Handels- und Gesellschaftsrecht

Planungsleistungen des Generalunternehmers sind nicht nach HOAI abzurechnen

Aktenzeichen  9 U 3342/20 Bau

Datum:
29.7.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22407
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 631 Abs. 1
HOAI § 7 Abs. 1, 3, 5 (idF bis zum 31.12.2020)

 

Leitsatz

1. Auf einen Generalunternehmervertrag ist die HOAI grundsätzlich nicht anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn der Generalunternehmer, der kein Architekt ist, nur Planungsleistungen erbringt und der Generalunternehmervertrag im Übrigen nicht zustande kommt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Will der Generalunternehmer seine Planungsleistungen in einem solchen Fall ausnahmsweise nach der HOAI abrechnen, muss er den Auftraggeber hierauf im Vorfeld hinweisen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 O 13019/17 2020-04-28 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin, das Verfahren auszusetzen, wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung der Klägerin vom 05.06.2020 gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.04.2020, Aktenzeichen 5 O 13019/17, wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das in Ziffer II. genannte Endurteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 320.186,87 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Aufstockung ihres Honorars im Zusammenhang mit Planungsleistungen am Bauvorhaben N. … Die Klägerin legte der Beklagten zu 1), deren Gesellschafter die Beklagten zu 2) und 3) sind, am 03.11.2014 ein Angebot über das Bauvorhaben N. zu einem Gesamtpreis von 2.215.560,00 € vor, nach welchem die Klägerin als Bau- und Generalunternehmergesellschaft tätig werden sollte. Streitig ist, ob die Klägerin ihr Angebot 7 Tage später zurückgezogen hat. Die Klägerin erbrachte in der Folgezeit Planungsleistungen für das Gebäude, das ohne ihre Mitwirkung errichtet wurde.
Am 13.05.2015 stellte die Klägerin an die Beklagte zu 1) eine „Schlussrechnung“ unter Bezugnahme auf das Angebot vom 03.11.2014 über eine unter Berücksichtigung der Abschlagszahlung in Höhe von 40.000,00 € noch offene Gesamtsumme von 75.018,00 € brutto. Diese setzte sich zusammen aus den Positionen „Erstellen einer prüffähigen Statik ohne Prüfgebühren sowie Ausführungspläne Statik gemäß der erstellten Statik“ über 39.600,00 €, „Nachweis der Energiesparverordnung“ über 5.000,00 €, „Werkplanung 1:50 einschl. der notwendigen Details zur Ausführung“ über 39.600,00 € sowie „Projektierungspläne Heizung, Sanitär, Elektro, Lüftung einschl. funktionale Baubeschreibung sowie notwendige Ausführungsplanung“ über 18.000,00 €. Am 30.03.2016 übersandte die Klägerin an die Beklagte zu 1) eine korrigierte Schlussrechnung, die unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Mindestpreisrecht der HOAI unter Berücksichtigung einer Abschlagszahlung von 65.210,08 € netto auf einen ausstehenden Zahlungsbetrag von 176.477,61 € kommt. Nachdem die Klägerin einen Sachverständigen mit der exakten Überprüfung ihres Honoraranspruchs beauftragt hatte, stellte sie schließlich unter dem 15.03.2017 eine neue Schlussrechnung über 357.176,79 €.
Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 28.04.2020, Az.: 5 O 13019/17, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Mit Entscheidung vom genannten Tag verurteilte das Erstgericht die Beklagten zur Zahlung von 36.989,92 € nebst Zinsen unter Abweisung der Klage im Übrigen. 9 U 3342/20 Bau – Seite 3 – Tragend stellte es dabei darauf ab, dass die Klägerin und die Beklagte zu 1) einen eigenständigen Vertrag über Planungsleistungen geschlossen haben und die Parteien eine konkludente Preisabrede auf 102.200,00 € getroffen haben. Eine Einigung auf die HOAI-Preise sei nicht erfolgt.
Gegen dieses dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin unter dem 06.05.2020 zugestellte Endurteil legte derselbe mit Schriftsatz vom 05.06.2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tag, Berufung ein, die er mit Schriftsatz vom 06.08.2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tag, begründete.
Die Klägerin argumentiert, das Erstgericht habe fehlerhaft die Anwendbarkeit der Regelungen zu den Mindestsätzen der HOAI verneint und verweist auf die Entscheidung des BGH vom 14.05.2020 – VII ZR 174/19 (Vorlage an den EuGH).
Die Klägerin beantragt zuletzt,
