ebenfalls in Köln ansässigen Muttergesellschaft, einer Aktiengesellschaft, ein Erbbaurecht an dem Grundstück. Diese betrieben die Sanierung des Gebäudebestands. Dazu schlossen sie am 6./7. März 2006 mit der Leipziger Niederlassung der im Bezirk des Landgerichts Baden-Baden ansässigen Antragsgegnerin zu 1) einen Generalunternehmervertrag (im Folgenden: GU-Vertrag, vgl. Anl. K 1a zur Klageschrift v. 28. Dezember 2017), der die Sanierung des Gebäudeensembles und dessen Umbau zu einer Wohnanlage zum Gegenstand hatte und unter anderem folgende Regelung enthielt:
§ 16 – Schlussbestimmungen
[…]
3. Als Gerichtsstand wird Köln vereinbart.
Die Rechtsvorgängerin der in Köln ansässigen Antragsgegnerin zu 2), die in Nürnberg eine Niederlassung unterhält, erklärte am 12. Juni 2007 unter Bezugnahme auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1) aus dem GU-Vertrag zur Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft, die Bürgschaft bis zu einer bestimmten Höhe zu übernehmen.
Die Muttergesellschaft beauftragte die Antragsgegnerin zu 3), die in München ansässig ist und ebenfalls in Nürnberg eine Niederlassung unterhält, mit der Abnahme von Bauleistungen. Die gemäß § 8 des dazu am 18. Oktober 2006 geschlossenen Vertrags (vgl. die von der Antragsgegnerin zu 3] mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 vorgelegte Anl. B 1) einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin zu 3) enthalten unter anderem folgende Bestimmung:
„8. Gerichtsstand, Erfüllungsort, anzuwendendes Recht
8.1 Gerichtsstand für die Geltendmachung von Ansprüchen für beide Vertragspartner ist München, soweit die Voraussetzungen gemäß § 38 der Zivilprozessordnung vorliegen.
[…]
Außerdem schloss die Antragsgegnerin zu 3) einen auf einem Angebot vom 26. April 2006 beruhenden „Vertrag über Baubegleitendes Qualitätscontrolling“ (vgl. die von der Antragsgegnerin zu 3] mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 vorgelegte Anl. B 2), nach dem sie es schuldete, Mängel und Abweichungen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik gutachterlich zu erfassen. Dieser Vertrag, dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenfalls den Gerichtsstand München vorsahen, wurde nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragsgegnerin zu 3) weder mit der Bauträgerin noch mit deren Muttergesellschaft geschlossen; die Parteien verhalten sich nicht dazu, wer Vertragspartner der Antragsgegnerin zu 3) war.“
Die Bauträgerin und ihre Muttergesellschaft veräußerten nach Aufteilung die jeweiligen Wohn- und Teilerbbaurechte an die Mitglieder der Antragstellerin, der Wohnungserbbaugemeinschaft.
Nach der werkvertraglichen Abnahme leitete die Antragstellerin im Jahr 2010 wegen verschiedener Baumängel ein selbständiges Beweisverfahren ein.
In der Folge trat die Muttergesellschaft ihre Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 3) an die Bauträgerin ab. Später traten beide ihre Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1) aus dem GU-Vertrag und gegen die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 2) an die Antragstellerin ab; gleichzeitig trat die Bauträgerin die zuvor an sie abgetretenen Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 3) an die Antragstellerin ab (vgl. Anl. K 11a zur Klageschrift v. 28. Dezember 2017).
Im selbständigen Beweisverfahren wurden in mehreren Teilgutachten zahlreiche Baumängel festgestellt.
Mit ihrer Klage vom 28. Dezember 2017 zum Landgericht Nürnberg-Fürth macht die Antragstellerin bezifferte Schadensersatz- und Vorschussansprüche gegen alle drei Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen in Höhe der Bürgschaftssumme sowie gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 3) in darüber hinaus gehender Höhe geltend; außerdem begehrt sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 3) als Gesamtschuldnerinnen verpflichtet seien, ihr darüber hinaus Kosten, Aufwendungen und Schäden für die Beseitigung von im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Mängeln zu ersetzen.
