Steuerrecht

Einkünfte aus (echten) Edelmetall-Pensionsgeschäften im Privatvermögen

Aktenzeichen  IX R 20/19

Datum:
23.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.230421.IXR20.19.0
Normen:
§ 22 Nr 3 EStG 2002
§ 11 Abs 1 S 1 EStG 2002
§ 11 Abs 2 S 1 EStG 2002
§ 340b HGB
§ 39 Abs 2 Nr 1 AO
§ 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2002
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

1. Wird Edelmetall aus dem Privatvermögen im Wege eines echten Edelmetall-Pensionsgeschäfts übertragen und zurückübertragen, liegt mangels eines marktoffenbaren Vorgangs kein privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies gilt auch für im Gegenzug übertragene Fremdwährungsguthaben. Der Pensionsgeber erzielt insoweit sonstige Einkünfte aus Leistungen.
2. Erfasst wird bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte des Pensionsgebers aus Leistungen nur der (positive oder negative) “Spread” aus dem Pensionsgeschäft. Auch im Falle eines negativen “Spread” liegt die Einkünfteerzielungsabsicht vor, wenn unter Berücksichtigung der Gesamtumstände feststeht, dass das Pensionsgeschäft der Erwerbssphäre und nicht der Privatsphäre zuzuordnen ist.
3. Fließt der “Spread” in einer fremden Währung zu, muss der Betrag im Zeitpunkt des Zu- oder Abflusses (einmal) in inländische Währung umgerechnet werden. Ein positiver “Spread” fließt im Zeitpunkt der Zahlung des “Kaufpreises” zu, ein negativer “Spread” fließt im Zeitpunkt der Zahlung des “Rückkaufpreises” ab.

Verfahrensgang

vorgehend FG Köln, 27. März 2019, Az: 3 K 769/16, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 27.03.2019 – 3 K 769/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Beteiligten streiten über die Ermittlung der Einkünfte aus Edelmetall-Pensionsgeschäften als sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
2
Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) sind die alleinigen Rechtsnachfolgerinnen ihres im März 2016 verstorbenen Vaters … (Erblasser). Der Erblasser verfügte in seinem Privatvermögen über Edelmetallbestände, die bei der … (A-Bank) und der … (B-Bank) verwahrt und auf sog. Metallkonten (in US-Dollar, nachfolgend USD) ausgewiesen wurden. Im Streitjahr (2004) tätigte der Erblasser über diese Konten Edelmetall-Pensionsgeschäfte, die nach den Feststellungen der Vorinstanz wie folgt abgewickelt wurden:
3
Der Erblasser übertrug jeweils eine bestimmte Menge eines Edelmetalls aus seinem Bestand gegen Zahlung eines am Wert des Metalls orientierten festen Betrags (in USD) auf die A-Bank bzw. B-Bank (Kassageschäft). Nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums von drei oder sechs Monaten übertrug die Bank das Edelmetall auf den Erblasser zurück gegen Zahlung eines schon bei Abschluss des Geschäfts fest vereinbarten Betrags. Der von den Banken an den Erblasser gezahlte Betrag und der von ihm bei der Rückübertragung an die Banken gezahlte Geldbetrag konnten unterschiedlich hoch sein. Buchungstechnisch wurden die Geschäfte über die Metallkonten abgewickelt, weshalb auch die wechselseitigen Zahlungen in USD ausgewiesen wurden. In fast allen Fällen erzielte der Erblasser per Saldo aus der empfangenen und der hingegebenen Geldleistung einen Einnahmenüberhang (sog. positiver “Spread”). Lediglich in zwei Fällen waren die gewechselten Geldleistungen gleich hoch. In einem Fall ergab sich für den Erblasser ein Ausgabenüberhang (negativer “Spread”). Der Erblasser setzte die ihm vorübergehend zur Verfügung stehenden USD-Guthaben zum Erwerb festverzinslicher Wertpapiere ein, aus denen er Kapitaleinkünfte erzielte. Dementsprechend erwirtschaftete er bei übergreifender Betrachtung auch dann steuerbare Überschüsse, wenn der “Spread” negativ war oder null betrug.
4
Der Erblasser gab die Einkommensteuererklärung für 2004 im Jahr 2005 ab. Die Einkünfte aus den Edelmetallgeschäften und die in diesem Zusammenhang erzielten Kapitalerträge erklärte er zunächst nicht. Im Jahr 2009 erstattete der Erblasser eine Selbstanzeige. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) erließ am 18.01.2010 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten sowie im Hinblick auf die nacherklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen und sonstigen Einkünfte vorläufigen Einkommensteuerbescheid für 2004 und berücksichtigte dabei die in der Selbstanzeige angegebenen vorläufigen Besteuerungsgrundlagen. Dagegen legte der Erblasser rechtzeitig Einspruch ein.
5
Nach einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung, das die Selbstanzeige des Erblassers in Zusammenarbeit mit dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung auswertete, besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen darüber, dass (nur) der Unterschied zwischen der vom Pensionsgeber empfangenen und der von ihm hingegebenen Geldleistung als sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG steuerpflichtig ist. Streitig ist die Berechnung (Ermittlung) der Einkünfte.
6
Nach Auffassung des FA müssen die bei jeder Übertragung (Rückübertragung) des Pensionsguts erbrachten Zahlungen (Rückzahlungen) von USD in Euro umgerechnet werden. Dann ergäben sich im Streitfall Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 3.818.463,61 €. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Aufstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 10 ff.) Bezug genommen.
7
Auf dieser Grundlage erließ das FA am 07.01.2015 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2004. Den Einspruch des Erblassers wies es mit Einspruchsentscheidung vom 19.02.2016 als unbegründet zurück.
8
Dagegen haben die Klägerinnen rechtzeitig Klage erhoben, mit der sie zunächst begehrten, sonstige Einkünfte in Höhe von 552.026,88 € zu berücksichtigen. Der jeweilige “Spread” sei nur einmal von USD in Euro umzurechnen, und zwar im Zeitpunkt der Beendigung des Geschäfts.
9
Der Vorsitzende Richter am Finanzgericht (FG) hat den Beteiligten einen rechtlichen Hinweis erteilt, wonach zumindest ein positiver “Spread” bereits im Zeitpunkt der ersten Übertragung zugeflossen sein dürfte. Dann würde es für die Umrechnung auf diesen Stichtag ankommen (sonstige Einkünfte dann: 332.096,88 €). Die Klägerinnen haben sich dem rechtlichen Hinweis mit der Maßgabe angeschlossen, dass es dann bei einem von vornherein feststehenden negativen “Spread” ebenfalls auf diesen Zeitpunkt ankommen müsse. Sie haben danach beantragt, im Streitjahr sonstige Einkünfte in Höhe von lediglich 258.100,87 € anzusetzen.
