Steuerrecht

Zur Höhe der AfA-Bemessungsgrundlage von im Gesamthandsvermögen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft befindlichen Wirtschaftsgütern nach einer zwischenzeitlichen gewerblichen Prägung

Aktenzeichen  IX R 13/19

Datum:
22.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.220221.IXR13.19.0
Normen:
§ 16 Abs 3 EStG 2002
§ 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002
§ 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG 2002
§ 4 Abs 1 S 1 EStG 2002
§ 6 Abs 1 Nr 4 EStG 2002
§ 7 Abs 1 S 1 EStG 2002
§ 7 Abs 4 EStG 2002
§ 7 Abs 5 EStG 2002
§ 23 EStG 2002
§ 16 Abs 3 EStG 2009
§ 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009
§ 9 Abs 1 S 3 Nr 7 EStG 2009
§ 4 Abs 1 S 1 EStG 2009
§ 6 Abs 1 Nr 4 EStG 2009
§ 7 Abs 1 S 1 EStG 2009
§ 7 Abs 4 EStG 2009
§ 7 Abs 5 EStG 2009
§ 23 EStG 2009
§ 42 AO
EStG VZ 2007
EStG VZ 2008
EStG VZ 2009
EStG VZ 2010
EStG VZ 2011
EStG VZ 2012
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

1. NV: Eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG liegt auch dann vor, wenn eine gewerblich geprägte Personengesellschaft ihre gewerbliche Prägung verliert.
2. NV: Werden Wirtschaftsgüter einer gewerblich geprägten Personengesellschaft –hier Gebäude– wegen des Wegfalls der gewerblichen Prägung in das Privatvermögen überführt und von der nunmehr vermögensverwaltenden Gesellschaft weiterhin zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt, sind als Bemessungsgrundlage für die AfA die gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter als fiktive Anschaffungskosten anzusetzen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Hamburg, 29. März 2019, Az: 3 K 287/17, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 29.03.2019 – 3 K 287/17 aufgehoben.
Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011, jeweils datierend vom 16.07.2014, sowie für 2012, datierend vom 29.07.2014, sämtlich in Gestalt der gemeinsamen Einspruchsentscheidung vom 21.11.2017, werden mit der Maßgabe geändert, dass die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung
im Streitjahr 2007 von 310.954,10 € um 216.668,98 € auf 94.285,12 €,
im Streitjahr 2008 von 171.629,48 € um 219.864,98 € auf – 48.235,50 €,
im Streitjahr 2009 von 175.433,53 € um 219.864,98 € auf – 44.431,45 €,
im Streitjahr 2010 von 205.489,09 € um 186.373,90 € auf 19.115,19 €,
im Streitjahr 2011 von – 428.247,51 € um 186.373,90 € auf – 614.621‚41 €
und
im Streitjahr 2012 von 80.284,50 € um 186.373,90 € auf – 106.089,40 € herabgesetzt werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, von welcher Bemessungsgrundlage die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in den Streitjahren (2007 bis 2012) Absetzungen für Abnutzung (AfA) für in ihrem Gesamthandsvermögen befindliche Immobilienobjekte und andere Wirtschaftsgüter vornehmen kann.
2
Die Klägerin ist eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die im Jahr 1989 in der Rechtsform einer GbR durch A, B, C und D gegründet wurde; Zweck der Gesellschaft ist die Verwaltung eigenen Immobilienvermögens, aus dem die Klägerin in den Streitjahren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte.
3
Zum Zwecke der Haftungsbegrenzung beschlossen die Gesellschafter am 07.07.2001, die Klägerin in das Handelsregister einzutragen und als (vermögensverwaltende) Kommanditgesellschaft unter Wahrung ihrer Identität fortzuführen. A übernahm die Funktion des persönlich haftenden Gesellschafters (Komplementärs) und zeichnete eine Einlage im Nennbetrag von 1.750.000 €; als weitere Komplementärin (ohne Einlage) wurde die X-GmbH in das Handelsregister eingetragen. Die Gesellschafter B, C und D übernahmen Kommanditeinlagen in Höhe von jeweils 1.500.000 €; C wurde geschäftsführende Kommanditistin der nunmehr als GmbH & Co. KG firmierenden Klägerin.
