Handels- und Gesellschaftsrecht

Einigungsgebühr bei übereinstimmender Erledigungserklärung nach strafbewehrter Unterlassungserklärung

Aktenzeichen  3 W 101/21

Datum:
22.1.2021
Fundstelle:
MD – 2021, 489
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 104
RVG VV 1000

 

Leitsatz

Eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 Nr. 1 VV-RVG entsteht nicht, wenn die Parteien im gerichtlichen Verfahren auf der Grundlage einer die Wiederholungsgefahr beseitigenden strafbewehrten Unterlassungserklärung einen Unterwerfungsvertrag abschließen und den Rechtsstreit sodann übereinstimmend für erledigt erklären. (Rn. 18 – 22)

Verfahrensgang

2 HK O 415/20 2020-10-06 Kostenfestsetzungsbeschluss LGREGENSBURG LG Regensburg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 06.10.2020, Az. 2 HK O 415/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
1. Mit Schreiben vom 17.02.2020 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben (Anlage ASt 11). Die Antragsgegnerin gab hinsichtlich eines (hier nicht mehr streitgegenständlichen Teils) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, im Übrigen wies sie die Ansprüche der Antragstellerin zurück (Anlage ASt 12).
Auf Antrag der Antragstellerin erließ das Landgericht Regensburg am 04.03.2020 die folgende Beschlussverfügung:
Der Antragsgegnerin wird […] untersagt, im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf die Gläubigerin (Antragstellerin) zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, dass es sich bei dieser um einen dem Endkunden kaum bekannten Systemgeber handele, wenn dies geschieht wie durch die aus der Anlage ASt 10 ersichtliche E-Mail vom 13.02.2020 an den Betreiber der Plattform https://www.g…de/.
Im Widerspruchsschriftsatz vom 26.03.2020 erklärte die Antragsgegnerin, dass sie sich gegenüber der Antragstellerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage verpflichtet, es ab sofort im Rahmen einer geschäftlichen Handlung bei Meidung einer für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen Geldstrafe, dessen Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu unterlassen, in Bezug auf die Gläubigerin zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, dass es sich bei dieser um einen dem Endkunden kaum bekannten Systemgeber handelt, wenn dies geschieht wie durch die aus der Anlage ASt 10 ersichtliche E-Mail vom 13.02.2020 an den Betreiber der Plattform https://www.g…de/.
Die Antragstellerin führte daraufhin mit Anwaltsschriftsatz vom 21.04.2020 aus, dass die Unterlassungserklärung derzeit mangels einer den Anforderungen des § 315 BGB und des sogenannten neuen Hamburger Brauchs genügenden Strafbewehrung nicht angenommen werden könne. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin gedenke, kurzfristig nachzubessern, wies die Antragstellerin darauf hin, dass sie innerhalb der ihr bis zum 05.05.2020 gesetzten Frist ggf. noch entsprechend eine Annahme und Erledigung erklären könne.
Mit Schriftsatz vom 23.04.2020 besserte die Antragsgegnerin ihre Unterlassungserklärung entsprechend der Vorgaben zur Strafbewehrung nach und erklärte, dass die ursprüngliche Formulierung auf einem Versehen beruht habe.
Daraufhin nahm die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 05.05.2020 diese Unterlassungserklärung an und erklärte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 03.03.2020 mit Wirkung ab dem 28.04.2020 für erledigt. Die Antragsgegnerin schloss sich dieser Erledigungserklärung mit Schreiben vom 15.05.2020 an.
Mit begründetem Beschluss vom 29.05.2020 legte das Landgericht Regensburg der Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO auf.
2. Im Kostenfestsetzungsverfahren besteht nunmehr Streit darüber, ob aufgrund des dargestellten Sachverhalts zu Lasten der Antragsgegnerin eine Einigungsgebühr festzusetzen ist.
Dies verneinte das Landgericht Regensburg und setzte mit (weiterem) Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.10.2020 die von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin gemäß § 104 ZPO weiter zu erstattenden Kosten auf (lediglich) 265,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 30.09.2020 fest.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin in ihrer sofortigen Beschwerde.
Sie beantragt,
dem Kostenfestsetzungsantrag vom 30.09.2020 in voller Höhe stattzugeben, gegen die Antragsgegnerin also – über die bisher beschlossene Kostenfestsetzung hinaus – weitere Kosten in Höhe von 742,00 € festzusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt
die Zurückweisung der Beschwerde.
Das Landgericht Regensburg half der Beschwerde nicht ab.
Wegen des Inhalts der gerichtlichen Entscheidungen wird auf die Beschlüsse des Landgerichts Regensburg und wegen des Vorbringens der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ging das Landgericht davon aus, dass die geltend gemachte Einigungsgebühr nicht entstanden ist.
1. In rechtlicher Hinsicht ist folgenden Grundsätzen auszugehen:
a) Nach Nr. 1000 Nr. 1 VV-RVG entsteht die Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Die Einigungsgebühr setzt kein gegenseitiges Nachgeben und keinen protokollierten Vergleich voraus, sondern nur eine Einigung über materielle Ansprüche (BGH, Beschluss vom 13.04.2007 – II ZB 10/06, juris-Rn. 6). Allerdings entsteht die Gebühr gemäß Nr. 1000 Abs. 1 VV-RVG nicht, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt.
