Handels- und Gesellschaftsrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Kaufpreis, Berufung, Kaufvertrag, Sittenwidrigkeit, Werbung, Mietvertrag, Leistung, Wohnrecht, Frist, Grundbuch, Immobilie, Zwangsversteigerung, Verkauf, Eheleute, Vermeidung von Wiederholungen, verwerfliche Gesinnung, notarieller Urkunde

Aktenzeichen  1 U 494/20

Datum:
14.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44014
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

13 O 260/20 2020-12-10 Urt LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 10.12.2020, Az. 13 O 260/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Berufung jeweils zurückzuweisen und den Streitwert auf 510.000,- € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 06.05.2021.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Rückabwicklung eines Immobiliengeschäftes.
1. Die Klägerin war Eigentümerin eines Anwesens in Zeitlarn, welches sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnt. Im Jahr 2016 wurde hinsichtlich der streitgegenständlichen Immobilie die Zwangsversteigerung betrieben. Im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens wurde die Immobilie durch ein Verkehrswertgutachten vom 16.09.2017 mit 510.000 € bewertet. Vor dem im November 2018 angesetzten Versteigerungstermin unterbreitete die Beklagte der Klägerin zur Abwendung der Zwangsversteigerung ein Kaufangebot mit zwei verschiedenen Kaufvarianten. Mit notarieller Urkunde vom 29.10.2018 erwarb die Beklagte von der Klägerin die o.g. Immobilie. Die Klägerin entschied sich hierbei für die Option mit einem befristeten Rückkaufsrecht und einem Kaufpreis in Höhe von 269.000,- € und gegen einen Kaufpreis in Höhe von 379.000,- € ohne Rückkaufsrecht. Von dem Rückkaufsrecht konnte bis zum 28.04.2020 Gebrauch gemacht werden, wobei der Rückkaufpreis sich gestaffelt erhöhte von 110% des Kaufpreises innerhalb der ersten drei Monate bis auf zuletzt 135% des Kaufpreises bei einem Rückkauf nach zwölf bis 18 Monaten. Zudem wurde der Klägerin und ihrem Ehemann bis zum 28.04.2020 ein Wohnrecht eingeräumt und die zu zahlende Nutzungsentschädigung bis dahin gestundet. Die Nutzungsentschädigung wäre im Falle des Rückkaufs zudem bereits im Kaufpreis enthalten gewesen. Das Rückkaufsrecht wurde mit einer befristeten Eigentumsvormerkung im Grundbuch abgesichert. Bis zum 28.04.2020 machte die Klägerin von dem Rückkaufsrecht keinen Gebrauch. Erst mit anwaltlichem Schreiben vom 29.04.2020 bat sie um coronabedingte Fristverlängerung bis Ende Juli 2020.
Erstinstanzlich hat die Klägerin die Auffassung vertreten, der Kaufvertrag sei sittenwidrig. Der Verkehrswert der Immobilie würde mindestens 750.000,- € betragen. Ein Wahlrecht habe im Wesentlichen nicht bestanden. Sie hat beantragt, die Unwirksamkeit des Kaufvertrags festzustellen und die Beklagte zur Rückauflassung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises zu verurteilen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Insbesondere sei die Klägerin vor Abschluss des Vertrages anwaltlich beraten gewesen.
2. Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 10.12.2020 abgewiesen, da eine Sittenwidrigkeit nicht angenommen werden könne. Für die Bewertung der Immobilie legte es hierbei den im Wertgutachten aus dem Zwangsversteigerungsverfahren festgestellten Verkehrswert in Höhe von 510.000,- € zugrunde. Insbesondere wäre dieser Wert auch im Zwangsversteigerungsverfahren maßgebend gewesen. Der vereinbarte Kaufpreis liege in jedem Fall noch über 50% des ermittelten Wertes. Zudem habe die Klägerin auch die Option gehabt, die Immobilie ohne Rückkaufsrecht zu einem höheren Kaufpreis an die Beklagte zu verkaufen. Es habe der alleinigen Interessenlage der Klägerin entsprochen, diese Option nicht zu wählen. Auch die Bemessung des Rückkaufspreises, in die noch eine Nutzungsentschädigung mit eingerechnet sei, stehe noch nicht in einem derart gravierenden Missverhältnis zum ursprünglichen Kaufpreis, um auf eine Sittenwidrigkeit schließen zu können. Zudem sei zu beachten, dass der Klägerin neben dem Rückkaufsrecht ein Wohnrecht über 18 Monate eingeräumt wurde. Die Zahlung der Nutzungsentschädigung sei gestundet gewesen. Die vertraglich vorgesehene Verrechnung mit dem Rückkaufpreis deute darauf hin, dass die Parteien tatsächlich einen Rückkauf angestrebt hätten. Zuletzt sei die Klägerin auch anwaltlich beraten gewesen. Auf Empfehlung der Rechtsanwältin sei eine Erhöhung des Kaufpreises und eine Verlängerung des Rückkaufsrechts erreicht worden. Die Vertragsgrundlagen seien daher nicht einseitig von einer Vertragspartei vorgegeben, sondern verhandelt worden. Die Klägerin habe durch ihr Verhalten selbst dokumentiert, keinen sittenwidrigen Kaufpreis vereinbaren zu wollen.
3. Gegen dieses, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11.12.2020 zugestellte Endurteil hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.12.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht an diesem Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 09.03.2021, eingegangen an diesem Tag, innerhalb verlängerter Frist begründet. Mit ihrer Berufung verfolgt der Kläger ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass der Kaufvertrag sittenwidrig sei. Das Landgericht hätte den Wert der Immobilie mittels Sachverständigengutachten feststellen müssen. Es habe sich auch nicht mit möglichen Anspruchsgrundlagen differenziert auseinandergesetzt.
Zudem sei eine Fristverlängerung zur Ausübung der Rückkaufsoption angezeigt gewesen, da aufgrund der Corona-Pandemie Besichtigungen ab März 2020 nicht mehr möglich gewesen seien. Die Beklagte habe damit Werbung gemacht, dass auch ein Dritter das Objekt zurückerwerben hätte können. Das Landgericht habe sich nicht mit den dargelegten falschen Versprechungen der Beklagten im Hinblick auf einen Mietvertrag zu sehr günstigen Konditionen auseinandergesetzt.
Die Klägerin habe faktisch auch keine Wahl gehabt, welche Option sie wähle. Aufgrund der Gesamtumstände sei das Geschäft als sittenwidrig anzusehen, selbst wenn der Kaufpreis über 50% des tatsächlichen Wertes liegen sollte. Die Beklagte habe hier mit falschen Versprechungen gearbeitet. Die vorherige Rechtsanwältin sei auch nicht für Verhandlungen mandatiert worden, sondern um die Rechtmäßigkeit der Zwangsversteigerung durch die HypoVereinsbank zu überprüfen.
Die Klägerin beantragt wie folgt zu erkennen:
1. Das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 10.12.2020 Az. 13 O 260/20 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass der Kaufvertrag gemäß Urkunde der Notarin M. W., Urk.Nr. … vom 29.10.2018 über den Verkauf des Anwesens W. 18, 9… Z. unwirksam ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Rückauflassung des Anwesens W. 18, 9… Z., Flurstück …/14 an die Klägerin zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung in Höhe von 269.000 €, hilfsweise gegen Zahlung in Höhe von 285.144,77 € sowie äußerst vorsorglich hilfsweise gegen Zahlung in Höhe von 379.294,77 €.
Hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme an das Landgericht Aschaffenburg zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin habe die Konditionen des notariellen Kaufvertrags noch zu ihren Gunsten nach anwaltlichem Hinweis abändern lassen und habe daher von ihrem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht. Das Wahlrecht habe tatsächlich bestanden, bei der Bewertung des Geschäfts sei somit auf den höheren Kaufpreis in Höhe von 379.000,- € abzustellen. Die Klägerin sei im Übrigen an die Verkehrsfestsetzung durch das Gericht gebunden. Hiergegen sei auch keine Beschwerde eingelegt worden seitens der Klägerin. Im Übrigen sei der PKH-Antrag zurückzuweisen, da die Klägerin nicht mittellos sei, dies jedenfalls aber selbstverschuldet herbeigeführt wurde.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine erneute Entscheidung rechtfertigten (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1, 546 ZPO). Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist der Senat an die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, weil weder bei der Beweiserhebung noch bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler erkennbar sind. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keine entscheidungserheblichen Sach- bzw. Rechtsfehler ergeben.
Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung, denen der Senat beitritt, wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung ist ergänzend nur noch Folgendes auszuführen:
1. Nach Ansicht des Senats kann der tatsächliche Wert der Immobilie zum Stichtag aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Vertragsabschlusses sogar dahinstehen, da das Rechtsgeschäft selbst bei unterstelltem höheren Wert des Grundstücks nicht gegen die guten Sitten verstoßen hat gemäß § 138 BGB.
a) Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2014 – V ZR 249/12 -, Rn. 5). Von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann bei Grundstücksgeschäften grundsätzlich erst ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2014 – V ZR 249/12 -, Rn. 8). Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zu berücksichtigen. Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich, es genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, wobei dem gleich steht, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 23 W 5/13 -, Rn. 15).
Wie auch die Klägerin zutreffend ausführt, ist daher nicht ausschließlich auf eine starre Quote zwischen Kaufpreis und tatsächlichen Wert der Immobilie abzustellen, es kommt vielmehr auf eine Gesamtschau der Vertragsumstände an.
b) Vorliegend ergibt sich aus dem Schreiben der früheren Rechtsanwältin der Eheleute … vom 16.10.2018 (vgl. Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20.10.2020) an diese, dass die Eheleute den Entwurf der notariellen Urkunde der Rechtsanwältin … vorab zur rechtlichen Prüfung übermittelt hatten. Der Einwand der Berufung, die vorherige Rechtsanwältin sei nur mandatiert worden, um die Rechtmäßigkeit der Zwangsversteigerung durch die … zu überprüfen, ist daher bereits schon unzutreffend. Gleiches gilt für die Behauptung, die Klägerin habe faktisch keine Wahl gehabt, welche Option sie wähle. Offensichtlich wurde ihr vorab der notarielle Entwurf zugesandt, auf welchen sie auch noch Einfluss nehmen konnte, insbesondere wesentliche Änderungen durchsetzte. Hierzu heißt es im anwaltlichen Schreiben vom 20.10.2020:
„[…] in unserem persönlichen Gespräch von heute Vormittag erklärten Sie, dass Sie im Hinblick auf die Abwendung der Zwangsversteigerung das Angebot der Firma … GmbH zum Abschluss eines Kaufvertrags für den Verkauf ihrer Immobilie nebst Rückkaufswert und mit weiterem Wohnrecht annehmen möchten.“
Es wäre demnach für die Klägerin unproblematisch möglich gewesen, auch die Kaufoption ohne Rückkaufsrecht und deutliche höherem Kaufpreis zu wählen. Die Klägerin hat sich aber nach persönlicher Beratung durch eine Rechtsanwältin gegen einen Verkauf ohne Rückkaufsrecht entschieden. Daher war auch der Notarvertrag auf diese bereits vorab gewählte Option angepasst, hätte aber offensichtlich auch nochmals geändert werden können.
In ihrer rechtlichen Analyse geht die Rechtsanwältin im Folgenden sowohl auf den Kaufpreis, das Rückkaufsrecht als auch auf das Wohnrecht ein.
