Steuerrecht

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschluss vom 15.12.2010 VIII R 50/09 – Insolvenzverwaltertätigkeit als sonstige selbständige Arbeit auch bei Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter)

Aktenzeichen  VIII R 12/10

Datum:
15.12.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 18 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG 1997
§ 18 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG 1997
§ 18 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG 1997
§ 18 Abs 1 Nr 3 EStG 1997
§ 56 InsO
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

1. NV: Einkünfte aus einer Tätigkeit als Insolvenzverwalter oder aus der Zwangsverwaltung von Liegenschaften sind, auch wenn sie von Rechtsanwälten erzielt werden, grundsätzlich den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen .
2. NV: Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter oder Zwangsverwalter die Tätigkeit unter Einsatz vorgebildeter Mitarbeiter ausübt, sofern er dabei selbst leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt; insoweit sind § 18 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 4 und 4 EStG entsprechend anzuwenden (Aufgabe der Rechtsprechung zur sog. Vervielfältigungstheorie) .

Verfahrensgang

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 29. September 2009, Az: 13 K 32/07, Urteil

Tatbestand

1
I. Die Revisionsklägerin ist Rechtsnachfolgerin ihres während des Revisionsverfahrens verstorbenen Ehemanns (nachfolgend Kläger). Dieser erzielte im Streitjahr 2000 als Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer überwiegend Einnahmen aus seiner Insolvenzverwaltertätigkeit, die er in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Tätigkeit als Rechtsanwalt) erfasste.
2
Nach den Feststellungen einer Außenprüfung für die Jahre 2000 und 2001 betreute er jährlich etwa sieben bis elf Insolvenzverfahren im Bereich des Handwerks und des Mittelstandes. Dabei beschäftigte er im Streitjahr 2000
3
– einen Rechtsanwalt, der als Fachanwalt für Arbeitsrecht überwiegend zivilrechtliche und arbeitsgerichtliche Angelegenheiten, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren, erledigte sowie im Rahmen von Insolvenzverfahren Vertragsvorbereitungen, Vertragsabschlüsse sowie in Einzelfällen Verkäufe von Liegenschaften begleitete und den Kläger bei Abwesenheit vertrat,
4
– eine halbtags tätige Rechtsanwalts- und Notargehilfin (Renogehilfin) mit langjähriger Berufserfahrung in der Insolvenzverwaltung und der Aufgabe (u.a.) der Tabellenführung, Anerkennung von Forderungen nach Rücksprache mit dem Kläger, Addition der angemeldeten Forderungen, Grundstücksermittlungen, Wertansatz für maschinelle Anlagen nach Rücksprache mit dem Kläger, Vorbereitung der Unterlagen, Insolvenzbuchführung, Umsatzsteuervoranmeldungen für kleinere und mittlere Verfahren, Besprechungen im Verbraucherinsolvenzverfahren anhand eines vom Kläger vorbereiteten Fragenkatalogs,
5
– fünf weitere Renogehilfen sowie eine Buchhalterin, drei Auszubildende und eine Reinigungskraft.
6
Sonstige notwendige Tätigkeiten wie Finanzbuchhaltung, Jahresabschlüsse und Auktionatortätigkeiten vergab er grundsätzlich an Dritte.
7
Aufgrund der Feststellungen des Außenprüfers beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Einkünfte des Klägers wegen fehlender höchstpersönlicher Berufsausübung unter Hinweis auf die sog. Vervielfältigungstheorie insgesamt als solche aus Gewerbebetrieb und setzte dementsprechend für das Streitjahr einen Gewerbesteuermessbetrag fest. Auf den dagegen eingelegten Einspruch verminderte das FA den Gewerbesteuermessbetrag um den Anteil der Einnahmen des Klägers aus sonstiger anwaltlicher Tätigkeit (20 %). Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Insolvenzverwaltertätigkeit nicht als gewerbesteuerfreie anwaltliche Berufsausübung angesehen werden könne.
8
Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.
9
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil sowie den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
10
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
11
Der für die Zurechnung zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit erforderliche persönliche Arbeitseinsatz des Insolvenzverwalters sei nicht mehr gegeben, wenn er sich in wesentlichen Bereichen lediglich die Entscheidungskompetenz vorbehalte. Für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genüge es nämlich nicht, wie für die freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 der Vorschrift, nur leitend und eigenverantwortlich tätig zu sein.


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