Das angerufene Gericht sei örtlich zuständig, weil die Antragsgegnerin zu 1) ihre Leistungen in Fürth zu erbringen gehabt habe und diese mit der Bauträgerin bzw. deren Muttergesellschaft keinen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart habe. Die Antragsgegnerin zu 2) unterhalte in Nürnberg eine Niederlassung i. S. d. § 21 ZPO. Hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 3) beruft sich die Antragstellerin auf deren ebenfalls in Nürnberg belegene Niederlassung. Außerdem handele es sich bei dem Vertrag zu deren Tätigkeit bei der Abnahme um einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, weil diese Tätigkeit zur Fälligkeit der letzten Bauträgerrate führen und gegenüber den Erwerbern wirken sollte; diese Pflichten habe die Antragsgegnerin zu 3) verletzt, so dass das angerufene Gericht insoweit auch gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig sei. Bereits in der Klageschrift hat die Antragstellerin für den Fall, dass die Antragsgegnerinnen die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth rügten und das Gericht diese Rechtsansicht teile, vorsorglich beantragt, das Oberlandesgericht Nürnberg um Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstands zu ersuchen.
Die Antragsgegnerin zu 1) hat unter Berufung darauf, dass im GU-Vertrag ein ausschließlicher Gerichtsstand in Köln vereinbart worden sei, die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth gerügt. Die Antragsgegnerin zu 2) hat ebenfalls die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth gerügt; zuständig seien das Landgericht Köln als das Gericht an ihrem allgemeinen Gerichtsstand und das Landgericht München I als dasjenige am Sitz der Niederlassung, die den gesamten vorprozessualen Schriftverkehr zu der streitgegenständlichen Bürgschaft geführt habe; ihre Niederlassung in Nürnberg sei mit der Bürgschaft nicht befasst gewesen. Auch die Antragsgegnerin zu 3) hat die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth gerügt und sich zur Begründung darauf berufen, dass vertraglich ein ausschließlicher Gerichtsstand in München vereinbart worden sei.
Nachdem in einem Termin am 9. Dezember 2019 keine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hatte erreicht werden können, hat das Landgericht die Parteien mit Beschluss vom 24. März 2020 darauf hingewiesen, dass es derzeit seine örtliche Zuständigkeit nicht erkennen könne. Die Antragstellerin nehme die Antragsgegnerin zu 1) aus abgetretenem Recht aus dem GU-Vertrag in Anspruch; die Auslegung ergebe, dass die Vertragsparteien in § 16 Ziff. 3 dieses Vertrags eine ausschließliche Zuständigkeit in Köln vereinbart hätten. Die Antragsgegnerin zu 2) werde aus abgetretenem Recht aus der Bürgschaft in Anspruch genommen; eine Zuständigkeit des Landgerichts folge nicht aus § 21 ZPO, weil sich derzeit nicht erkennen lasse, dass die Klage einen Bezug zur Nürnberger Niederlassung der Antragsgegnerin zu 2) habe; auch eine Zuständigkeit aus § 29 ZPO sei nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin zu 3) werde aus dem Vertrag über Baubegleitendes Qualitätscontrolling sowie aus abgetretenem Recht aus dem Vertrag über die Abnahme in Anspruch genommen; die Auslegung der jeweiligen Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin zu 3) ergebe, dass die Vertragsparteien jeweils eine ausschließliche Zuständigkeit in München [die Nennung von Köln an dieser Stelle des Beschlusses ist ein offensichtlicher Schreibfehler] vereinbart hätten. Ein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand sei nicht begründet; für Klagen gegen die Antragsgegnerin zu 1) sei ausschließlich Köln zuständig und für Klagen gegen die Antragsgegnerin zu 3) ausschließlich München; für Klagen gegen die Antragsgegnerin zu 2) seien Köln (§ 17 ZPO) und München (§ 21 ZPO) zuständig.