10
Das FG hat der Klage überwiegend stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die vom Erblasser erzielten Einkünfte seien solche aus § 22 Nr. 3 EStG und in Höhe von 332.096,88 € anzusetzen. Der positive “Spread” sei dem Erblasser nach allgemeinen Grundsätzen bereits im Zeitpunkt der “Veräußerung” des Edelmetalls zugeflossen. Er habe mit Erhalt der Zahlung über diesen Teil des Geldes bereits frei verfügen können. Hinsichtlich des später zurückzuzahlenden Betrags habe es sich um eine Art Darlehen gehandelt, dessen Rückzahlung ergebnisneutral zu behandeln sei, da ein Aufwand nicht entstehe. Eine doppelte Umrechnung komme deshalb nicht in Betracht. Mit der doppelten Umrechnung würden zudem Währungsschwankungen steuerlich erfasst, die vor Einführung der Abgeltungsteuer –außer bei Veräußerungsgeschäften– nicht steuerbar gewesen seien. Stillhaltergeschäfte seien auch nicht mit echten Pensionsgeschäften vergleichbar.
11
Ein negativer “Spread” sei spiegelbildlich erst in dem Zeitpunkt “abgeflossen”, in dem der höhere “Rückkaufpreis” entrichtet werde. Es könne offenbleiben, ob ein negativer “Spread” –mangels Einkünfteerzielungsabsicht– überhaupt steuerbar wäre oder ob es sich insofern um Werbungskosten (in Form von Geldbeschaffungskosten) bei den zwischenzeitlich erzielten Kapitaleinkünften handele. Im Streitfall könnte der einzige in Betracht kommende negative “Spread” jedenfalls nicht im Streitjahr erfasst werden, weil das betreffende Geschäft erst im Mai 2005 beendet war.
12
Mit der Revision rügt das FA (sinngemäß) die Verletzung von § 22 Nr. 3 EStG. Zu Unrecht teile das FG den Veräußerungserlös auf in den (positiven) “Spread” als Entgelt für die zeitliche Überlassung des Edelmetalls einerseits und ein kurzfristiges Darlehen andererseits. Diese Aufteilung sei konstruiert und nicht sachgerecht. Sie könne die Fälle eines negativen “Spread” nicht schlüssig erklären. Weder könne das FG erklären, wie es zu einem negativen “Spread” überhaupt kommen könne, wenn doch die Pensionsnehmerin (in jedem Fall) ein Entgelt für die Nutzungsüberlassung zahlen müsse, noch könne es erklären, warum der Erblasser auf ein für ihn von vornherein nachteiliges Geschäft hätte eingehen sollen. Vorteile aus der zwischenzeitlichen Nutzung des “Gelddarlehens” könnten dabei nicht einbezogen werden, weil sie außerhalb des Pensionsgeschäfts lägen. Es sei zudem widersprüchlich, zwei ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach gleiche Geschäfte für steuerliche Zwecke unterschiedlich zu behandeln. Wirtschaftlich zutreffend wäre es, den Verkaufspreis insgesamt als Entgelt (und mithin als Einnahmen) für die zeitliche Nutzungsüberlassung anzusehen und dementsprechend das bei Rückkauf des Edelmetalls geleistete Entgelt als Werbungskosten abzuziehen. Einnahmen und Werbungskosten müssten bei Geschäften in fremder Währung jeweils im Zeitpunkt des Zu- oder Abflusses umgerechnet werden. Dies gelte ungeachtet des Umstands, dass es sich um Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG handele. Der Übergang auch des wirtschaftlichen Eigentums auf den Pensionsnehmer stehe der Annahme sonstiger Einkünfte nicht entgegen.
13
Das FA beantragt,das Urteil des FG Köln vom 27.03.2019 – 3 K 769/16 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 07.01.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2016 dahingehend zu ändern, dass sonstige Einkünfte aus Edelmetallgeschäften –vor Verlustverrechnung– in Höhe von 3.818.463,61 € berücksichtigt werden.
14
Die Klägerinnen beantragen,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
15
Bei den streitgegenständlichen Pensionsgeschäften handele es sich wirtschaftlich um wechselseitige Sachdarlehen (Edelmetall gegen Fremdwährungsguthaben). Grundlage der Geschäfte sei gewesen, dass das Kursrisiko beim jeweiligen Darlehensgeber verblieb, hinsichtlich des Fremdwährungsguthabens also bei den Banken. Der Erblasser habe demzufolge Kursschwankungen der überlassenen Fremdwährungsbeträge zu keinem Zeitpunkt realisiert. Das FA wolle insoweit reine Buchpositionen erfassen und besteuern, durch die sich die finanzielle Leistungsfähigkeit des Erblassers nicht erhöht habe. Unabhängig davon wären Fremdwährungsgewinne vor Einführung der Abgeltungsteuer und außerhalb der Veräußerungsgewinnbesteuerung auch nicht steuerbar gewesen.


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