Steuerrecht

(Eigenbetriebliche Entnahme des Stroms nach § 9b Abs. 3 StromStG)

Aktenzeichen  VII R 26/19

Datum:
24.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:B.240621.VIIR26.19.0
Normen:
§ 9b StromStG
§ 868 BGB
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

1. NV: Für eine Entlastungsberechtigung nach § 9b Abs. 3 StromStG ist es erforderlich, dass der verwendete Strom von dem Unternehmen des produzierenden Gewerbes, das den Antrag gestellt hat, selbst zu eigenbetrieblichen Zwecken entnommen wird.
2. NV: Übt der Betriebsführer auf der Grundlage des mit dem Auftraggeber geschlossenen Betriebsführungsvertrags die tatsächliche Sachherrschaft über die stromverbrauchenden Anlagen aus, wird der Strom vom Betriebsführer entnommen, so dass die Entnahme dem Auftraggeber und Eigentümer der Anlage nicht zugerechnet werden kann.

Verfahrensgang

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 21. Mai 2019, Az: 2 K 723/16, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 21.05.2019 – 2 K 723/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Beteiligten streiten über eine Stromsteuerentlastung für das Jahr 2011. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Zweckverband, dessen satzungsgemäßer Zweck darin besteht, Trinkwasser für die öffentliche Wasserversorgung durch seine Verbandsmitglieder, die in der Regel selbst Zweckverbände sind, bereit zu stellen. Hierfür errichtet, betreibt und unterhält der Kläger Anlagen zur Gewinnung, Aufbereitung, überregionalen Weiterleitung, Speicherung und Verteilung des Wassers einschließlich der erforderlichen Hilfsanlagen, ohne über eigenes Personal zu verfügen.
2
Seine Aufgaben ließ der Kläger seit dem Jahr 1994 auf der Grundlage eines Betriebsführungsvertrags (Vertrag) von der X GmbH (GmbH) erfüllen. Die GmbH verfügte nach der Präambel des Vertrags “über ein für die wasserwirtschaftliche Aufgabenstellung entsprechend qualifiziertes Personal, welches in der Lage ist, alle bei der Fernwasserversorgung anfallenden Aufgaben durchzuführen”.
3
Wie in § 1 Abs. 1 des Vertrags vorgesehen, übertrug der Kläger der GmbH die gesamte Betriebsführung, insbesondere den laufenden Betrieb, die Wartung und die Instandhaltung sowie den Ausbau der Fernwasseranlage. Hierzu übergab der Kläger der GmbH sämtliche wasserwirtschaftlichen Anlagen, Wohnhäuser und sonstige Bauwerke, die dazugehörigen Grundstücke und das Zubehör zur Verwaltung (vgl. § 1 Abs. 3 des Vertrags). Das Eigentum daran verblieb beim Kläger (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags). Die GmbH erbrachte eigenständig alle bei einem Fernwasserversorgungsunternehmen üblicherweise anfallenden kaufmännischen und technischen Leistungen im Interesse, im Namen und für Rechnung des Klägers (vgl. § 2 Abs. 1 des Vertrags). Ihr oblag die Verkehrssicherungspflicht (vgl. § 2 Abs. 4 des Vertrags). Sie traf die Entscheidungen über die laufende Betriebsführung und über Maßnahmen im Zusammenhang mit der Vertragsdurchführung (vgl. § 4 Abs. 1 des Vertrags), wozu ihr der Kläger eine Generalhandlungsvollmacht erteilt hatte (vgl. § 5 des Vertrags). Dem Kläger stand ein Überwachungs- und Weisungsrecht zu (vgl. § 7 Abs. 1 des Vertrags). Gemäß § 9 Abs. 1 des Vertrags hafteten die Vertragsparteien nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, wobei die Haftung der GmbH entfiel, wenn sie auf Weisung des Klägers handelte.
4
Für spezielle Aufgaben, wie z.B. die Programmierung automatisiert ablaufender Prozesse für die Steuerung der Anlagen und ihre Störungsüberwachung, nahm der Kläger nicht die GmbH, sondern externe Spezialisten in Anspruch.
5
Den für den Betrieb der Anlagen benötigten Strom bezog der Kläger auf der Grundlage eines zwischen ihm und dem Energieversorger abgeschlossenen Stromliefervertrags. Der Versorger rechnete die Stromlieferungen gegenüber dem Kläger ab, der sie bezahlte.
6
Für den in den Anlagen eingesetzten Strom beantragte der Kläger im August 2011 eine Entlastung nach § 9b des Stromsteuergesetzes i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom 09.12.2010 (BGBl I 2010, 1885 –StromStG–) für das 1. Halbjahr 2011 in Höhe von 30.530 €. Den Antrag bewilligte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt –HZA–) mit Bescheid vom 17.08.2011, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung erging. Mit Antrag vom 04.06.2012 (Eingang am 07.06.2012) beantragte der Kläger die Entlastung von der Stromsteuer für das gesamte Jahr 2011 nach § 9b StromStG in Höhe von insgesamt 60.990,98 €. Diesen Antrag lehnte das HZA mit Bescheid vom 26.09.2012 ab und forderte den bereits gewährten Entlastungsbetrag in Höhe von 30.530 € zurück. Nach dem Vertrag habe nicht der Kläger den Strom zu betrieblichen Zwecken entnommen, sondern die GmbH.
7
Nach erfolglosem Einspruch verfolgte der Kläger sein Begehren mit der Klage weiter. Nach Ergehen der Senatsentscheidung vom 24.04.2018 – VII R 21/17 (BFH/NV 2019, 417, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern –ZfZ– 2018, 203) ergänzte der Kläger seinen Vortrag dahingehend, dass der Realakt der Stromentnahme ihm zuzurechnen sei, weil er –ungeachtet des Betriebsführungsvertrags– die tatsächliche Sachherrschaft über die Geräte innehabe, in denen der Stromverbrauch stattfinde. Wegen der Besonderheiten der Wasserwirtschaft würden die Anlagen überwiegend automatisch gesteuert. Es handele sich um durchgehende, ohne Unterbrechung laufende automatisierte Prozesse, die über die Leitstände des Klägers auf Störungen hin überwacht würden. Da der Kläger diese automatisierten Prozesse kontrolliere, werde der Strom auch von ihm verbraucht. Mangels Bedienung der Maschinen durch Mitarbeiter der GmbH fehle es an einem Anknüpfungspunkt für die Zuordnung der Stromentnahme zur GmbH.
8
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, nicht der Kläger, sondern die GmbH habe den Strom zu eigenbetrieblichen Zwecken entnommen. Unter Verweis auf das Senatsurteil in BFH/NV 2019, 417, ZfZ 2018, 203 hielt es das FG für entscheidend, dass die GmbH als juristisch selbständige Person und damit als Unternehmen i.S. von § 2 Nr. 4 StromStG den vom Kläger zur Entlastung angemeldeten Strom aus Anlass der Verrichtung der ihr nach dem Vertrag obliegenden Tätigkeiten verbraucht und damit auch entnommen habe. Trotz der nach dem Vertrag bestehenden Kontroll- und Weisungsrechte des Klägers setze nicht dieser den Strom tatsächlich ein, sondern die GmbH. Ungeachtet der im Streitfall automatisierten Prozesse sei lediglich die GmbH im Rahmen ihrer Tätigkeit tatsächlich in der Lage, den Strom zu verwenden und damit zu entnehmen. Sie kontrolliere auf der Grundlage des Vertrags durch ihr Personal die Prozesse.
9
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.
10
Eine unternehmerische Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der Verbandssatzung und des Vertrags führe dazu, dass die Stromentnahme dem Kläger zuzurechnen sei. Nur der Kläger trage danach Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko. Eine steuerliche Entlastung des Klägers sei auch geboten, um eine Preissteigerung für das Produkt Wasser zu verhindern.
11
Auch wenn sich die Zurechnung der Stromentnahme ausschließlich nach dem Realakt der Entnahme richten sollte, sei diese dem Kläger zuzurechnen. Bei den im Streitfall vorliegenden vollautomatischen wasserwirtschaftlichen Anlagen komme es nach dem Informationsschreiben der Generalzolldirektion für die “Person, die Energieerzeugnisse verwendet bzw. Strom entnimmt”, darauf an, wer die Steuerung vornehme, die Parameter für die Steuerung vorgebe oder die Steuerung in der voreingestellten Art und Weise erwerbe und nutze und dabei zusätzlich über die Anlage, in der oder für die Energieerzeugnisse verwendet oder Strom entnommen werde, verfüge bzw. verfügen könne. Da die automatische Steuerung durch oder auf Veranlassung des Klägers vorgenommen werde, sei die Stromentnahme dem Kläger zuzurechnen.
12
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz und den Bescheid des HZA vom 26.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.10.2016 aufzuheben und zugunsten des Klägers die beantragte Steuerentlastung gemäß § 9b StromStG für das gesamte Kalenderjahr 2011 in Höhe von 60.990,98 € festzusetzen.
13
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
14
Bei vollautomatischen Anlagen sei der maßgebliche Realakt demjenigen zuzuordnen, der die Verwendung vornehmen würde, wenn die Anlage nicht automatisiert wäre. Vorliegend nutze die GmbH die Steuerung, ihr habe der Kläger die Anlagen übertragen und er verfüge auch nicht über eigenes Personal. Im Störungsfall müsse die GmbH die Steuerung übernehmen.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben