Steuerrecht

Rundfunkbeitragspflicht des Inhabers einer Betriebsstätte und von Gästezimmern

Aktenzeichen  6 C 53/16

Datum:
21.3.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:210318U6C53.16.0
Normen:
Art 2 Abs 1 GG
Art 3 Abs 1 GG
Art 12 Abs 1 GG
Art 14 Abs 1 GG
Art 103 Abs 1 GG
§ 4 Abs 6 RdFunkBeitrStVtr NW
§ 5 Abs 1 RdFunkBeitrStVtr NW
§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 RdFunkBeitrStVtr NW
§ 10 Abs 5 S 1 RdFunkBeitrStVtr NW
§ 40 RStV NW
§ 86 Abs 1 VwGO
§ 108 Abs 2 VwGO
Spruchkörper:
6. Senat

Leitsatz

Die zusätzliche Rundfunkbeitragspflicht der Betriebsstätteninhaber für Gästezimmer und Ferienwohnungen ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn der Inhaber die Zimmer und Ferienwohnungen mit einem Empfangsgerät oder einem Internetzugang ausstattet und so den Gästen die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammangebots ermöglicht. Für diejenigen Betriebsstätteninhaber, die ihren Gästen in den Zimmern und Ferienwohnungen keine Rundfunkempfangsmöglichkeit zur Verfügung stellen, bedarf es einer Ausnahmeregelung; ihre Beitragspflicht erweist sich ohne Befreiungsmöglichkeit als teilweise verfassungswidrig (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 27. September 2017 – 6 C 32.16 – GewArch 2018, 76).

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 7. November 2016, Az: 2 A 2258/15, Urteilvorgehend VG Köln, 20. August 2015, Az: 6 K 2825/14, Urteil