unter Abänderung des am 28.04.2020 verkündeten und am 06.05.2020 zugestellten Urteils des LG München I, Az.: 5 O 13019/17, die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin weitere 320.186,87 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.04.2017 zu zahlen und das Berufungsverfahren im Hinblick auf die EuGH-Vorlage des BGH auszusetzen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und betonen die Bindung der Klägerin an ihre Schlussrechnung vom 13.05.2015.
Mit Beschluss vom 16.06.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und das Verfahren nicht auszusetzen. Hierauf hat die Klägerin unter dem 13.07.2021 erwidert; die Beklagte hat unter dem 07.07.2021 eine Stellungnahme abgegeben.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin vom 05.06.2020 gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.04.2020, Az.: 5 O 13019/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 16.06.2021 Bezug genommen.
In diesem hat der Senat ausgeführt:
„Der Senat weist darauf hin, dass das Aufstockungsverlangen der Klägerin von konkludent Ende 2014 pauschal vereinbarten 102.200 € netto auf 365.358,64 € netto jedenfalls im vorliegenden Einzelfall praeter legem treuwidrig sein dürfte, weil es sich auf irreparabel unionsrechtswidrige HOAI-Mindestsätze stützt (OLG München, Hinweise vom 07.07.2020, 9 U 2001/19 – juris). Ohne jeden Gestaltungsspielraum musste der nationale Gesetzgeber den zwingenden Charakter der HOAI-Mindestsätze beseitigen. Das spricht auch für die ausnahmsweise unmittelbare Wirkung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (Deckers, ZfBR 2020, 605).
Da die Klägerin nicht Architektin ist, hätte sie die Beklagte zudem auf diesen Umstand hinweisen müssen einschließlich der Absicht, wegen Nichtzustandekommens des GÜVertrags die dann allein beauftragten Architektenleistungen nach HOAI-Mindestsätzen abrechnen zu wollen (Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, 11. Teil, Rdnr. 273; weitergehend OLG Köln, Urteil vom 10.12.1999, 19 U 19/99 – juris, gegen die Anwendbarkeit der HOAI, wenn statt einem vorgesehenen schlüsselfertigen Bau nur der Planungsteil erbracht wird). Aus dem unterlassenen Hinweis dürfte eine weitere Treuwidrigkeit der Klägerin folgen, zumal bei richtiger Aufklärung die Beklagte es in der Hand gehabt hätte, die HOAI-Mindestsätze durch Abschluss eines GÜ-Vertrags mit der Klägerin oder einem Dritten zu vermeiden (vgl. zum doloagit-Einwand BGH, Urteil vom 06.10.2016, VII ZR 185/13 – juris).
Daher dürfte es bei dem konkludent vereinbarten Honorar aus dem GÜ-Angebot der Klägerin bleiben.
Im Hinblick auf die Treuwidrigkeit des Aufstockungsverlangens dürfte im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidend sein, ob und welche unmittelbaren Rechtswirkungen die EU-Dienstleistungsrichtlinie und das Urteil des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17) entfalten. Der Aussetzungsantrag dürfte daher keinen Erfolg haben und keine grundsätzliche Bedeutung der Sache vorliegen.“
Die Ausführungen der Klägerin in der Gegenerklärung vom 13.07.2021 geben zu einer Änderung der Rechtsauffassung keinen Anlass.
1. Der Antrag der Klägerin, das Verfahren in (entsprechender) Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen, war zurückzuweisen.
Eine Aussetzung kommt nur dann in Betracht, wenn es auf die europarechtliche Frage, ob der Dienstleistungsrichtlinie und ggf. den Grundfreiheiten, insbesondere der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV, unmittelbare Wirkung in der Weise zukommt, dass die Mindestsatzbindung der HOAI keine Anwendung finden kann, ankommt und wenn die Aussetzung zum jetzigen Zeitpunkt der Prozessökonomie entspricht. Da es im vorliegenden Fall auf Besonderheiten des Generalübernehmerrechts sowie der Treuwidrigkeit ankommt und damit die europarechtlichen Fragen nicht entscheidungserheblich sind, war der Aussetzungsantrag abzulehnen.
2. Soweit die Klägerin rügt, im Hinweisbeschluss des Senats werde nicht begründet, woraus sich vorliegender Einzelfall ergebe, ist auf den Gang des Vorhabens hinzuweisen. Zunächst war ein Generalunternehmervertrag beabsichtigt, auf den die HOAI nicht anzuwenden ist (OLG Köln, Urteil vom 10.12.1999, NJW-RR 2000, 611). Die Klägerin hat sodann „nur“ ihre Planungsleistungen erbracht, ohne darauf hinzuweisen, dass sie diese nach der HOAI abrechnen will. Dieser Hinweis wäre deshalb erforderlich gewesen, weil beim steckengebliebenen Generalunternehmervertrag die HOAI gerade nicht anzuwenden ist.
3. Im Übrigen wiederholt die Klägerin nur ihre bereits bekannten Argumente, zu denen bereits Stellung genommen worden ist.
III.
Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert: §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 48 GKG, §§ 3 ff. ZPO.


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