Handels- und Gesellschaftsrecht

Vergütung des Zwangsverwalters: Regelvergütung bei von einer Vermietung oder Verpachtung abweichenden Grundstücksnutzung

Aktenzeichen  5 T 14/22

Datum:
2.5.2022
Gerichtsart:
LG Trier 5. Zivilkammer
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend AG Daun, 20. Januar 2022, 7 L 1/18, Beschluss

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin und der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Daun vom 20.01.2022, Az. 7 L 1/18, aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe


I.
Gläubigerin und Schuldnerin wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Daun vom 20.01.2022, mit dem die Vergütung des Zwangsverwalters auf 238.473,55 € festgesetzt worden ist.
Das Amtsgericht Daun ordnete mit Beschluss vom 21.06.2018 (Bl. 6 ff. d. A.) auf Antrag der Gläubigerin betreffend das Objekt Gemarkung … (Eifel), Flur …, Nr. …, Gebäude- und Freifläche, … Straße 6, Blatt …, BV …, aufgrund der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars … in … vom 26.06.2009, UR-Nr. … wegen eines persönlichen Anspruchs in Höhe von 4.800.000 € in der Hauptsache sowie wiederkehrenden Leistungen (15 % Hauptsachezinsen aus 4.800.000 € seit 01.01.2015) die Zwangsverwaltung an. Als Zwangsverwalter wurde der sonstige Beteiligte bestellt. Der Beschluss wurde der Schuldnerin am 26.06.2018 zugestellt.
Der sonstige Beteiligte übte sodann sein Amt als Zwangsverwalter aus und betrieb das Biomassekraftwerk der Schuldnerin weiter.
Mit Schriftsatz vom 18.03.2021 (Bl 413 d. A.) beantragte der sonstige Beteiligte beim Amtsgericht Daun für seine Verwaltertätigkeit vom 01.01.2020 bis 31.12.2020 eine Vergütung in Höhe von 238.473,54 € festzusetzen. Er hat ausgeführt, dass es sich um ein schwieriges Verfahren handele. Aufgrund der Berechtigung zum Umsatzsteuervorwegabzug entstehe Mehrarbeit durch monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen, die Umsatzsteuerjahreserklärung als auch eine Umsatzsteuersonderprüfung. Zudem bedinge die Problematik „unterlassene Wartung und unorganisierte Abfallentsorgung“ monatliche Mehrarbeit. Daher sei eine Erhöhung der Regelvergütung um 2 % auf insgesamt 12 % angemessen. Die Vergütung sei nach § 18 Abs. 1 i. V. m. §§ 17 Abs. 1, 21 Abs. 1 ZwVwV zu bemessen. Die geltend gemachte Auslagenpauschale beruhe auf § 21 Abs. 2 S. 2 ZwVwV.
Die Vergütung hat er im Einzelnen wie folgt berechnet:

– Regelvergütung (§ 18 Abs. 1 ZwVwV) 12 % Einnahmen (Anlage 1):
196.481,12
– vertraglich geschuldete, nicht eingezogene Forderungen 2,4 % (Anlage 2):
3.436,82 €
– Auslagenpauschale gemäß § 21 Abs. 2 S. 2 ZwVwV:
480 € 
– Zwischensumme (netto):
200.397,94 €
– zzgl. 19 % Mehrwertsteuer:
38.075,61 €
– Vergütung 2020:
238.473,55 €

Auf die Anlage 1 (Bl. 415 d. A.) und Anlage 2 (Bl. 416 d. A.) wird Bezug genommen.
Mit Verfügung vom 11.05.2021 hat das Amtsgericht Daun Schuldnerin und Gläubigerin rechtliches Gehör zu dem Vergütungsantrag gewährt.
Mit Schriftsatz vom 08.06.2021 (Bl. 436 d. A.) ist die Gläubigerin dem Antrag entgegengetreten und hat ausgeführt, dass § 18 Abs. 1 ZwVwV auf Miet- und Pachtverhältnisse abstellt, mithin vorliegend für den Betrieb des Kraftwerks und die daraus erzielten Einnahmen nicht anwendbar sei. Die Vergütung sei vielmehr nach § 19 ZwVwV zu bemessen.
Mit Schriftsatz vom 30.06.2021 (Bl. 445 ff. d. A.) ist die Schuldnerin dem Vergütungsfestsetzungsantrag ebenfalls entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 20.01.2022 (Bl. 493 f. d. A.) hat das Amtsgericht Daun die Vergütung für das Jahr 2020 antragsgemäß insgesamt auf 238.473,55 € festgesetzt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Nutzziehung aus dem Verwaltungsobjekt nicht zwingend aus eine Vermietung oder Verpachtung erfolgen müsse. Gemäß § 152 ZVG seien Nutzungen vielmehr bestmöglich zu ziehen. Dies habe der Zwangsverwalter durch den Weiterbetrieb des Kraftwerks getan. Dies gehe gegenüber einer Vermietung oder Verpachtung mit einem Mehraufwand einher, welcher zu vergüten sei. Eine Erhöhung der Vergütung sei zudem wegen der Problematik der unterlassenen Wartung und unorganisierten Abfallentsorgung gerechtfertigt.
Es sei sachgerecht, § 18 ZwVwV entsprechend anzuwenden, da die im Vergleich zu einer Vermietung/ Verpachtung höheren Einnahmen eine höhere Vergütung ergeben, die damit den Mehraufwand angemessen vergüten. Jede andere Art der Vergütungsabrechnung, etwa nach § 19 ZwVwV würde zu unbilligen Ergebnissen führen. Die Tätigkeit des Zwangsverwalters ähnele in concreto derjenigen eines Insolvenzverwalters. Ein Vergleich mit den entsprechenden Vergütungsregelungen sei daher angemessen. Die geltend gemachte Vergütung sei angefallen und entspreche den Berechnungsgrundlagen der ZwVwV.
Der Beschluss ist der Gläubigerin am 28.01.2022 und der Schuldnerin am 26.01.2022 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 07.02.2022 (Bl. 513 ff. d. A.), eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 20.01.2022 eingelegt. Sie führt aus, dass § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV nicht anwendbar sei, da weder eine Vermietung noch eine Verpachtung stattfinde. Es sei Wärme gegen Entgelt an die Abnehmer geliefert worden – was unstreitig ist -, so dass die Annahme eines Miet- oder Pachtvertrags in keinerlei Hinsicht in Betracht komme. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 18 ZwVwV würden mangels Regelungslücke nicht vorliegen. Für die Vergütung eines Zwangsverwalters habe der Gesetzgeber in §§ 17 ff. ZwVwV abschließende Regelungen getroffen. Richtigerweise müsse eine Vergütungsfestsetzung nach § 19 ZwVwV, mithin auf Stundenbasis, erfolgen.
Mit Schriftsatz vom 10.02.2022 (Bl. 523 ff. d. A.), eingegangen am selben Tag, hat auch die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den Antrag des Zwangsverwalters auf Vergütungsfestsetzung zurückzuweisen. Wie die Schuldnerin führt sie aus, dass § 18 ZwVwV nicht anwendbar sei.
Mit Beschluss vom 16.03.2022 (Bl. 542 d. A.) hat das Amtsgericht Daun der sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei der Vergütungsregelung für die Zwangsverwaltung die Betriebsfortführung nicht bedacht habe. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 18 ZwVwV liegen daher vor.