Daraufhin hat die Antragstellerin die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das Bayerische Oberste Landesgericht beantragt und zur Begründung noch Folgendes vorgetragen: Gegenüber allen Antragsgegnerinnen sei mindestens ein besonderer Gerichtsstand am Landgericht Nürnberg-Fürth eröffnet. Die Antragsgegnerin zu 1) könne am Gerichtsstand des Erfüllungsorts in Fürth verklagt werden, weil die Gerichtsstandsvereinbarung im GU-Vertrag nicht ausschließlich sei. Bei der Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung sei zu beachten, dass der Verwender im Regelfall eine Ausschließlichkeit nur für Klagen gegen sich selbst herbeiführen wolle, während es für Prozesse gegen den anderen Vertragspartner bei einem fakultativen Gerichtsstand bleiben solle. Der Vertrag sei von der Muttergesellschaft bzw. der Bauträgerin vorbereitet und der Antragsgegnerin zu 1) vorgelegt worden; die Klausel in § 16 Ziff. 3 des GU-Vertrags liefere keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Bauträgerin bzw. deren Muttergesellschaft auf die Möglichkeit der Gerichtsstandswahl gemäß § 35 ZPO hätten verzichten wollen. Die in Köln ansässige Antragsgegnerin zu 2) bearbeite Bürgschaftssachen in München, weshalb dort der besondere Gerichtsstand gemäß § 21 ZPO gegeben sei; zudem verfüge sie über eine Filiale in Nürnberg, weshalb auch die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth eröffnet sei. Die Antragsgegnerin zu 3) könne jedenfalls wegen der im Zusammenhang mit der Erklärung der Abnahme stehenden Ansprüche am Landgericht Nürnberg-Fürth verklagt werden. Da der Vertrag über die Abnahme zwischen der Muttergesellschaft und der Antragsgegnerin zu 3) ihre Rechte bzw. die der Erwerber in erheblichem Umfang berühre, sei sie in ergänzender Auslegung in den Schutzbereich dieses Vertrags einzubeziehen. Gegenüber dem in die Schutzwirkung eines Vertrags einbezogenen Dritten könne kein Gerichtsstand vereinbart werden, weil die Einbeziehung vor allem dem Ausgleich von Nachteilen des materiellen Deliktsrechts diene und der Deliktsgerichtsstand nicht formularvertraglich abbedungen werden könne; sie – die Antragstellerin – könne daher die Antragsgegnerin zu 3) am Erfüllungsort der Schutzpflichten in Fürth verklagen. Außerdem sei der besondere Gerichtsstand des § 21 ZPO eröffnet, weil die Antragsgegnerin zu 3) in Nürnberg über eine Niederlassung verfüge. Der Gerichtsstand des Tatorts gemäß § 32 ZPO sei in Fürth eröffnet, weil aufgrund der fehlerhaften Überprüfung im Rahmen der Abnahme unter anderem Brandschutzmängel verkannt worden seien, so dass ein Verstoß gegen Art. 12 BayBO vorliege, bei dem es sich um ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB handele. Auch soweit sie die Antragsgegnerin zu 3) aus abgetretenem Recht aus dem BaucontrollingVertrag in Anspruch nehme, bestehe eine Zuständigkeit des Landgerichts NürnbergFürth. Denn es sei zwar in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Erfüllungsort in München vorgegeben. Die Antragsgegnerin zu 3) habe selbst aber vorgetragen, dass die vertraglich geschuldeten Leistungen in Leipzig erbracht worden seien; diese Individualvereinbarung gehe der genannten AGB-Klausel vor. Da der vertragliche Erfüllungsort Leipzig gewesen sei, könne der vereinbarte Gerichtsstand nur als besonderer Gerichtsstand gewollt gewesen sein; die Antragsgegnerin zu 3) könne daher nicht nur an dem vereinbarten besonderen Gerichtsstand und ihrem allgemeinen Gerichtsstand, sondern auch am besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts in Fürth und der Niederlassung in Nürnberg verklagt werden. Sollte das Landgericht an seiner abweichenden Beurteilung festhalten, seien die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorzulegen; es sei dann sachdienlich, das Landgericht Nürnberg-Fürth als örtlich zuständig zu bestimmen.
Mit Beschluss vom 17. Juni 2020 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Im Bestimmungsverfahren vertreten alle Antragsgegnerinnen die Auffassung, das Landgericht Nürnberg-Fürth sei örtlich unzuständig.