b) Wenn die Parteien den Rechtstreit übereinstimmend für erledigt erklären, fällt grundsätzlich keine Einigungsgebühr an. Denn die Erledigungserklärungen der Parteien stellen bloße Prozesshandlungen dar. Dadurch wird die Rechtshängigkeit der streitigen Ansprüche in der Hauptsache erledigt. Die Parteien tun lediglich kund, dass sie an einer gerichtlichen Entscheidung kein Interesse mehr haben (OLG Köln, Beschluss vom 09.03.2016 – I-17 W 287/15, juris-Rn. 7).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien über die schlichte Prozesserklärung der Erledigung des Rechtsstreits hinaus eine Vereinbarung treffen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.01.2020 – 8 W 262/18, juris-Rn. 6). Dies ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Parteien über die Klagerücknahme und die Zustimmung der beklagten Partei oder einen Verzicht der Beklagten auf einen Kostenantrag eine Vereinbarung treffen, also einen Vertrag schließen (OLG München, Beschluss vom 29.01.2019 – 11 W 54/19, juris-Rn. 9).
c) Eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV-RVG, durch die der Streit oder die Ungewissheit über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch beseitigt wird, kommt bei der Abgabe einer Unterlassungserklärung durch den Beklagten im Prozess nicht zustande. Denn dann wird der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bereits mit Abgabe der Unterlassungserklärung unbegründet, weil diese die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen lässt, unabhängig davon, ob der Gläubiger die Unterlassungserklärung annimmt. Der Streit oder die Ungewissheit über das Bestehen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird im Falle der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Prozess nicht erst durch den Unterlassungsvertrag, sondern bereits davor durch eine einseitige Handlung des Unterlassungsschuldners, nämlich die Abgabe der Unterlassungserklärung ausgeräumt (OLG München, Beschluss vom 29.01.2019 – 11 W 54/19, juris-Rn. 10).
Zwar stellt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nach deren Annahme einen Vertrag dar, der ein neues Dauerschuldverhältnis begründet. Die Einigungsgebühr entsteht jedoch dann nicht, wenn der Vertrag sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis beschränkt. Dies ist anzunehmen, wenn die Beklagte eine den Klageantrag voll umfassende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt (OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.10.2010 – 3 W 2169/10, juris-Rn. 3).
2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs ist im vorliegenden Fall eine Einigungsgebühr nicht entstanden.
a) Die übereinstimmende Erledigterklärung des Rechtstreits führt nicht zur Entstehung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV-RVG. Denn es handelt sich um bloße Prozesshandlungen, aufgrund derer die Rechtshängigkeit in der Hauptsache endete. Da sich die Parteien auch nicht über die Kosten einigten, hatte das Landgericht eine mit Gründen versehene Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zu treffen.
b) Der geschlossene Unterwerfungsvertrag begründet ebenfalls nicht die Voraussetzungen für das Entstehen einer Einigungsgebühr. Denn dieser Vertrag beschränkte sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis.
aa) Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die ursprüngliche Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 26.03.2020 geeignet war, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Dafür spricht, dass sie inhaltlich die gerügte Verletzungshandlung vollumfänglich umfasste und unter Umständen ein Vertragsstrafversprechen nach „altem“ Hamburger Brauch entgegen seinem Wortlaut dahin ausgelegt werden kann, dass zuerst der Kläger die Höhe der Strafe zu bestimmen hat, und erst bei Nichteinigung das Gericht entscheidet (Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 13a Rn. 7).
Jedenfalls beseitigte die „nachgebesserte“ Unterlassungserklärung vom 23.04.2020 die Wiederholungsgefahr. Die Antragstellerin musste daraufhin eine Erledigterklärung gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO abgeben, um die Abweisung ihres Unterlassungsbegehrens als unbegründet mit negativer Kostenfolge zu vermeiden. Folgerichtig nahm die Antragstellerin die neu gefasste Unterlassungserklärung mit Anwaltsschriftsatz vom 05.05.2020 an und erklärte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 03.03.2020 mit Wirkung ab dem 28.04.2020 für erledigt.
bb) Zwar hat die Antragstellerin auf die Neuformulierung der Unterlassungserklärung mit ihrem Schriftsatz vom 21.04.2020 hingewirkt. Dies führt jedoch nicht zum Entstehen einer Einigungsgebühr. Denn der Unterwerfungsvertrag entstand erst durch das Vertragsangebot vom 23.04.2020 – womit gleichzeitig die Wiederholungsgefahr beseitigt wurde – und die Annahme durch die Antragstellerin im Schriftsatz vom 05.05.2020.
Das in der Abmahnung vom 17.02.2020 enthaltene Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags nahm die Antragsgegnerin nur in Bezug auf den hier streigegenständlichen Teil nicht an. Die im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26.03.2020 enthaltene Unterlassungserklärung stellte daher ein neues Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrags dar (vgl. § 150 Abs. 2 BGB). Diesen Antrag nahm die Antragstellerin wiederum (ausdrücklich) nicht an, sondern erklärte – für den Fall, dass die Antragsgegnerin gedenke, kurzfristig nachzubessern – dass sie innerhalb einer bestimmten Frist noch eine Annahme und Erledigung erklären könne.
Damit entstand der Unterwerfungsvertrag erst durch das nachgebesserte Vertragsangebot im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 23.04.2020 und die Annahme durch die Antragstellerin im Schriftsatz vom 05.05.2020. Mit diesem Schriftsatz vom 23.04.2020 wurde jedoch aufgrund der darin enthaltenen strafbewehrten Unterlassungserklärung gleichzeitig die Wiederholungsgefahr beseitigt. Der Streit oder die Ungewissheit über das Bestehen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wurde daher nicht erst durch den Unterlassungsvertrag, sondern bereits davor durch eine einseitige Handlung der Antragsgegnerin, nämlich die Abgabe der Unterlassungserklärung ausgeräumt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.


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