Steuerrecht

(Verfassungsrechtlich zulässige unechte Rückwirkung durch §§ 15b, 20 Abs. 2b Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 37d EStG i.d.F. des JStG 2007)

Aktenzeichen  VIII R 16/18

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.250321.VIIIR16.18.0
Normen:
§ 15b EStG 2002 vom 13.12.2006
§ 52 Abs 37d EStG 2002 vom 13.12.2006
§ 20 Abs 2b S 1 EStG 2002 vom 13.12.2006
§ 25 Abs 1 EStG 2002
§ 36 Abs 1 EStG 2002
§ 52 Abs 33a S 1 EStG 2002 vom 13.12.2006
EStG VZ 2006
§ 38 AO
Art 2 Abs 1 GG
Art 3 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

§§ 15b, 20 Abs. 2b Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 37d Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) beinhalten eine zulässige unechte Rückwirkung, soweit danach im Jahr 2006 entstandene negative Einkünfte aus Kapitalvermögen aus einem Steuerstundungsmodell, das der Steuerpflichtige am 20.12.2005 gezeichnet hat, der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG unterliegen.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 16. April 2018, Az: 10 K 201/17, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 16.04.2018 – 10 K 201/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Hiervon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Tatbestand

I.
1
Die Beteiligten streiten über die Feststellung eines verrechenbaren Verlustes gemäß § 15b Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2006) anzuwendenden Fassung (EStG), den der Kläger und Revisionskläger (Kläger) aus einer Beteiligung an der Beigeladenen erzielt hat.
2
Die Beigeladene ist eine KG, deren Komplementärin eine weder am Gewinn noch am Verlust beteiligte GmbH ist. Als geschäftsführender Kommanditist war im Streitjahr Herr Z und als Treuhandkommanditistin die YA-GmbH beteiligt.
3
Unternehmenszweck der Beigeladenen war das Halten und Verwalten einer von der Y-Bank emittierten Schuldverschreibung mit einem festen, jährlich zahlbaren Zins und einer Bonusverzinsung, die am Ende der Laufzeit vergütet wird (“Asset Linked Note”). Die Laufzeit der Asset Linked Note reichte vom 22.12.2005 bis zum 21.12.2012. Der Festzins betrug 2,6 % p.a., zahlbar jährlich nachschüssig jeweils am 22.12. eines Jahres. Am 21.12.2012 wurden ein einmaliger Festzins in Höhe von 10,2057 % sowie ein Bonuszins in Höhe von mindestens 2,33 % auf den Nominalbetrag der Asset Linked Note gezahlt.
4
Anleger konnten sich zunächst über die Treuhandkommanditistin mit einer Mindesteinlage von 600.000 € an der Beigeladenen beteiligen und ab dem 01.01.2006 ihre Eintragung als Kommanditisten in das Handelsregister beantragen. Sie hatten die Möglichkeit, den Erwerb der Beteiligung fremd zu finanzieren. Für die Gewährung entsprechender Darlehen lag ein verbindliches Angebot der Y-Bank vor, welches die Anleger mit der Unterzeichnung eines dem Beteiligungsprospekt beiliegenden Darlehensvertrags annehmen konnten. Das Darlehen war mit einem Zinssatz von 3,1233 % p.a. des Bruttodarlehensbetrags zu verzinsen. Darüber hinaus war ein Disagio in Höhe von 5 % zu entrichten, welches bei der Auszahlung des Bruttodarlehensbetrags einbehalten wurde. Die Zinszahlungen waren jährlich im Voraus am 22.12. eines Jahres fällig und wurden ab dem zweiten Jahr mit den jährlich fälligen Festzinszahlungen auf die Asset Linked Note verrechnet. Den die Festzinszahlungen übersteigenden Teil der Darlehenszinsen konnten die Anleger durch eine Erhöhung des Darlehensbetrags ebenfalls fremdfinanzieren. Hierzu erhielten sie jedes Jahr in Höhe des Differenzbetrags ein Angebot über die Inanspruchnahme eines zusätzlichen Darlehens. Die Rückzahlung des (Gesamt-)Darlehens war zum 21.12.2012 fällig.
5
Der Kläger beteiligte sich am 20.12.2005 als Treugeber mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 900.000 € an der Beigeladenen. Zur Finanzierung seiner Einlage nahm er bei der Y-Bank ein Darlehen in gleicher Höhe auf. Die auf den Kläger jährlich entfallenden Zinsen aus der Asset Linked Note wurden vollständig für die Tilgung der Darlehenszinsen verwendet. Zur Finanzierung der Zinsdifferenz machte er von dem Angebot der Inanspruchnahme eines zusätzlichen Darlehens Gebrauch. Im Streitjahr entrichtete der Kläger Darlehenszinsen in Höhe von insgesamt 30.130 €. Die anteilig auf ihn entfallenden Zinsen aus der Asset Linked Note beliefen sich auf 23.400 €.
6
Mit Bescheid vom 22.10.2007 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Einkünfte der Beigeladenen aus Kapitalvermögen auf ./. … € gesondert und einheitlich fest. Damit verbunden wurde die Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG für die Anleger. Für den Kläger wurde ein verrechenbarer Verlust in Höhe von 6.730 € festgestellt. Mit Änderungsbescheid vom 25.01.2008 stellte das FA die Einkünfte der Beigeladenen auf ./. … € fest. Der verrechenbare Verlust des Klägers betrug weiterhin 6.730 €. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO). Mit Bescheid vom 09.07.2009 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
7
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1947 veröffentlichtem Urteil ab.
8
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er macht die Verletzung materiellen Rechts geltend.
9
Der Kläger beantragt sinngemäß,das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 16.04.2018 – 10 K 201/17 aufzuheben und den Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des nicht ausgleichsfähigen Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG vom 22.10.2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 09.07.2009 und der Einspruchsentscheidung vom 08.01.2010 dergestalt zu ändern, dass die den Kläger betreffende Feststellung eines verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG aufgehoben wird.
10
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
11
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.


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