Steuerrecht

Gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen

Aktenzeichen  11 K 1190/14

Datum:
4.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2019, 1188
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 15 Abs. 4, § 15a Abs. 4
BGB § 930

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns 2010, des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG und den Gewerbesteuermessbescheid, jeweils vom 07.03.2010, und die Einspruchsentscheidung jeweils vom 03.07.2014 werden dahingehend geändert, dass die Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung einer Teilwertzuschreibung aus dem Eurokredit in Höhe von 299.886 €, einer Erfassung des Übertragungsanspruchs hinsichtlich 30.500 Aktien …group Inc. Registered Shares DL -,01 in Höhe von 100.031 € und als Ausgleich einer 2009 zu Unrecht vorgenommenen Teilwertabschreibung von 12.870 Euro geändert und Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 11.084 Euro bzw. ein entsprechender Gewerbesteuermessbetrag festgestellt und auf beide Gesellschafter verteilt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 1/3, der Beklagte zu 2/3.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

II.
Die Klage ist teilweise begründet.
1. Wertminderung der Wertpapiere
Die streitgegenständlichen Wertpapiere gehören, soweit überhaupt, nicht zum notwendigen Betriebsvermögen der Klägerin. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, haben die Steuerpflichtigen kein freies Wahlrecht, gewillkürtes Betriebsvermögen zu bilden. Vielmehr muss für die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens eine betriebliche Veranlassung gegeben sein. Die Wirtschaftsgüter müssen objektiv „betriebsdienlich“ sein. Die Willkürung muss ihr auslösendes Element im Betrieb haben. Deshalb muss der Steuerpflichtige darlegen, welche Beziehung das Wirtschaftsgut zum Betrieb hat und welche vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen ihn veranlasst haben, das Wirtschaftsgut als Betriebsvermögen zu behandeln (BFH-Urteile vom 24.02.2000 IV R 6/99, BStBl II 2000, 297 sowie vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl 2007, 259).
Hiernach scheidet eine Teilwertabschreibung im Betriebsvermögen für alle drei Wertpapiere aus. Zunächst ist also eine Übertragung in Sachen Citigroup nicht nachgewiesen. Hinsichtlich Bank of America fehlt es an einer dauernden Wertminderung, hinsichtlich C. AG wegen der absehbar drohenden Verluste an einer Einlagefähigkeit im Sinne der Zuweisung zum gewillkürten Betriebsvermögen, da die Eignung zur Stärkung der Kapitalgrundlage der KG insoweit nicht gegeben ist. Die Klägerin hat auch ihre vorgebliche Absicht, das Betriebskapital durch die Erzielung von Wertzuwächsen zu stärken, nicht konsequent umgesetzt, nachdem die Wertpapiere der Citigroup nicht zum 31.12.201 und auch bis heute nicht in das Depot der Klägerin übernommen worden sind. Der Vortrag, es habe sich um einen Erwerb „im Auftrag“ gehandelt, und es sei ein Besitzkonstitut vereinbart worden, muss als Schutzbehauptung gewertet werden. Ein gewissenhafter Auftraggeber hätte die Herausgabe des Erlangten zeitnah geltend gemacht, zumal wenn er sich eine Stärkung des Betriebskapitals erwartet, und es liegt wegen des Vorhandenseins eines eigenen Depots der Klägerin noch nicht einmal ein kostenmäßiger Vorteil darin, die Wertpapiere auf dem Depot der Beigeladenen zu belassen. Zudem deutet auch nichts darauf hin, dass die Beigeladenen als in einem Näheverhältnis zur Klägerin stehende Personen die steuerlichen Konsequenzen aus einem vorgeblichen Besitzkonstitut in anderer Weise als durch eine Wertabschreibung zum 31.12.2009 gezogen hätten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Einlage der Wertpapiere sich in den Kapitalkonten der Beigeladenen zum Bilanzstichtag nicht nach-vollziehen lässt.
2. Wertanpassung der Rückzahlungsverpflichtung Eurokredit:
a) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nr. 2 anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind nicht abnutz-bare Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens im Grundsatz mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Jedoch kann für solche Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist. Gleiches gilt für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Fremdwährungsverbindlichkeiten sind daher grundsätzlich mit dem Rückzahlungsbetrag zu bewerten, der sich aus dem Kurs im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme ergibt. Der Teilwert der Verbindlichkeit kann – in sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG – angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertveränderung höher ist als der ursprüngliche Rückzahlungsbetrag (BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 62/06, BStBl II 2009, 778).
Kurserhöhungen der Währung, welche einer Fremdwährungsverbindlichkeit zu Grunde liegt, verändern den Rückzahlungsbetrag und damit den Teilwert. Dementsprechend führte vor-liegend die Erhöhung des CHF-Kurses im Jahr 2010 zu einer Teilwerterhöhung des Fremdwährungsdarlehens.
b) Die Teilwerterhöhung war eine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung.
Voraussetzung für eine Teilwertzuschreibung bei Verbindlichkeiten ist, dass die Teilwerterhöhung eine voraussichtlich dauernde ist (Schmidt/Kulosa, EStG, § 6 Rz. 374 und 451). Ob bei Fremdwährungsverbindlichkeiten eine Veränderung des Währungskurses zum Bilanzstichtag eine voraussichtlich dauerhafte Teilwerterhöhung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist, hängt maßgeblich von der Laufzeit der Verbindlichkeit ab. Bei langfristigen Fremdwährungsverbindlichkeiten vertritt der BFH die Auffassung, dass sich Währungsschwankungen grundsätzlich ausgleichen (BFH-Urteil vom 23.04.2009 IV R 62/06, BStBl II 2009, 778) und deshalb eine Teilwertzuschreibung nicht möglich ist; bei kurzfristigen Verbindlichkeiten ist erforderlich, dass die Werterhöhung bis zur Bilanzaufstellung anhält (FG München, Urteil vom 10.09.2015 13 K 2802/08, DStRE 2012, 142; Schmidt/Kulosa, EStG, 29. Aufl. 2010, § 6 Rz. 369).
Das Gericht neigt der Auffassung zu, das klägerische Darlehen als langfristiges Darlehen anzusehen, auch wenn die Restlaufzeit am Bilanzstichtag weniger als zehn Jahre betragen hat. Für die Beurteilung der Wertentwicklung in die Zukunft hinein können nämlich aus der Entwicklung der zurückliegenden Laufzeit wesentliche Anhaltspunkte gewonnen werden. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da nach der Überzeugung des Gerichts sowohl eine dauerhafte Werterhöhung als auch eine Werterhöhung bis zur Bilanzaufstellung vorgelegen hätte. Denn hat die Schweizerische Nationalbank hat aufgrund der nicht mehr fortsetzbaren massiven Gegenmaßnahmen die Wechselkursanbindung des Franken an den Euro am 15.01.2015 aufgehoben und infolgedessen wurde der Schweizer Franken, der sich bis Ende 2014 in einem Kurs Euro – Schweizer Franken von zwischen 1,20 und 1,25 bewegte, noch deutlich mehr in Richtung einer Parität bewertet (vgl. www.finanzen.net/devisen/euro-schweizer_franken-kurs sowie Hölscher, Steuerbilanzielle Bewertung von Verbindlichkeiten in Schweizer Franken, DStR 2015, 1401). Somit lag sowohl eine dauerhafte als auch eine bis zur Bilanzaufstellung anhaltende Werterhöhung vor. Aus der feststellbaren Realität bis zum Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung im Jahr 2016 wäre damit auch die vom BFH für längerfristige Darlehen aufgestellte Regel, dass sich Wertschwankungen jedenfalls bei längerfristigen Darlehen ausgleichen werden, widerlegt. So hat der I. Senat des BFH auch betont, dass die gesamte Laufzeit einer Verbindlichkeit zu betrachten ist (Urteil vom 04.02.2014 I R 53/12, BFH/NV 2014, 1016, Tz. II.2.b). Auf die Erwägungen des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Beschluss vom 08.03.2016 (2 V 2763/15, juris) braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.