Dabei ist festzuhalten dass auch die Rechtsanwältin offensichtlich von einem Verkehrswert der Immobilie von 510.000,- € ausgeht. Zudem war zu dieser Zeit ein noch wesentlich niedrigerer Kaufpreis im Entwurf festgehalten. Hierbei hat die Rechtsanwältin ausdrücklich auf eine mögliche Sittenwidrigkeit des Vertrages aufmerksam gemacht und die Grenze von 50% erklärt. Der Grund, wieso der Kaufpreis am untersten möglichen Ende festgelegt werden sollte, erklärt sich durch die folgende Aussage:
„Dies würde sich sicherlich vorteilhaft für sie erweisen, und zwar im Hinblick auf die anfallenden Kosten im Zusammenhang mit der Rückkauf der Immobilie. Diese orientieren sich nämlich am vertraglichen Kaufpreis.“
Damit ist belegt, dass es gerade der Klägerin auf einen möglichst niedrigen Kaufpreis ankam, da dann auch der (prozentual erhöhte) Rückkaufpreis entsprechend niedriger ausgefallen wäre.
Zudem war der Klägerin aufgrund der Auskunft bewusst, was das Rückkaufsrecht bedeutet und welche Risiken hiermit einhergehen. Hierzu heißt es im anwaltlichen Schreiben:
„Bitte beachten Sie, dass die Rückkaufsoption nach dem Vertragsentwurf auf ein Jahr befristet ist. Danach würde dieses Recht verfallen und die Immobilie bleibt im Eigentum der Fa. … GmbH. Diese wäre in diesem Fall nicht verpflichtet, die Immobilie freihändig zu veräußern und den eventuell höheren Kaufpreis abzüglich der „Darlehenssumme“ an Sie auszubezahlen.“
Deutlicher kann eine Auskunft über die tatsächliche Rechtslage nicht ausfallen. Soweit die Klägerin ausführt, sie sei aufgrund von Angaben auf Seiten der Beklagten davon ausgegangen, auch von einem höheren Kaufpreis zu profitieren, sollte die Immobilie durch die Beklagte veräußert werden, ist dies daher offensichtlich unzutreffend, insbesondere da die Rechtsanwältin aufgrund dieser dargelegten Rechtsfolge im selben Schreiben aufgrund des dargelegten Risikos dazu geraten hat, die Fristen zu verlängern. Dies ist in der Folge auch geschehen, wobei die im Entwurf vorgesehene Rückkaufsoption von 12 Monaten auf 18 Monate verlängert wurde.
Auch wird in dem Schreiben nochmals erklärt, dass sich der prozentuale Aufschlag bei Ausübung der Rückkaufsoption nicht am Verkehrswert, sondern am vertraglich vereinbarten Kaufpreis orientiert und das mit diesem Aufschlag auch die gleichzeitig vereinbarte Nutzungsentschädigung, bedingt durch das befristete Wohnrecht, abgegolten wäre.
Zuletzt wurde auch noch darauf hingewiesen, dass die Nutzungsentschädigung monatlich nur dann nicht zu bezahlen ist, wenn vom Rückkaufsrecht auch Gebrauch gemacht wird.
c) Die Klägerin hat damit auch nicht ausreichend dargelegt, dass sie faktisch keine Wahl zwischen den beiden Optionen hatte. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe verwiesen. Dieses Wahlrecht, insbesondere die Möglichkeit eines Kaufpreises in Höhe von 379.000,- €, ist damit in einer Gesamtschau mit einzustellen und spricht zusammen mit obigen Erwägungen gegen eine Sittenwidrigkeit des Geschäfts.
d) Daneben wurde vom Landgericht bei der Gesamtschau zutreffend berücksichtigt, dass der Klägerin ein Wohnrecht eingeräumt wurde, bei welcher die Nutzungsentschädigung für 18 Monate gestundet war.
e) Aufgrund dieser Gesamtumstände ist es aus Sicht des Senats letztlich unerheblich, ob der Wert der Immobilie bei 510.000,- € oder sogar darüber lag. Es kam der Klägerin gerade darauf an, einen möglichst niedrigen Kaufpreis zu vereinbaren, um die Kosten für die Ausübung des Rückkaufsrechts so gering wie möglich zu halten. Nur aufgrund des Hinweises der Rechtsanwältin wurde der vorgesehene Kaufpreis sogar noch nach oben hin angepasst, damit der Kaufvertrag in jedem Fall wirksam ist. Es ist daher widersprüchlich, wenn sich die Klägerin nunmehr auf diesen angeblich zu niedrigen Kaufpreis zur Begründung der Sittenwidrigkeit beruft.
2. Soweit die Klägerin daneben weitere falsche Versprechungen im Hinblick auf einen Mietvertrag geltend macht (siehe Anlage K 8), ist nicht ersichtlich, wie ein Angebot der Beklagten im Februar 2020, zu welchem sie vertraglich nicht verpflichtet war, die Sittenwidrigkeit des Vertrags begründen soll. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Beklagte nicht später Nutzungsentschädigung geltend machen sollte, nachdem die Rückkaufsoption nicht genutzt wurde, da dies den vertraglichen Regelungen entspricht, über die die Eheleute ausreichend rechtsanwaltlich informiert waren (s. o.).
Auch ist eine Vergleichbarkeit mit der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 23 W 5/13, nicht gegeben, da die Rückkaufsoption im dortigen Fall an Bedingungen geknüpft war, die der Verkäufer aus tatsächlichen wie aus rechtlichen Gründen von Vorneherein nicht erfüllen konnte. Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.
3. Selbst wenn man den konkreten Wert von Leistung und Gegenleistung vorliegend als wesentliches Kriterium ansehen würde, hätte die Klägerin kein grobes Missverhältnis i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB dargelegt bzw. könnte sich hierauf jedenfalls nicht berufen.
Das Landgericht hat bei seiner Gesamtbetrachtung zutreffend auf einen Wert des Grundstücks in Höhe von 510.000,- € aufgrund des Verkehrswertgutachtens, erstattet für das Vollstreckungsgericht, abgestellt. Die Einwände der Klägerin hiergegen greifen nicht durch.
a) Soweit die Klägerin pauschal behauptet hat, der Wert des Grundstücks sei deutlich höher gewesen, handelt es sich um einen unbeachtlichen Vortrag „ins Blaue hinein“. Das Landgericht musste daher kein weiteres Verkehrswertgutachten einholen. Die Klägerin hat sich mit dem umfassenden und überzeugenden Gutachten in keiner Weise auseinandergesetzt. Sie hat vielmehr nur pauschal auf Auskünfte von anderen Immobilienmaklern verwiesen. Hierbei ist schon festzustellen, dass die hierin enthaltenen Angaben, zum Beispiel zum Baujahr, teils unzutreffend sind. Im Übrigen weisen diese Auskünfte selbst darauf hin, dass es sich nicht um ein formales Gutachten handelt. Zudem ist allgemein bekannt, dass hier möglichst hohe, teils unrealistische zu erzielende Werte angesetzt werden, damit sich der Verkäufer für den jeweiligen Makler entscheidet. Die vorgelegten Marktpreisermittlungen waren daher nicht geeignet, das vom Landgericht herangezogene Verkehrswertgutachten zu erschüttern.
b) Zudem ist zu beachten, dass die Parteien bei der Bemessung des Kaufpreises v.a. auf dieses Wertgutachten abgestellt haben (s. o.), es daher als widersprüchliches Verhalten der Klägerin anzusehen ist, sich nunmehr auf einen angeblich höheren Wert zu berufen.
Ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung beinhaltet nur die Vermutung eines sittenwidrigen Geschäfts. Die tatsächliche Vermutung kann jedoch erschüttert sein (allg. BGH NJW 2010, 365), z.B. wenn der Benachteiligte das Missverhältnis aus freien Stücken akzeptiert (BGH NJW 2007, 2842) oder beim Grundstückskauf durch das Vertrauen auf ein Wertgutachten (vgl. Jauernig/Mansel, 18. Aufl. 2021, BGB § 138 Rn. 16).
Vorliegend hat die Klägerin das Missverhältnis zum einen bewusst und aus ihrer Sicht zu ihrem Vorteil akzeptiert, um die Kosten für den Rückkauf niedrig zu halten (s. o.). Zum anderen haben beide Parteien gleichermaßen auf das Wertgutachten vertraut und dies ihrer Kaufpreisfindung zugrunde gelegt. Die Vermutung – unterstellt ein grobes Missverhältnis wäre überhaupt dargelegt und bewiesen – wäre daher vorliegend erschüttert.
c) Zudem ist festzuhalten, dass die für die Sittenwidrigkeit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin in keiner Weise vorträgt, wie hoch die Wertminderung für die Beklagte aufgrund der klägerischen Rückkaufsoption für 18 Monate war. Unstreitig war dieses Rückkaufsrecht im Grundbuch eingetragen, hatte daher wertmindernde Auswirkungen, da die Beklagte hierüber für 18 Monate nicht frei verfügen konnte. Soweit die Klägerin daher den tatsächlichen Wert des Grundstücks ohne Belastung mit dem gezahlten Kaufpreis für die Frage der Sittenwidrigkeit vergleicht, ist dies bereits unschlüssig. Diesbezüglich fehlt es sowohl an einem ausreichenden Vortrag als auch an einem Beweisangebot. Dem Senat ist es daher vorliegend aufgrund des bisherigen Vortrags schon nicht möglich, das Vorliegen eines groben Missverhältnisses zu überprüfen.
Damit fehlt es nach alledem an einer ausreichenden Darlegung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 138 Abs. 1, Abs. 2, 826 BGB.
3. Zuletzt wendet die Klägerin auch ohne Erfolg ein, aufgrund der Besonderheiten der Corona-Pandemie habe ihr die Beklagte eine Fristverlängerung zur Ausübung des Rückkaufsrechts einräumen müssen.
Zum einen ist zu beachten, dass die Fristverlängerung erst mit Schreiben vom 29.04.2020 beantragt wurde, d. h. erst nach Fristende. Eine Frist, die bereits abgelaufen ist, kann jedoch denknotwendig nicht mehr verlängert werden.
Zudem bleibt der Vortrag auch pauschal und letztlich substanzlos. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Klägerin ohne die Corona-Pandemie noch rechtzeitig eine Finanzierung erreicht hätte. Erst ab Mitte/Ende März 2020 waren Hausbesichtigungen nicht mehr möglich. Die Frist ist aber bereits Ende April 2020 abgelaufen. Warum der Käuferin in einem Monat hätte gelingen sollen, was sie vorher (ohne Pandemie) in 17 Monaten nicht geschafft hat, ist nicht ersichtlich, zumal auch vorgetragen wird, dass die Käufer v.a. aufgrund der fehlenden Eigentümerstellung abgeschreckt gewesen waren.
III.
Aus obenstehenden Gründen ist mangels Erfolsgaussichten der Berufung beabsichtigt, auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor. Über klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfragen hat der Senat nicht zu befinden. Er beabsichtigt eine einzelfallbezogene Entscheidung auf der Grundlage der nach gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung berufungsrechtlich nicht zu beanstandenden erstinstanzlichen Feststellungen. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass in einer solchen neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die zu einer anderen Beurteilung führten, bestehen nicht.
Der Senat regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen, und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV Nr. 1220, 1222) hin. Es wird ebenfalls angeregt, den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzunehmen.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung von § 47 Abs. 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO zu bestimmen sein.


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