Mit Schriftsatz vom 14.04.2022 (Bl. 11 d. eAkte) hat der sonstige Beteiligte ausgeführt, dass es im Rahmen des § 18 ZwVwV nicht darauf ankommen, wie Erträge durch den Zwangsverwalter generiert würden. Wie im Beschluss des BGH vom 27.05.2021 (Az. V ZB 152/18) festgestellt sei es im Rahmen der Vergütungsfestsetzung sachgerecht, auf den Ertrag der Tätigkeit abzustellen. Die Vergütungsberechnung nach § 18 ZwVwV sei derjenigen nach § 19 ZwVwV vorrangig.
Mit Beschluss vom 27.04.2022 ist das Verfahren zur Entscheidung auf die Kammer übertragen worden.
II.
Die zulässigen sofortigen Beschwerden von Schuldnerin und Gläubigerin sind begründet.
1) Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Bei der Zwangsverwaltung von Grundstücken, die durch Vermieten oder Verpachten genutzt werden, erhält der Verwalter gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV als Vergütung in der Regel 10 Prozent des für den Zeitraum der Verwaltung an Mieten oder Pachten eingezogenen Bruttobetrags.
a) Eine direkte Anwendung des § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV kommt nach dem eindeutigen Wortlaut nicht in Betracht. Die Norm stellt ausdrücklich auf eine Nutzung eines Grundstücks durch Vermieten oder Verpachten ab. Unstreitig liegt eine solche Nutzung hier nicht vor.
b) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kommt eine analoge Anwendung von § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV für Erträge aus einer anderen Grundstücksnutzung als Vermietung oder Verpachtung nicht in Betracht.
Voraussetzung für eine analoge Anwendung ist das Vorliegen eine planwidrigen Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage. An einer planwidrigen Regelungslücke fehlt es hier allerdings.
Für den Fall, dass § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV nicht eröffnet ist, hat der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 S. 1 ZwVwV eine Regelung getroffen. Steht dem Verwalter eine Vergütung nach § 18 ZwVwV nicht zu, bemisst sich hiernach die Vergütung nach Zeitaufwand.
Der Geltungsbereich von § 19 Abs. 1 ZwVwV erfasst nach dem Wortlaut der Verordnung sämtliche Fälle, in denen weder Mieten noch Pachten gezogen werden, deren Einzug zur Gewährung der Regelvergütung nach § 18 ZwVwV führen würde. Die Vergütung berechnet sich daher z. B. nach § 19 Abs. 1 ZwVwV, wenn der Zwangsverwalter Einnahmen aus der Landwirtschaft oder der Ausübung von Abbaurechten erzielt (BeckOK KostR/Klahr, 37. Ed. 1.4.2022, ZwVwV § 19 Rn. 15) oder die Nutzung im Verkauf von Kies, Sand, Tonerde besteht (BDZ/Zimmermann, 5. Aufl. 2021, ZwVwV § 19 Rn. 1).
Die gesetzliche Systematik lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber Fälle, in denen Erträge aus einer anderen Grundstücksnutzung als Vermieten oder Verpachten erzielt werden, übersehen hat. Wie § 19 ZwVwV belegt, hat er durchaus bedacht, dass neben einer Vermietung oder Verpachtung auch andere Arten der Verwertung in Betracht kommen. Deshalb hat er mit § 19 ZwVwV eine Auffangnorm für andere Nutzung geschaffen.
Dass § 19 ZwVwV nur für diejenigen Fälle gelten soll, in denen eine Vergütung nach § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV nicht auskömmlich bzw. zu hoch ist, kann nicht angenommen werden. Der Gesetzgeber hat auch diese Fälle ausdrücklich geregelt.
Eine im Verhältnis zu seiner Tätigkeit unangemessen hohe Regelvergütung des Zwangsverwalters im Rahmen des § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV kann gem. § 18 Abs. 2 Alt. 1 ZwVwV vermindert werden. Für eine im Verhältnis zu seiner Tätigkeit unangemessen niedrige Regelvergütung kommen eine Erhöhung des Prozentsatzes gem. § 18 Abs. 2 Alt. 2 ZwVwV oder – auf entsprechende Abrechnung des Zwangsverwalters hin – eine Vergütung nach Zeitaufwand gem. § 19 Abs. 2 ZwVwV in Betracht.
Die Fortführung eines grundstücksbezogenen Gewerbebetriebs ist entgegen den Ausführungen des sonstigen Beteiligten nicht mit einer Vermietung oder Verpachtung gleichzusetzen. Das sieht auch das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss so, wenn es meint, die unterlassene Wartung der Anlagen und die unorganisierte Abfallentsorgung habe für den Verwalter gegenüber einer reinen Vermietung einen höheren Aufwand begründet. Die Rechtsfolge liegt dann aber nicht in einer Erhöhung der Regelvergütung gem. § 18 Abs. 2 ZwVwV, sondern in der Unanwendbarkeit des Systems der Regelvergütung. Das führt zwangsläufig zu einer Vergütung nach Zeitaufwand gem. § 19 Abs. 1 ZwVwV.
Der Beschluss des BGH vom 27.05.2021 (Az. V ZB 152/18) betrifft den Fall, in dem ein Grundstück durch eine Vermietung genutzt wurde und die Frage, wie eine nach § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV berechnete Vergütung gekürzt werden kann, wenn diese unangemessen hoch erscheint. Mit der Frage der analogen Anwendbarkeit von § 18 Abs. 1 S. 1 ZwVwV befasst sich die Entscheidung nicht.
Soweit das Amtsgericht und der Beschwerdeführer ausführen, die Tätigkeit des Verwalters ähnele der eines Insolvenzverwalters, der einen Betrieb fortführt, ist hierzu Folgendes anzumerken. Die Vergütung eines Insolvenzverwalters knüpft gemäß § 2 InsVV an die Höhe der Insolvenzmasse an. Das System ist auf die Zwangsverwaltung nicht übertragbar, weil es hier keine zu verteilende Masse gibt. Wegen der unterschiedlichen Berechnungsmethoden kann dies im Einzelfall dazu führen, dass ein Zwangsverwalter im Fall der Fortführung eines Unternehmens eine niedrigere Vergütung erhält als ein Insolvenzverwalter. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Tätigkeiten von Insolvenz- und Zwangsverwalter gerade nicht vollständig vergleichbar sind. Ein Zwangsverwalter muss keine Berechtigung der Forderungen einzelner Gläubiger prüfen und zu einer Insolvenztabelle feststellen. Ihm obliegt auch nicht die quotale Verteilung der erzielten Erlöse an die Gläubiger. Aus der Vergütungsordnung für Insolvenzverwalter können für die dem Zwangsverwalter zustehende Vergütung mithin keine Erkenntnisse abgeleitet werden.
Die Kammer verkennt nicht, dass es für den sonstigen Beteiligten einen erheblichen Aufwand darstellt, seine Abrechnung auf Stundenbasis gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 ZwVwV vorzunehmen. Der Gesetzgeber hat mit §§ 18, 19 ZwVwV jedoch eine bestimmte Vergütungsordnung festgelegt, die hinzunehmen ist.
2) Der Beschluss war aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Entscheidungsreife liegt nicht vor, noch ist diese mit verhältnismäßigem Aufwand herbeizuführen. Da dem sonstigen Beteiligten ermöglicht werden muss, einen Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 19 ZwVwV geltend zu machen, muss das Vergütungsfestsetzungsverfahren im Ergebnis vollständig wiederholt werden.
Gerichtskosten fallen in dem Beschwerdeverfahren nicht an. Über eine Erstattung von in dem Beschwerdeverfahren angefallenen Auslagen ist nicht zu entscheiden, weil das (Beschwerde-)Verfahren über die dem Zwangsverwalter zustehende Vergütung nicht kontradiktorisch zwischen zwei einander gegenüberstehenden Parteien ausgetragen wird.
Die Rechtsbeschwerde ist entsprechend der Anregung des sonstigen Beteiligten zuzulassen. Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Zwangsverwalter bei einer von einer Vermietung oder Verpachtung abweichenden Nutzung des Grundstücks die Regelvergütung gem. § 18 ZwVwV beanspruchen kann, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden.


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