Handels- und Gesellschaftsrecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz bei im April 2016 erworbenem, vom Abgasskandal betroffenem Fahrzeug

Aktenzeichen  18 U 6174/19

Datum:
24.3.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 23247
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 826

 

Leitsatz

1. Vgl. zum Kauf nach Bekanntwerden des Dieselskandals: BGH BeckRS 2020, 19146; OLG München BeckRS 2020, 28520; BeckRS 2020, 30918; BeckRS 2020, 25694; OLG Frankfurt BeckRS 2020, 18189; BeckRS 2019, 43569; OLG Bamberg BeckRS 2020, 29275; BeckRS 2020, 29353; BeckRS 2020, 31494; sowie mit zahlreichen weiteren Nachweisen OLG München BeckRS 2020, 27980 (dort Ls. 1); OLG Stuttgart BeckRS 2020, 7457 (dort Ls. 4); noch weitergehend: OLG Braunschweig BeckRS 2020, 28511; wie hier a.A. noch: OLG Köln BeckRS 2020, 7312; OLG Hamm BeckRS 2019, 20495; OLG Oldenburg BeckRS 2020, 280; BeckRS 2020, 6021; OLG Dresden BeckRS 2020, 4135; OLG Koblenz BeckRS 2020, 5086; BeckRS 2020, 17856; OLG Naumburg BeckRS 2020, 26059; differenzierend OLG Stuttgart BeckRS 2020, 5609 (Kenntnis erst ab März 2016). (redaktioneller Leitsatz)
2. Der (ursprüngliche) Schädigungsvorsatz der (Motor-)Herstellerin ist durch die Veröffentlichung der Adhoc-Mitteilung vom 22.09.2015 nicht beseitigt worden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Kausalität der Täuschung der Herstellerin für den Vertragsschluss ist nicht erst dann zu verneinen, wenn dem Käufer positiv bekannt ist, dass das Abgasrückführungssystem des konkret erworbenen Kraftfahrzeugs manipuliert ist, sondern es reicht aus, dass der Käufer dies jedenfalls für möglich gehalten hat und er keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese sich ihm aufdrängende Frage vor Vertragsschluss zu klären. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Kausalität einer mit dem Software-Update aufgespielten neuen unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines sog. Thermofensters für den geltend gemachten Schaden, der im Abschluss des Kaufvertrages und den damit zusammenhängenden Aufwendungen besteht, ist nicht erkennbar. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18 U 6174/19 2020-02-19 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 07.10.2019, Aktenzeichen 5 O 3873/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines vom sog. „Dieselskandal“ betroffenen Pkw am 23.04.2016 geltend. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 07.10.2019 (Bl. 160/162 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 07.10.2019 die Klage abgewiesen. Zu den Entscheidungsgründen wird auf Bl. 162/163 d.A. verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Wegen des Berufungsvorbringens des Klägers wird auf den Schriftsatz vom 12.12.2019 (Bl. 171/179 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger stellt die Anträge gemäß Schriftsatz vom 12.12.2019 (Bl. 171 f. d.A.).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen (Bl. 185 d.A.).
Auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 10.02.2020 (Bl. 185/220 d.A.) wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 19.02.2020 (Bl. 221/227 d.A.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtige, die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Schriftsatz vom 17.03.2020 (Bl. 228/239 d.A.) ist der Kläger der beabsichtigten Vorgehensweise entgegen getreten.
II.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 07.10.2019, Aktenzeichen 5 O 3873/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 19.02.2020 (Bl. 221/227 d.A.) Bezug genommen.
Richter am Oberlandesgericht N., der an dem Hinweisbeschluss vom 19.02.2020 nicht mitgewirkt hat, nunmehr aber anstelle von Richterin am Oberlandesgericht G. zur Mitentscheidung berufen ist, tritt dem Hinweisbeschluss vom 19.02.2020 in vollem Umfang bei.
Die Ausführungen in der Gegenerklärung des Klägers vom 17.03.2020 (Bl. 228/239 d.A.) geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Auch der Senat ist der Ansicht, dass der Schädigungsvorsatz der Beklagten durch die Veröffentlichung der Adhoc-Mitteilung vom 22.09.2015 nicht beseitigt worden ist. Darauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, weil der Kläger den ihm obliegenden Nachweis der Kausalität der sittenwidrigen Täuschungshandlung für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw nicht führen kann.
2. Wie im Hinweisbeschluss dargelegt, ist die Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss nicht erst dann zu verneinen, wenn dem Käufer positiv bekannt ist, dass das Abgasrückführungssystem des konkret erworbenen Kraftfahrzeugs manipuliert ist. Vielmehr reicht aus, dass er es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass das Fahrzeug von den ihm bekannten Abgasmanipulationen betroffen ist, und er keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese sich aufdrängende Frage vor Vertragsschluss zu klären. Denn ein solches Verhalten des Käufers lässt im Allgemeinen den Rückschluss darauf zu, dass er die als möglich erkannte Betroffenheit des Pkws billigend in Kauf genommen hat, weil er diesem Umstand für seine Kaufentscheidung keine wesentliche Bedeutung beigemessen hat. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Käufers, der für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Schädigungshandlung und Schadenseintritt darlegungs- und beweisbelastet ist. Mit dieser Argumentation des Senats, die gerade nicht allein auf die Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 abstellt, setzt sich der Kläger in seinem Schriftsatz vom 17.03.2020 nicht erkennbar auseinander. Der Senat hat vorliegend sämtliche Umstände im konkreten Einzelfall gewürdigt und sich nicht zuletzt auch aufgrund der eigenen Angaben des Klägers bei seiner Anhörung und des ausdrücklichen Hinweises im Kaufvertrag auf Seite 3 nicht davon überzeugen können, dass die Täuschungshandlung der Beklagten für den Erwerb des streitgegenständlichen Pkw durch den Kläger kausal geworden ist. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss unter Ziff. I. 1) a) und b) wird Bezug genommen.
Soweit der Kläger nunmehr in seiner Gegenerklärung nach dem Aufspielen des Software-Updates das Vorliegen einer neuen unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines sog. Thermofensters rügt, ist – unabhängig von der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit dieses Vortrages – eine Kausalität für den bisher geltend gemachten Schaden, der im Abschluss des Kaufvertrages und den damit zusammenhängenden Aufwendungen besteht, nicht erkennbar.
3. Auf die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB oder sonstiger deliktischer Anspruchsgrundlagen kommt es mangels Vorliegens des erforderlichen Kausalzusammenhangs im Einzelnen nicht mehr an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.


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