Handels- und Gesellschaftsrecht

Steuerliche Hilfeleistung bei Vertrag zur Konzepterarbeitung – Vorlagepflicht zum EuGH

Aktenzeichen  27 U 928/17

Datum:
11.1.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24451
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 267 S. 3
StBerG § 4 Nr. 5, § 5 Abs. 1
RDG § 3, § 5

 

Leitsatz

Das Berufungsgericht ist nicht gemäß Art. 267 S. 3 AEUV zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, wenn gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig ist, weil der Wert der geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 46163). (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 U 928/17 2017-11-09 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 09.02.2017, Az.: 091 O 1187/16, wird durch einstimmigen Beschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern.
Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus sonstigen Gründen ist nicht geboten.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieser Beschluss sowie das in Ziffer I. genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird zunächst auf 59.500,- € und ab 18.09.2017 auf 71.400,- € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Vergütung aus einem mit der Beklagten geschlossenen Beratungsvertrag. Die Beklagte macht im Wege der Widerklage Rückzahlungsansprüche bezüglich bereits geleisteten Honorars wegen Nichtigkeit dieses Vertrages geltend.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 29.750,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 30.06.2016 zu bezahlen.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landgericht aus, der zwischen den Parteien geschlossene Beratungsvertrag sei gemäß § 134 BGB nichtig, so dass ein Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung der Klägerin nicht bestehe. Der Beratungsvertrag habe sowohl Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 3 RDG als auch Hilfeleistungen in Steuerangelegenheiten gemäß § 5 Abs. 1 StBerG zum Gegenstand. Dass der Vertrag daneben auch erlaubte Tätigkeiten umfasse, sei für die Nichtigkeit ohne Bedeutung.
Der Rückzahlungsanspruch der Beklagten für geleistete Zahlungen ergebe sich aufgrund der Nichtigkeit des Vertrages aus den § 812, 818 BGB.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz zunächst beantragt,
das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 09.02.2017, Az.: 091 O 1187/16, aufzuheben und unter Abweisung der Widerklage die Beklagte wie folgt zu verurteilen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.000,- € netto zuzüglich nebst 19% Mehrwertsteuer in Höhe von 4.750,- €, mithin insgesamt 29.750,- € brutto, nebst 8% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere nicht streitwerterhöhende 1.141,90 € netto außergerichtliche Anwaltsgebühren zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist – notfalls gegen Sicherheitsleistung – vorläufig vollstreckbar.
Mit Schriftsatz vom 18.09.2017, eingegangen bei Gericht an diesem Tage, hat die Klägerin des Weiteren klageerweiternd beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,- € netto zuzüglich 19% Umsatzsteuer nebst 5 Prozentpunkten Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Klägerin im Wesentlichen aus:
Das Landgericht habe den Beratervertrag rechtsfehlerhaft wegen unerlaubter Rechts- und Steuerberatung als nichtig angesehen. Vielmehr handele es sich bei den im Vertrag genannten Tätigkeiten um Rechts- und Steuerberatungen als erlaubte Nebenleistungen bzw. Hilfsgeschäfte (§§ 5 RDG, 4 Nr. 5 StBerG).
Das Konzept einer DG A. EWIV sei auch keineswegs wertlos, sondern umsetzbar, es greife auch steuerlich, soweit es richtig umgesetzt werde.
Wegen der rechtsfehlerhaft angenommenen unerlaubten Rechts- und Steuerberatung habe das Landgericht keinerlei Beweis darüber erhoben, ob und welche Leistungen des Vertrages durch die Klägerin tatsächlich erbracht worden seien. Damit habe das Landgericht die dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Tatsachen nicht richtig ermittelt.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 30.03.2017 (Bl. 101/116 d.A.) sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 18.09.2017 (Bl. 130/135 d.A.) Bezug genommen.
II.
Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 09.11.2017 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO Bezug genommen wird.
Die Stellungnahme der Klägerin vom 05.12.2017 weist keine neuen, entscheidungserheblichen Gesichtspunkte auf, die zu einer anderen rechtlichen Wertung führen können.
Hierzu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:
1. Eine Vorlagepflicht des Senats gemäß Art. 267 Satz 3 AEUV besteht im streitgegenständlichen Verfahren nicht. Gemäß Art. 267 Satz 1 AEUV entscheidet der Europäische Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung von Verträgen oder die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. Nur wenn eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt wird, dessen Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet (Art. 267 Satz 3 AEUV).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Vielmehr steht der Berufungsführerin gegen die streitgegenständliche Entscheidung gemäß § 522 Abs. 3 ZPO das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre. Ein Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ist damit in gleicher Weise anfechtbar wie ein die Berufung zurückweisendes Urteil, indem die Revision nicht zugelassen worden ist. Statthaftes Rechtsmittel ist somit die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,- € übersteigt (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO).
2. Die Ausführungen der Klägerin auf Seite 5 ff. ihrer Stellungnahme zur ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin im Falle der Nichtigkeit des Vertrages sind nicht nachvollziehbar. Auch das Landgericht geht, in Übereinstimmung mit dem Senat, davon aus, dass die Klägerin ungerechtfertigt bereichert ist und deshalb im Wege der Widerklage die empfangenen Leistungen herauszugeben hat.
3. Die Ausführungen der Klägerin zu § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB überzeugen nicht.
Soweit die Klägerin argumentiert, es sei erkennbar möglich, jedem Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrages eine entsprechende Vereinbarung vorzulegen, ist darauf hinzuweisen, dass dies nur für Versicherungsnehmer gelten kann, die nicht bereits Mitglied der Versicherungsgesellschaft sind.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte unstreitig nur auf rein nationalem Gebiet tätig ist und hiervon zigtausende Versicherungsnehmer, die bereits Kunden sind, zur Änderung der bestehenden Vereinbarungen veranlasst werden müssten.
4. Nach eigenem Vortrag der Klägerin hat das Landgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.01.2017 erklärt, dass es wohl die Auffassung vertrete, dass die Klage abzuweisen und der Widerklage stattzugeben sei, da der Vertrag wegen unerlaubter Rechts- und Steuerberatung nichtig sei. Schriftsatzfrist hierzu wurde von Klageseite, wie dem Protokoll vom 12.01.2017 zu entnehmen ist, nicht beantragt. Trotzdem hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.02.2017 ihre Rechtsauffassung noch vor Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung ausführlich dargelegt.
Hinzu kommt, dass auch die Beklagte bereits mit Klageerwiderung vom 24.06.2016 ausführlich dazu Stellung genommen hat, aus welchen Gründen der streitgegenständliche Beratungsvertrag (wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz) nichtig sei.
Die von der Klägerin wiederholte Gehörsrüge ist daher nicht zielführend.
5. Hinsichtlich des weiteren Vergütungsanspruches in Höhe von 10.000,- € netto ist den Ausführungen des Senats unter Ziffer 2. des Hinweisbeschlusses nichts hinzuzufügen, wie auch die Klägerin selbst einräumen muss.
Nach alledem erweist sich das Ersturteil nach wie vor in vollem Umfang als zutreffend und die Berufung der Klägerin ist durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel