Handels- und Gesellschaftsrecht

Verfahrenskostenstundung im Insolvenzverfahren und Masseunzulänglichkeit: Quoten bei der Befriedigung von Gerichtskosten und Insolvenzverwaltervergütung aus der unzulänglichen Masse

Aktenzeichen  IX ZB 175/11

Datum:
7.2.2013
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 54 InsO
§ 63 Abs 2 InsO
§ 209 Abs 1 Nr 1 InsO
Spruchkörper:
9. Zivilsenat

Leitsatz

Reicht die Insolvenzmasse bei gewährter Kostenstundung nicht aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, sind die Kosten nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen; auf die Gerichtskosten und die festgesetzte Vergütung des Insolvenzverwalters ist dieselbe Quote zu zahlen.

Verfahrensgang

vorgehend LG Osnabrück, 6. Mai 2011, Az: 8 T 311/11vorgehend AG Osnabrück, 1. April 2011, Az: 41 IN 45/08

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Insolvenzverwalters werden der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 6. Mai 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 1. April 2011 abgeändert.
Dem Insolvenzverwalter sind auf seine Vergütung 91,41 € aus der Staatskasse anzuweisen.
Die weitergehenden Rechtsmittel des Insolvenzverwalters werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde trägt der Insolvenzverwalter 97 v.H., die Staatskasse 3 v.H.. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 92,13 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht hat die Vergütung des Verwalters in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, dem die Verfahrenskosten gestundet waren, entsprechend seinem Antrag auf 9.140,90 € festgesetzt. Zugleich hat es eine Begleichung der Vergütung aus der Landeskasse abgelehnt, soweit die vorhandene Masse von 5.694 € zur Befriedigung der Vergütungsforderung nicht ausreicht. Die gegen die Ablehnung der ergänzenden Zahlung aus der Landeskasse gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Insolvenzverwalter sein Zahlungsbegehren gegen die Landeskasse in Höhe von 92,13 € mit der Begründung weiter, Gerichtskosten und Verwaltervergütung dürften bei unzureichender Masse nur mit gleichen Quoten befriedigt werden. Die Gerichtskosten von 249 € seien zu Unrecht voll und damit in Höhe von 92,13 € zu hoch bezahlt worden. Dieser Betrag stehe ihm zu.
II.
2
Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 6, 7, 63 Abs. 2, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO entsprechend, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, Art. 103f EGInsO) ist zulässig, obwohl der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € nicht übersteigt. § 64 Abs. 3 InsO ist auf die Festsetzung der hier aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung entsprechend anwendbar (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252 Rn. 2). Dies gilt auch für § 567 Abs. 2 ZPO, dessen entsprechende Anwendung in § 64 Abs. 2 Satz 2 ZPO angeordnet ist. § 567 Abs. 2 ZPO findet jedoch auf die Rechtsbeschwerde keine Anwendung (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2004 – III ZB 41/04, NJW-RR 2005, 939).
3
Die Rechtsbeschwerde ist auch weitgehend begründet. Gemäß § 209 Abs. 1 InsO sind bei Masseunzulänglichkeit die Masseverbindlichkeiten in der angegebenen Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge. Dies gilt auch bei gewährter Verfahrenskostenstundung und unterlassener Anzeige der Masseunzulänglichkeit (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – IX ZB 261/08, ZIP 2010, 145; vom 14. Oktober 2010 – IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252; vom 7. Februar 2013 – IX ZB 245/11, Umdruck S. 12, zVb). Im ersten Rang sind gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Kosten des Insolvenzverfahrens zu berichtigen, wozu gemäß § 54 InsO die Gerichtskosten und die Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses gehören. Vorliegend war weder ein vorläufiger Insolvenzverwalter noch ein Gläubigerausschuss bestellt worden. Die Gerichtskosten und die rechtskräftig festgesetzte Vergütung des Verwalters sind folglich mit gleichen Quoten aus der unzulänglichen Masse zu befriedigen. Bei Forderungen von 249 € (Gerichtskosten) und 9.140,90 € (Verwaltervergütung) ergibt sich eine Kostengesamtforderung von 9.389,90 € bei einer vorhandenen Masse von (5.694 € + 249 €) 5.943 €, was einer Quote von 63,29 v.H. entspricht.
4
An die Staatskasse waren auf die Gerichtskosten von 249 € folglich lediglich 157,59 € zu zahlen; also sind 91,41 € zu viel an die Staatskasse bezahlt worden, die sie an den Verwalter zu erstatten hat.
5
Einen weitergehenden Anspruch gegen die Staatskasse hat der Insolvenzverwalter nicht. Der Senat hat dies im Grundsatz mit Beschluss vom 7. Februar 2013 entschieden und im Einzelnen begründet. Hierauf wird Bezug genommen (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 – IX ZB 245/11, zVb).
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