B.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.
I.
Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig.
Die Antragsgegnerinnen haben ihre allgemeinen Gerichtsstände in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte (Karlsruhe, Köln und München), so dass das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Sinne des § 36 Abs. 1 ZPO der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle befindet gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht über den Bestimmungsantrag, weil das zuerst befasste Gericht in Bayern liegt.
II.
Die beantragte Bestimmung des zuständigen Gerichts ist jedoch abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorliegen.
1. Zwar kann die Bestimmung des Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht nur im Vorfeld einer Klage, sondern grundsätzlich auch noch dann erfolgen, wenn bereits Klage erhoben worden ist (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, NJW-RR 2020, 1070 Rn. 10 m. w. N.).
Auch werden die Antragsgegnerinnen nach dem maßgeblichen (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 28) Vorbringen der Antragstellerin als Streitgenossinnen im Sinne von §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
2. Der beantragten Bestimmung steht jedoch entgegen, dass die Ansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) aufgrund der auch im Verhältnis zu dieser wirkenden Gerichtsstandsvereinbarung im GU-Vertrag ausschließlich vor dem Landgericht Köln geltend gemacht werden können und eine Bestimmung dieses Gerichts an der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung mit der Antragsgegnerin zu 3) scheitert.
a) Entfaltet die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands zwischen dem Kläger und einem der beklagten Streitgenossen Wirkung, so kann dieser Gerichtsstand einerseits dem dadurch begünstigten Streitgenossen nicht über eine Bestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entzogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 1987, I ARZ 903/86, NJW 1988, 646 [juris Rn. 8]; Beschluss vom 28. Oktober 1982, I ARZ 449/82, NJW 1983, 996 [juris Rn. 6]), andererseits kann das prorogierte Gericht den anderen Streitgenossen nicht ohne Weiteres über eine Bestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aufgedrängt werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Februar 2020, 1 AR 94/19, NJW-RR 2020, 763 Rn. 46; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 24).
Die mit einem Streitgenossen geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung steht einer Bestimmung nur ausnahmsweise nicht entgegen, wenn ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand mit den übrigen Streitgenossen nie bestanden hat, das im Verhältnis zu einem Streitgenossen prorogierte Gericht auch für die übrigen Streitgenossen grundsätzlich nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt werden kann und die Prozessführung im prorogierten Gerichtsstand auch für diese zumutbar ist (vgl. BayObLG NJW-RR 2020, 763 Rn. 47; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. August 2014, 11 SV 75/14, MDR 2015, 299 [300, juris Rn. 6]; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 24; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 36 Rn. 17; jeweils m. w. N.).
Letzteres ist jedenfalls insoweit nicht der Fall, als hinsichtlich eines der übrigen Streitgenossen die Vereinbarung eines anderen ausschließlichen Gerichtsstands zu berücksichtigen ist (vgl. BayObLG NJW-RR 2020, 763 Rn. 53; OLG Saarbrücken NJW-RR 2018, 638 Rn. 10), weil sonst diesem Streitgenossen seinerseits der ihn begünstigende vereinbarte Gerichtsstand entzogen würde.
b) Danach kommt vorliegend die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands für den gesamten Rechtsstreit nicht in Betracht.
aa) Die Bauträgerin und deren Muttergesellschaft haben mit der Antragsgegnerin zu 1) in § 16 Ziffer 3. des GU-Vertrags Köln als ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart.
(1) Bei der Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung streitet im rein inländischen Kontext – anders als nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Brüssel-Ia-VO – weder für die Annahme eines ausschließlichen noch für die eines nur besonderen Gerichtsstands eine Vermutung (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 1995, X ARZ 699/95, juris Rn. 7 m. w. N.). Ob die Zuständigkeit als ausschließliche gemeint ist, muss vielmehr anhand der näheren Umstände und der Interessenlage der Beteiligten ermittelt werden.
(2) Danach ist im GU-Vertrag Köln als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart worden.
