Handels- und Gesellschaftsrecht

Rückgewährklage nach Insolvenzanfechtung: Auszahlung von Darlehensvaluta durch den späteren Insolvenzschuldner statt durch den Darlehensgeber; Indiz für Benachteiligungsvorsatz bei Verschiebung der durch ein betrügerisches Anlagemodell erworbenen Gelder an Dritte

Aktenzeichen  IX ZR 266/19

Datum:
29.4.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:290421UIXZR266.19.0
Normen:
§ 133 Abs 1 InsO
§ 134 Abs 1 InsO
§ 488 BGB
§ 263 StGB
Spruchkörper:
9. Zivilsenat

Leitsatz

1. Erhält der Darlehensnehmer die Darlehensvaluta nicht vom Darlehensgeber als seinem Vertragspartner, sondern vom späteren Insolvenzschuldner, handelt es sich bei der Auszahlung der Darlehensvaluta jedenfalls dann nicht um eine unentgeltliche Leistung des späteren Insolvenzschuldners an den Darlehensnehmer, soweit der Darlehensnehmer (Zuwendungsempfänger) zur Rückzahlung des Darlehens an seinen Vertragspartner verpflichtet ist und das Darlehen zurückgezahlt wird.
2. Nimmt der Schuldner Rechtshandlungen vor, mit denen er durch ein betrügerisches Anlagemodell eingeworbene Gelder planmäßig bewusst und gewollt an Dritte verschiebt, um sie dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen und für Hintermänner zu sichern, stellt dies ein deutliches Indiz für einen Benachteiligungsvorsatz dar.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Celle, 7. November 2019, Az: 16 U 114/17vorgehend LG Hannover, 14. November 2017, Az: 20 O 98/14

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 7. November 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die B.                Ltd. (fortan: Schuldnerin) mit Sitz in Gibraltar vertrieb zwischen 2001 und 2008 in Deutschland Kapitalanlagen in Gestalt eines sogenannten Schneeballsystems. Anteilseigner der Schuldnerin war zu 1/5      H.  über eine treuhänderisch gehaltene Beteiligung. Die Schuldnerin verfügte über keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen. Sie warb von Anlegern mehr als 4 Mio. € ein, deren Verbleib weitgehend nicht mehr nachvollziehbar ist.
2
Der Vertrieb der angeblichen Kapitalanlagen erfolgte unter anderem durch die A.                    GmbH (fortan: A.     ). Mitgesellschafter und Geschäftsführer der A.    war im Juni 2005     H.  . Im Dezember 2004 gründete die A.    die Beklagte.     H.  war bis Februar 2011 Geschäftsführer der Beklagten.
3
Mit notariellem Vertrag vom 12. April 2005 kaufte         B.    von der Stadt L.     ein noch zu vermessendes Grundstück. Am 29. April 2005 schloss die Beklagte, vertreten durch         B.    und       H.  als ihren Geschäftsführern, einen notariellen Darlehensvertrag mit der B.                E.        (fortan: B.  E.  ), wonach die B.  E.  ein Darlehen über 350.000 € gewähren sollte. Im Anschluss daran versprach die Beklagte         B.    ein Darlehen über 350.000 € zur Finanzierung des Grundstückskaufs. Bereits seit 2004 war die Schuldnerin als stille Gesellschafterin an der B.  E.  mit einem auf höchstens 300.000 € begrenzten Betrag beteiligt. Geschäftsführer der B.  E.  war der wirtschaftlich ebenfalls zu 1/5 an der Schuldnerin beteiligte     T.         , dem die Schuldnerin Generalvollmacht erteilt hatte.
4
Die Schuldnerin veranlasste am 2. Juni 2005 eine Überweisung über 350.000 € von ihrem Geschäftskonto bei der V.                (Liechtenstein) auf das im Kaufvertrag benannte Notaranderkonto. Verwendungszweck war der Grundstückskaufvertrag. Das Darlehen wurde einschließlich Zinsen an die B.  E.  zurückgezahlt. Mit Beschluss vom 31. Oktober 2012 lehnte das fürstliche Landgericht Liechtenstein die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der B.  E.  mangels Masse ab.
5
Auf einen Antrag vom 24. Juli 2008 eröffnete das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger kündigte vorsorglich gegenüber der Beklagten ein etwa gewährtes Darlehen und machte zudem Anfechtungsansprüche im Hinblick auf die Überweisung der Schuldnerin über 350.000 € geltend.
6
Der Kläger hat eine Teilklage über 110.000 € erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.


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