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Inhaberin eines Hostels in der K.straße, K., mit nach ihren Angaben 40 beitragspflichtigen Gästezimmern ohne sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 5. Juli 2013 für die Zeit von Februar 2013 bis April 2013 rückständige Rundfunkbeiträge für die Betriebsstätte in Höhe von 17,97 € für drei Monate und für die Zimmer von monatlich 239,60 € nebst Säumniszuschlag auf insgesamt 744,77 € fest.
2
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Im anschließenden Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht die Beteiligten Anfang August 2016 auf seine bisherige rundfunkbeitragsrechtliche Rechtsprechung hingewiesen und den Beteiligten hierzu eine dreiwöchige Stellungnahmefrist eingeräumt; gleichzeitig hat es um Mitteilung gebeten, ob auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werde und mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter Einverständnis bestehe. Mit Schreiben vom 23. August 2016 verzichtete die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, erklärte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und teilte mit, eine weitere Stellungnahme sei beabsichtigt. Mit Urteil vom 7. November 2016 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine nichtsteuerliche Abgabe handele, deren Regelung in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle. Die Abgabe diene der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 RStV und fließe nicht in den allgemeinen staatlichen Haushalt. Der Beitrag werde nicht voraussetzungslos geschuldet, sondern als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben. Die Zweckgebundenheit des Beitrags komme in dessen tatbestandlicher Ausgestaltung noch hinreichend zum Ausdruck. Der Anknüpfung vornehmlich an die Betriebsstätte liege die gesetzgeberische Erwägung zugrunde, dass die Inhaber als Adressaten des Programmangebots den Rundfunk typischerweise in einer der beitragspflichtigen Raumeinheiten nutzten oder nutzen könnten und deshalb das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf den abzugeltenden Vorteil zulasse. Anhaltspunkte für die Annahme eines Härtefalles in analoger Anwendung des § 4 Abs. 6 RBStV lägen nicht vor, da in der Betriebsstätte der Klägerin das Angebot freier WLAN-Nutzung bestehe, die auch ohne Fernsehgeräte eine tatsächliche Nutzungseröffnung im betrieblichen Interesse bedinge.
3
Der Vorteilsausgleich beziehe sich auf den strukturellen Vorteil, den jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ziehe, und den individuellen Vorteil der Möglichkeit der Inanspruchnahme. Dies gelte auch für den unternehmerischen Bereich, dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk spezifische, die Unternehmenszwecke fördernde Vorteile biete, sei es zur Informationsgewinnung, sei es zur Unterhaltung der Beschäftigten oder Kunden.
4
Der Beitrag sei als vergleichsweise geringfügige Belastung anzusehen, die nicht unverhältnismäßig sei. Gegen eine Überfinanzierung oder den Umschlag in eine verdeckte Steuer habe der Gesetzgeber hinreichend effektive Vorkehrungen getroffen, insbesondere weil Überschüsse am Ende der Beitragsperiode vom Finanzbedarf für die folgende Beitragsperiode abzuziehen seien. Er habe angesichts der mit dem Modellwechsel verbundenen Prognoseunsicherheiten bei der Beitragsbemessung nicht davon ausgehen müssen, dass die zu erwartenden Einnahmen den Finanzbedarf beachtlich und auf Dauer übersteigen.
5
Der Rundfunkbeitrag beachte die für nichtsteuerliche Abgaben einzuhaltenden Vorgaben. Seine besondere sachliche Rechtfertigung sei in der Finanzierungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk begründet. Das Aufkommen werde gruppennützig verwendet. Dass die Gruppe der Beitragspflichtigen mit der Allgemeinheit nahezu deckungsgleich sei, liege in der Natur des spezifischen Sondervorteils, den die zumindest nahezu flächendeckende Versorgung mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk bringe.
6
Die Beitragspflicht im nicht privaten Bereich verletze wegen der verhältnismäßig niedrigen Zahlungsverpflichtung nicht die Informationsfreiheit. Sie verstoße ferner nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Kriterien für die Beitragspflicht seien auch unter Berücksichtigung der höchst unterschiedlichen Strukturen im unternehmerischen Bereich hinreichend realitätsgerecht und ausreichend differenziert, um den beitragsauslösenden Vorteil abzubilden und die Beitragslasten im Verhältnis der Abgabenpflichtigen untereinander angemessen zu verteilen. Der Gesetzgeber habe die Beitragspflicht grundsätzlich unwiderleglich und insbesondere nicht gerätebezogen ausgestalten dürfen. Der Vorteil werde durch die Beitragshöhe angemessen abgegolten.
7
Die gesonderte Beitragspflicht für gewerblich vermietete Gästezimmer begegne ebenfalls keinen Bedenken. Ihre Höhe bewege sich im Bagatellbereich. Der Beitrag könne bei der Kalkulation der Zimmerpreise berücksichtigt werden. Die Annahme einer in Hotelzimmern stattfindenden Mediennutzung in nicht geringem Umfang sei bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise realistisch. Hiervon gehe auch die Klägerin aus, da sie mit dieser Nutzungsmöglichkeit für das Hostel werbe.
8
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil ihr vor der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Des Weiteren macht sie geltend, dass es sich bei dem Beitrag um eine Zwecksteuer handele, so dass den Ländern die Gesetzgebungskompetenz fehle. Die an Vorzugslasten zu stellenden Anforderungen seien nicht erfüllt. Die Erhebung einer Abgabe sei zwar sachlich durch die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerechtfertigt; es fehle aber an der normativen Verknüpfung des Rundfunkempfangs mit dem Innehaben einer Raumeinheit. Die Berufung auf statistische Angaben könne den Zusammenhang nicht herstellen. Es sei plausibler, dass Betriebsstätten den Rundfunk nicht nutzten. Es fehle an der Abgeltung eines individuellen Vorteils, weil der Kreis der Beitragspflichtigen von der Allgemeinheit der Steuerpflichtigen nicht abgrenzbar und das Merkmal der Raumeinheit hierfür ungeeignet seien. Dabei gehe das Berufungsgericht in ihrem Fall von unzutreffenden Voraussetzungen aus, wenn es unterstelle, dass sie ihren Gästen in den Zimmern Rundfunkempfang ermögliche. Der Internetzugang reiche – so auch schon ihr unberücksichtigt gebliebener Vortrag in der Berufungsinstanz – nicht für den Empfang von Fernsehsendungen und Hörfunk aus.
9
Die Kontrolle der KEF reiche angesichts der erwirtschafteten Überschüsse und ihrer nicht umgesetzten Empfehlungen im 19. und 20. Bericht zur Gewährleistung des Finanzierungszwecks nicht aus. Dies zeige insbesondere der gestiegene Finanzbedarf für die betriebliche Altersversorgung.
10
Die Beitragspflichten im nicht privaten Bereich überschritten mit der Anknüpfung an Raumeinheiten die Typisierungsgrenzen des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Vorteil der Empfangsmöglichkeit werde durch das Beherbergungsentgelt abgegolten und stelle das Korrelat der Investitionsentscheidung des Inhabers dar. Die zusätzliche Belastung sei nicht gerechtfertigt. Es entspreche nicht ihrem Geschäftsmodell, dass Gäste den öffentlich-rechtlichen Rundfunk intensiv in den Zimmern nutzen könnten. Die Beitragspflicht stelle für sie angesichts geringer Gewinnspannen einen erheblichen Aufwand dar. Das Beitragsregime hätte eine Widerlegbarkeitsoption für Härtefälle vorsehen müssen, zumal sie einen erheblichen Anteil ausländischer Gäste habe, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nutzten. Die Regelung des Beherbergungsbeitrags sei insgesamt verfassungswidrig.
11
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und weist auf die Möglichkeit der Internetnutzung in den Zimmern der Klägerin hin, mit der diese werbe.


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