Dass die Gerichtsstandsklausel in § 16 Ziffer 3. des GU-Vertrags eine Allgemeine Geschäftsbedingung sei, wird weder von den Parteien behauptet noch gibt es dafür hinreichende konkrete Anhaltspunkte. Deshalb geht die – auf den im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen genutzten Begriff des Verwenders gestützte – Auslegung der Antragstellerin fehl, es sei nur ein besonderer Gerichtsstand vereinbart, weil die Bauträgerin bzw. deren Muttergesellschaft den GU-Vertrag vorbereitet und der Antragsgegnerin zu 1) vorgelegt hätten und der Verwender im Regelfall eine Ausschließlichkeit nur für Klagen gegen sich selbst herbeiführen wolle, während es für Prozesse gegen den anderen Vertragspartner bei einem fakultativen Gerichtsstand bleiben solle. Für Individualvereinbarungen gibt es keinen Auslegungsgrundsatz, der daran anknüpfte, von welcher der Vertragsparteien eine Vertragsklausel eingebracht worden ist.
Bereits der kategorische Wortlaut der Klausel („Als Gerichtsstand wird Köln vereinbart“) kann auf die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands hindeuten. Das Fehlen einer die Ausschließlichkeit ausdrücklich regelnden Formulierung stellt kein Indiz dafür dar, dass die Bestimmung lediglich fakultativer Natur sei. Vielmehr ist es nicht unüblich, dass die Ausschließlichkeit im Wortlaut von Gerichtsstandsvereinbarungen nicht explizit zum Ausdruck gebracht wird, aber gemeint ist (vgl. BGH, Urt. v. 17. Oktober 2019, III ZR 42/19, BGHZ 223, 269 Rn. 39).
Zudem bestand vorliegend – anders als bei Verträgen, bei denen lediglich der jeweilige Sitz der Vertragspartner als gerichtsstandsbegründend in Betracht kommt – für beide Seiten die Gefahr, auch am Gerichtsstand des einheitlichen Erfüllungsorts des Bauvertrags (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010, Xa ARZ 14/10, NJW-RR 2010, 891 Rn. 8; Urt. v. 25. Februar 1999, VII ZR 408/97, NJW 1999, 2442, juris Rn. 17; Beschluss vom 5. Dezember 1985, I ARZ 737/85, NJW 1986, 935, juris Rn. 5; Senatsbeschluss v. 8. April 2020, 1 AR 23/20, juris Rn. 26; BayObLG, Beschluss vom 10. November 2003, 1Z AR 129/03, juris Rn. 7) verklagt zu werden. Jedenfalls diese Möglichkeit sollte durch die Bestimmung des Gerichtsstands am Sitz der Auftraggeber ausgeschlossen werden, so dass die Ausschließlichkeit der Vereinbarung im übereinstimmenden Interesse aller Vertragsparteien lag.
bb) Zumindest soweit die Antragstellerin Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 3) aus dem Vertrag über die Abnahme von Bauleistungen vom 18. Oktober 2006 geltend macht, ist der ausschließliche Gerichtsstand München vereinbart. Ob sich daneben aus dem Vertrag über Baubegleitendes Qualitätscontrolling ebenfalls eine im Rechtsstreit zu beachtende Gerichtsstandsvereinbarung ergeben könnte, ist für das Bestimmungsverfahren ohne Belang.
(1) Die in den Vertrag über die Abnahme von Bauleistungen einbezogene Klausel Ziffer 8.1 ist als Allgemeine Geschäftsbedingung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird. Dabei sind die Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (vgl. BGHZ 223, 269 Rn. 34 m. w. N.).
Die Klausel regelt ausdrücklich die Geltendmachung von Ansprüchen für beide Vertragspartner. Sie bringt dadurch einen Konzentrationszweck zum Ausdruck, dem die Vereinbarung eines lediglich besonderen Gerichtsstands zuwiderliefe, der neben die gesetzlich bereits eröffneten träte. Sie ist deshalb dahin auszulegen, dass Ansprüche beider Vertragspartner ausschließlich an dem benannten Gerichtsstand geltend gemacht werden können.
Mangels verbleibender Zweifel kann die Klausel nicht gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Antragsgegnerin zu 3) als Verwenderin dahin ausgelegt werden, dass für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen diese neben dem vereinbarten auch die gesetzlichen Gerichtsstände offen stünden (vgl. BayObLG NJW-RR 2020, 763 Rn. 42).