c) Der Verlust aus der Teilwerterhöhung ist auch nicht beschränkt verrechenbar. § 15 Abs. 4 EStG ist zwar ab dem VZ 1999 und damit auch auf das 2006 vereinbarte Darlehensverhältnis anwendbar. Es liegt jedoch kein Termingeschäft vor, das auf einen Differenzausgleich gerichtet ist.
Termingeschäfte sind Verträge über Wertpapiere, vertretbare Waren oder Devisen nach gleichartigen Bedingungen, die von beiden Seiten erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu erfüllen sind und die zudem eine Beziehung zu einem Terminmarkt haben, der es ermöglicht, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen (BFH-Urteil vom 06.07.2016 I R 25/14, BFHE 254, 326). Beim offenen Differenzgeschäft, früher in § 764 Satz 1 BGB a.F. geregelt, vereinbaren die Kontrahenten ausdrücklich, dass nicht geliefert werden soll. Sie sind nicht am Basiswert interessiert, sondern am Kurs- oder Preisunterschied zwischen dem Tag des Geschäftsabschlusses und dem aktuellen Marktwert am theoretischen Erfüllungstag. Am Ablauftag erfolgt lediglich eine „Bruttoverbuchung“ des Differenzausgleichs (vgl. hierzu für Einkünfte aus Kapitalvermögen FG München, Urteil vom 10.09.2015 15 K 2243/13, EFG 2016, 563, Rev., Az. des BFH VIII R 35/15).
Vom Termingeschäft zu unterscheiden ist das Kassageschäft, bei dem es sich um ein Festgeschäft oder Optionsgeschäft handelt, das zeitlich verzögert zu erfüllen ist und dessen Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts (z.B. Wertpapiere oder Devisenkurse, Indices) ableiten lässt. Das vorliegende Geschäft ist als Liefergeschäft und nicht als Termingeschäft zu werten. Denn den Beteiligten kam es nicht nur auf einen Wertausgleich am Fälligkeitstag an, sondern auf die Hingabe und Rückgabe des gesamten Darlehensbetrages, und zwar nach einer genau vorbestimmten Überlassungsdauer ohne die Möglichkeit, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen. Beide Seiten hatten nach unwider-legtem Vortrag der Klägerin beim Vertragsabschluss ein wirtschaftliches Interesse daran, dass das Darlehen am Kurs eines Basiswerts abgesichert werden sollte. Aufgrund des Interesses an der Darlehensgewährung wird erkennbar auf die physische Erfüllung abgestellt, wogegen das Differenzgeschäft gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass es nicht physisch erfüllt werden soll. Dass diese physische Erfüllung nicht in Schweizer Franken erfolgte, sondern dieser nur als Verrechnungseinheit verwendet werden und in Euro rückgezahlt werden sollte, steht der Wertung in ihrer Gesamtheit nicht entgegen.
3. Damit ist der Gewinn des Streitjahrs dahingehend zu verändern, dass ein Verlust aufgrund der Teilwerterhöhung von 299.886 Euro zu berücksichtigen ist. Zudem ist ein Übertragungsanspruch der Klägerin gegen die Beigeladenen für Aktien Citigroup in Höhe der bestätigten Anschaffungskosten von 100.031 Euro zu erfassen; die bisherige fehlerhafte Nichterfassung kann innerhalb der gestellten Anträge berichtigt werden. Für die bestandskräftig gewordene Bilanz des Vorjahres ist für das Streitjahr 2010 zudem die Änderung zu berücksichtigen, dass im Vorjahr unzutreffend eine Teilwertberichtigung für die übertragenen Wertpapiere in Höhe von 12.870 Euro vorgenommen worden ist. Diese ist im Streitjahr gegenzurechnen, sodass sich die festzustellenden Einkünfte der Klägerin von 198.069,15 Euro um 299.886 ./. 12.870 ./. 100.030,85 Euro verringern. Die festzustellenden und zu verteilenden Einkünfte betragen somit 11.084 Euro.
Der Bescheid über den verrechenbaren Verlust nach § 15a Abs. 4 EStG ist demnach nicht

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