Aktenzeichen II R 17/19 (II R 58/14), II R 17/19, II R 58/14
§ 1 Abs 1 Nr 3 GrEStG 1997
§ 1 Abs 1 Nr 1 UmwG
§ 2 Nr 1 UmwG
§ 4 UmwG
§ 4ff UmwG
§ 46 UmwG
§§ 46ff UmwG
§ 1 Abs 1 Nr 2 UmwG
§ 1 Abs 1 Nr 3 UmwG
Art 107 Abs 1 AEUV
Art 3 Abs 1 GG
Leitsatz
1. § 6a GrEStG gilt für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind .
2. Bei der Verschmelzung einer von einem herrschenden Unternehmen abhängigen Gesellschaft auf eine andere abhängige Gesellschaft muss das herrschende Unternehmen fünf Jahre vor der Verschmelzung zu mindestens 95 % an beiden abhängigen Gesellschaften ununterbrochen beteiligt gewesen sein (Vorbehaltensfrist) .
Verfahrensgang
vorgehend FG München, 22. Oktober 2014, Az: 4 K 37/12, Urteilvorgehend BFH, 18. Juli 2017, Az: II R 58/14, Beschluss
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 22.10.2014 – 4 K 37/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
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Mit notariell beurkundetem Verschmelzungsvertrag vom 21.06.2010 wurde die A-GmbH, deren Grundbesitz in den Bezirken mehrerer Finanzämter belegen war, als übertragende Gesellschaft durch Aufnahme nach §§ 2 Nr. 1, 4 ff., 46 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG) auf die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 09.09.2010 in das Handelsregister eingetragen.
2
Zum Zeitpunkt der Verschmelzung waren die A-GmbH und die Klägerin jeweils 100 %ige Tochtergesellschaften der X-S.A. Diese war zum Verschmelzungszeitpunkt seit mehr als fünf Jahren Alleingesellschafterin der A-GmbH und seit Mai 2007 zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt.
3
In dem Übergang des Eigentums an den Grundstücken der A-GmbH auf die Klägerin aufgrund des Verschmelzungsvertrags vom 21.06.2010 sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes in der für 2010 geltenden Fassung (GrEStG) als erfüllt an. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 28.03.2011 stellte das FA nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen für den Erwerbsvorgang der Klägerin gesondert fest. Dabei versagte es eine Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) sind die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG nicht erfüllt. Die X-S.A. sei nicht –wie erforderlich– mehr als fünf Jahre vor dem Umwandlungsvorgang zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 243 veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Ihrer Ansicht nach sind die Voraussetzungen für die Anwendung des § 6a GrEStG im Streitfall erfüllt. Zwar sei die X-S.A. zum Zeitpunkt der Verschmelzung noch nicht fünf Jahre mit mindestens 95 % an ihr beteiligt gewesen. Sie –die Klägerin– sei jedoch seit mindestens fünf Jahren finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der herrschenden Gesellschaft eingegliedert gewesen. Entsprechend der Systematik der §§ 5 und 6 GrEStG sei die in § 6a Satz 4 GrEStG normierte Fünfjahresfrist grundstücksbezogen auszulegen. Aus diesem Grund sei die Fünfjahresfrist auf die Beteiligung am übertragenden, grundbesitzenden Rechtsträger zu beschränken und komme vorliegend nicht zur Anwendung, weil die Klägerin die die Grundstücke aufnehmende Gesellschaft und deshalb vor der Verschmelzung nicht Zurechnungsobjekt der Grundstücke gewesen sei.
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Es sei mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar, dass die fünfjährige Vorbehaltensfrist für abhängige Gesellschaften, die innerhalb der Fünfjahresfrist durch einen Umwandlungsvorgang im Verbund entstanden seien –nach nunmehr herrschender Meinung in Literatur und Verwaltung–, nicht gelten würde, hingegen im Streitfall einzuhalten sei. Die Begünstigungswirkungen des § 6a GrEStG würden damit von Zufälligkeiten abhängen und willkürlich eintreten.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 28.03.2011 sowie die Einspruchsentscheidung vom 07.12.2011 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
9
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Es stellt keinen Antrag.
10
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 18.07.2017 – II R 58/14 im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen vom 30.05.2017 – II R 62/14 (BFHE 257, 381, BStBl II 2017, 916) ausgesetzt. Das Verfahren wird nach Ergehen des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Verfahren A-Brauerei vom 19.12.2018 – C-374/17 (EU:C:2018:1024) fortgeführt.