(2) Die Gerichtsstandsvereinbarung erfasst auch die geltend gemachten Ansprüche aus der von der Antragstellerin behaupteten Schutzwirkung des Vertrags für die Erwerber, weil in ihr – wie bei materiellrechtlichen Anspruchsbeschränkungen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 21. Dezember 1987, II ZR 177/87 NJW-RR 1987, 559 [561, juris Rn. 20]; Janoschek in BeckOK BGB, 55. Ed. Stand: 1. August 2020, § 328 Rn. 59; Mäsch, BeckOGK, Stand 1. Oktober 2020, BGB § 328 Rn. 198; Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020 § 328 Rn. 20; Klumpp in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015 Update-Stand 10. Dezember 2019, § 328 Rn. 144; Gottwald in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 328 Rn. 197) – lediglich eine von vornherein gegebene Einschränkung des Anspruches im Hinblick auf seine prozessuale Geltendmachung liegt (vgl. jeweils zum Vertrag zugunsten Dritter: Janoschek in BeckOK BGB, § 328 Rn. 47; Mäsch, BeckOGK, BGB § 328 Rn. 74 a. E.; Klumpp in Staudinger, BGB, § 328 Rn. 368; Gottwald in Münchener Kommentar zum BGB, § 328 Rn. 89).
Ebenfalls von der Vereinbarung erfasst ist die Geltendmachung von deliktischen Ansprüchen, soweit sie mit vertraglichen konkurrieren. Die Parteien wollen durch eine solche Vereinbarung regelmäßig die Prozessführung der aus dem Vertragsabschluss und der Vertragsabwicklung herrührenden Streitigkeiten gebündelt an einem Gerichtsstandort führen und eine doppelte Prozessführung vermeiden; dementsprechend umfassen Zuständigkeitsvereinbarungen in der Regel auch in Anspruchskonkurrenz stehende deliktische Anspruchsgrundlagen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 30. Juni 2015, 11 U 31/14, juris Rn. 34; OLG Stuttgart, Urt. v. 8. November 2007, 7 U 104/07, juris Rn. 24; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 38 Rn. 31; Schultzky in Zöller, ZPO, § 38 Rn. 19; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2020, § 38 Rn. 76; Chasklowicz in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 38 Rn. 34; Wurmnest in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 307 Rn. 258; Rodi in Staudinger, BGB, Anh zu §§ 305 – 310 Rn. M 59). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Derogation des Deliktsgerichtsstands grundsätzlich auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 8. November 2007, 7 U 104/07, juris Rn. 25 unter Aufgabe der entgegenstehenden Auffassung in seinem Urt. v. 14. Dezember 1973, 2 U 136/73, juris; Quantz in BeckOGK, Stand 1. Oktober 2020, BGB § 307 Gerichtsstandsklausel Rn. 17; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 38 Rn. 76; Wurmnest in Münchener Kommentar zum BGB, a. a. O.; Rodi in Staudinger, BGB, a. a. O.; a. A. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, § 38 Rn. 31 unter Berufung auf das alte Urteil des OLG Stuttgart v. 14. Dezember 1973, 2 U 136/73, juris).
