Steuerrecht

Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten auch in Fällen geringer Bedeutung

Aktenzeichen  X R 34/19

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.160321.XR34.19.0
Normen:
§ 5 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG 2009
§ 6 Abs 2 EStG 2009
§ 11 Abs 2 FGO
Spruchkörper:
10. Senat

Leitsatz

Aktive Rechnungsabgrenzungsposten sind auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden. Weder dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung auf wesentliche Fälle entnehmen.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 8. November 2019, Az: 5 K 1626/19, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 08.11.2019 – 5 K 1626/19 aufgehoben, soweit es die Einkommensteuer 2015 und 2016 betrifft.
Die Einkommensteuer 2016 wird unter Abänderung des Bescheids vom 27.05.2019 auf den Betrag festgesetzt, der sich ergibt, wenn die im Vorjahr gebildeten aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 1.341 € gewinnmindernd aufgelöst werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. In Bezug auf die Einkommensteuer 2017 wird die Revision des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.
3. Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen der Beklagte zu 5/8 und die Kläger zu 3/8.

Tatbestand

I.
1
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Streitjahren 2015 bis 2017 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Zu den folgenden zeitraumbezogenen und vorausgezahlten Aufwendungen bildete er keine aktiven Rechnungsabgrenzungsposten:
        
2015   
2016   
2017   
Haftpflichtversicherung
      120,33 €
        
        
Rechtschutzversicherung
125,03 €
       137,55 €
       137,55 €
        
        
        
        
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Abo     
        
186,82 €
        
        
        
        
        
Kraftfahrzeugsteuer 1
12,34 €
12,34 €
12,34 €
Kraftfahrzeugsteuer 2
112,59 €
112,59 €
112,59 €
Kraftfahrzeugsteuer 3
40,34 €
40,34 €
40,34 €
Kraftfahrzeugsteuer 4
77,09 €
77,09 €
        
Kraftfahrzeugsteuer 5
86,00 €
86,00 €
86,00 €
Kraftfahrzeugsteuer 6
84,00 €
84,00 €
84,00 €
Kraftfahrzeugsteuer 7
157,00 €
157,00 €
        
Kraftfahrzeugsteuer 8
        
        
114,00 €
Kraftfahrzeugsteuer 9
        
        
72,00 €
        
        
        
        
Insgesamt:
1.340,95 €
1.549,96 €
1.315,05 €
2
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) hielt den Ansatz aktiver Rechnungsabgrenzungsposten für erforderlich und erließ für die Streitjahre 2015 und 2016 geänderte und für das Streitjahr 2017 erstmalig Einkommensteuerbescheide. Das FA erhöhte die Gewinne aus Gewerbebetrieb des Klägers um 1.341 € (2015), 1.550 € (2016) und 1.315 € (2017), ohne jedoch die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten im jeweiligen Folgejahr gewinnmindernd aufzulösen.
3
Die Kläger legten zunächst Einspruch ein und erhoben erst anschließend Sprungklage, der das FA zustimmte. Die Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 435). Das Finanzgericht (FG) entschied unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 18.03.2010 – X R 20/09 (BFH/NV 2010, 1796), dass wegen der geringen Bedeutung der Aufwendungen Rechnungsabgrenzungsposten nicht gebildet werden mussten. Für die Frage, wann ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, orientierte sich das FG an der 410 €-Grenze des in den Streitjahren geltenden § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
4
Mit der Revision bringt das FA vor, dass auf eine Rechnungsabgrenzung auch in Fällen von geringer Bedeutung nicht verzichtet werden könne. Der Kostenbeschluss in BFH/NV 2010, 1796 sei über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anwendbar. Eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 2 EStG komme nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe bewusst auf die Schaffung einer vergleichbaren Regelung für Rechnungsabgrenzungsposten verzichtet. Ein Wahlrecht verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Eine periodengerechte Abbildung von Aufwendungen unterhalb der 410 €-Grenze stehe im Einklang mit den Bilanzierungsgrundsätzen der Vollständigkeit und Wahrheit.
5
Das FA beantragt sinngemäß,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Die Kläger beantragen,die Revision zurückzuweisen.
7
Das FG habe zu Recht auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten verzichtet. Der Grundsatz der Wesentlichkeit gebiete, unwesentliche Elemente bei der Bilanzierung und Bewertung außer Betracht zu lassen. So lasse das Handelsgesetzbuch (HGB) an mehreren Stellen erkennen, dass aus unterschiedlichen Gründen der Ausweis unwesentlicher Positionen entbehrlich sei. Das EStG verzichte in bestimmten Fällen ebenfalls auf einen periodengerechten Ausweis.


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