cc) Die von der Muttergesellschaft allein oder zusammen mit der Bauträgerin einerseits und der Antragsgegnerin zu 1) bzw. der Antragsgegnerin zu 3) andererseits getroffenen Vereinbarungen ausschließlicher Gerichtsstände sind auch bei der jeweiligen Durchsetzung der davon erfassten Ansprüche durch die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin zu beachten, obwohl diese selbst nicht gemäß § 38 Abs. 1 ZPO pro- und derogationsbefugt ist (vgl. zur Fortgeltung einer Gerichtsstandsvereinbarung für den Insolvenz- oder Konkursverwalter: BayObLG, Beschluss vom 9. März 1999, 1Z AR 5/99, NJW-RR 2000, 660 [juris Rn. 7]; OLG Saarbrücken NJW-RR 2018, 638 Rn. 8; zur Fortgeltung für den Erben OLG Köln, Urt. v. 21. November 1991, 18 U 113/91, NJW-RR 1992, 571 [juris Rn. 14]; zur Fortgeltung bei Abtretung wohl BGH, Urt. v. 20. März 1980, III ZR 151/79, NJW 1980, 2022 [2023, juris Rn. 12: Annahme der Fortgeltung ohne Erörterung der Prorogationsfähigkeit der Zessionarin]; Toussaint in BeckOK ZPO, § 38 Rn. 28.1; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 38 Rn. 89; Chasklowicz in Kern/Diehm, ZPO§ 38 Rn. 8; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 38 Rn. 10; Lieder in beckOGK, Stand: 1. August 2020, BGB § 404 Rn. 48; Rosch in jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 398 Rn. 19; Grüneberg in Palandt, BGB, § 398 Rn. 18; Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1922 Rn. 217 [bei Erbfolge]; Busche in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 401 Rn. 10 u. § 404 Rn. 32; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 38 Rn. 53; unklar Roth/Kieninger in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 404 Rn. 6 [bejaht nur den Erhalt eines prorogierten Gerichtsstands für den Schuldner]; a. A. LG Trier, Beschluss vom 22. Oktober 1981, 6 O 95/81, NJW 1982, 286 [287]; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 38 Rn. 20; Rohe in BeckOK BGB, 55. Ed. Stand: 1. August 2020, § 398 Rn. 59).
Denn ein Zessionar kann einen Anspruch nur mit dem Inhalt erlangen, den dieser in der Hand des Zedenten hat. Zu den Modalitäten, die den Inhalt eines Anspruchs ausmachen, gehört auch, dass er nur vor einem bestimmten Gericht (vgl. BGH, Urt. v. 8. Juli 1981, VIII ZR 256/80, NJW 1981, 2644 [2646, juris Rn. 23]) oder auch vor einem anderen Gericht als den gesetzlich vorgesehenen erhoben werden kann. Auch der Zweck der Beschränkung der Pro- und Derogationsfähigkeit in § 38 Abs. 1 ZPO, wirtschaftlich schwache und geschäftlich unerfahrene Personen vor den für sie nachteiligen Folgen einer ihnen vom wirtschaftlich stärkeren Geschäftspartner aufgedrängten Gerichtsstandsvereinbarung zu schützen (vgl. BT-Drs. 7/268 S. 4), gebietet keine andere Beurteilung (a. A. Patzina a. a. O.). Insbesondere kann auch ein nicht pro- und derogationsbefugter Zessionar einen Anspruch nur mit dem bereits bestehenden Inhalt erwerben; ist die Durchsetzbarkeit des Anspruchs durch die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands beschränkt, so verliert der Zessionar mit dem Erwerb keine Rechtsposition. Er ist daher weniger schutzbedürftig als die Partei einer Gerichtsstandsvereinbarung, die sich durch den Abschluss einer solchen Vereinbarung einer ihr zunächst von Gesetzes wegen zustehenden Befugnis zur Anspruchsdurchsetzung begibt. Die persönlichen Beschränkungen des § 38 ZPO dienen nicht dem Schutz der Erwartung eines Zessionars, eine bessere Rechtsstellung zu erwerben als sie der Zedent innehat.
dd) Da im Rechtsstreit zwei vereinbarte ausschließliche Gerichtsstände kollidieren – nämlich Köln im Prozessrechtsverhältnis der Antragstellerin zur Antragsgegnerin zu 1) und München zumindest hinsichtlich eines Teils des Prozessrechtsverhältnisses der Antragstellerin zur Antragsgegnerin zu 3) -, kommt die Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstands für den gesamten Rechtsstreit nicht in Betracht.
Ohne Bedeutung ist insoweit, dass entgegen der Auffassung der Antragstellerin in Nürnberg ein Gerichtsstand der Niederlassung weder für die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 2) noch für die gegen die Antragsgegnerin zu 3) besteht, weil sie keine Umstände vorträgt, die den gemäß § 21 ZPO erforderlichen Bezug auf die Geschäftsbetriebe deren dortiger Niederlassungen begründen könnten.


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