4
Zum 31.12.2002/01.01.2003 wechselte A in die Stellung eines Kommanditisten; die X-GmbH wurde alleinige Komplementärin und Geschäftsführerin der (nunmehr i.S. von § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG– gewerblich geprägten) Klägerin. Durch Gesellschafterbeschluss vom 30.12.2005 wechselte A mit Wirkung vom 01.01.2006 wieder in die Stellung eines Komplementärs der KG; seine Kommanditeinlage in Höhe von 1.800.000 € wurde Festkapital.
5
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2002 wies die Klägerin die von ihr durch Überschussrechnung ermittelten Einkünfte aus den in ihrem Gesamthandsvermögen befindlichen Immobilienobjekten –wie in allen Vorjahren– als solche aus Vermietung und Verpachtung aus. In den Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2003, für 2004 und für 2005 erklärte die Klägerin diese Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb, die sie durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte. Im Jahresabschluss über das Rumpfgeschäftsjahr vom 01.01.2003 bis zum 31.03.2003 wies die Klägerin die nunmehr zum Betriebsvermögen rechnenden Immobilienobjekte gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit den Teilwerten zum 01.01.2003 aus. In ihrer Feststellungserklärung für 2006 sowie in den Folgejahren wies die Klägerin die Einkünfte aus ihren Immobilienobjekten wieder als solche aus Vermietung und Verpachtung aus. Die Klägerin setzte als “Entnahmewert” zum 31.12.2005 für die bis zu diesem Zeitpunkt in ihrem Betriebsvermögen befindlichen Immobilienobjekte und anderen Wirtschaftsgüter die in der Bilanz zum 31.12.2005 ausgewiesenen Buchwerte an; die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Buchwerte am 31.12.2005 den gemeinen Werten der Wirtschaftsgüter zu diesem Zeitpunkt entsprachen. Die Ermittlung sowohl der Teilwerte zum 01.01.2003 wie auch der gemeinen Werte zum 31.12.2005 war Gegenstand von zwei Außenprüfungen durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) und wurde –jedenfalls im Ergebnis– nicht beanstandet. Ausgehend von den so festgestellten gemeinen Werten zum 31.12.2005 als Bemessungsgrundlage ermittelte die Klägerin die im Veranlagungszeitraum 2006 in ihrer Überschussrechnung zu berücksichtigenden AfA-Beträge.
6
In ihren Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre führte die Klägerin die AfA für ihre Immobilienobjekte und anderen Wirtschaftsgüter bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus den im Vorjahr ermittelten gemeinen Werten fort. Das FA setzte die Einkünfte der Klägerin in den für die Streitjahre ergangenen, gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zunächst jeweils erklärungsgemäß fest.
7
Nach Durchführung einer Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 vertrat das FA die Auffassung, dass die AfA-Beträge in den Streitjahren nicht in der erklärten Höhe angesetzt werden könnten; der Teilwert bzw. der gemeine Wert bilde nach einer Überführung eines Immobilienobjektes aus dem Betriebs- in das Privatvermögen nur dann die Bemessungsgrundlage für die weitere AfA, wenn das Wirtschaftsgut mit diesem Wert steuerlich erfasst worden sei. Dies sei vorliegend weder bei der Einlage in 2003 noch bei der Entnahme in 2005 geschehen. Bemessungsgrundlage für die weitere AfA seien daher die historischen Anschaffungskosten abzüglich der bisher vorgenommenen AfA. Soweit das AfA-Volumen bei einzelnen (anderen) Wirtschaftsgütern im Zeitpunkt der gewerblichen Prägung bereits aufgebraucht gewesen sei, entfalle der Ansatz eines AfA-Betrages insgesamt. Darüber hinaus seien Restbuchwerte einzelner Wirtschaftsgüter wegen des zwischenzeitlichen überhöhten AfA-Ansatzes zu korrigieren. Das FA erließ daraufhin unter dem 16.07.2014 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2007 bis 2011 und unter dem 29.07.2014 einen geänderten Feststellungsbescheid für 2012. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin hatten keinen Erfolg.
8
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es entschied, dass sich die AfA der Klägerin in den Streitjahren zwar nach den historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (und nicht nach den mit den Buchwerten der Wirtschaftsgüter zum 31.12.2005 identischen gemeinen Werten) bemesse; diese seien –entgegen der Auffassung des FA– jedoch nicht um die in den Vorjahren berücksichtigten AfA-Beträge zu mindern.
9
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie vertritt die Auffassung, dass der durch den Eintritt und den Wegfall der gewerblichen Prägung stattgefundene Wechsel der Einkunftsart am 31.12.2002/01.01.2003 bzw. am 31.12.2005/01.01.2006 nicht besteuerungsabschnittsübergreifend, sondern gemäß den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung beurteilt werden müsse. Durch den Eintritt der gewerblichen Prägung zum Jahreswechsel 2002/2003 seien die im Gesamthandsvermögen der Klägerin befindlichen Immobilienobjekte mit dem Teilwert zu bewerten; denn der Eintritt der gewerblichen Prägung sei wie eine Einlage zu behandeln. Soweit der Gesetzgeber die Überführung der Immobilienobjekte vom Privatvermögen der vermögensverwaltenden Personengesellschaft in das Betriebsvermögen derselben nunmehr gewerblich geprägten Gesellschaft –mangels Eingreifens der Vorschrift des § 23 EStG durch Überschreiten der Haltefrist von zehn Jahren– nicht der Besteuerung unterwerfe, könne dies nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Der Einlagewert zum 01.01.2003 bilde in den folgenden Jahren die Bemessungsgrundlage für die AfA. Die Überführung der nämlichen Immobilienobjekte vom Betriebsvermögen der gewerblich geprägten Personengesellschaft in das Privatvermögen der nunmehr erneut vermögensverwaltenden Personengesellschaft durch Wegfall der gewerblichen Prägung zum Jahreswechsel 2005/2006 sei ein einer Entnahme gleichgestellter Vorgang; die Entnahme erfolge zum gemeinen Wert. Der Entnahmewert bilde sodann für die Folgejahre die Bemessungsgrundlage für die AfA. Eine § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG entsprechende Regelung zur Minderung der AfA-Bemessungsgrundlage für zuvor in einer anderen Einkunftsart genutzte Wirtschaftsgüter habe der Gesetzgeber für den Fall der Entnahme nicht vorgesehen. Die Entnahme selbst sei ein im betrieblichen Bereich voll steuerpflichtiger Vorgang; unerheblich sei, dass im Fall der Klägerin mangels vorhandener stiller Reserven ein Entnahmegewinn nicht entstanden ist. Ein anderes Ergebnis lasse sich auch nicht aus § 23 Abs. 1 EStG ableiten.
10
Die Klägerin beantragt sinngemäß,das angefochtene Urteil des FG aufzuheben sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011, jeweils datierend vom 16.07.2014, sowie für 2012, datierend vom 29.07.2014, sämtlich in Gestalt der gemeinsamen Einspruchsentscheidung vom 21.11.2017, mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtungim Streitjahr 2007 von 310.954,10 € um 216.668,98 € auf 94.285,12 €,im Streitjahr 2008 von 171.629,48 € um 219.864,98 € auf – 48.235,50 €,im Streitjahr 2009 von 175.433,53 € um 219.864,98 € auf – 44.431,45 €,im Streitjahr 2010 von 205.489,09 € um 186.373,90 € auf 19.115,19 €,im Streitjahr 2011 von – 428.247,51 € um 186.373,90 € auf – 614.621‚41 € undim Streitjahr 2012 von 80.284,50 € um 186.373,90 € auf – 106.089,40 €herabgesetzt werden.
11
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
12
Es vertritt die Auffassung, dass im Rahmen einer Überführung von Wirtschaftsgütern vom Betriebs- in das Privatvermögen der Teilwert oder der gemeine Wert nur dann an die Stelle der historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten treten könne, wenn die stillen Reserven tatsächlich steuerlich erfasst wurden oder noch erfasst werden könnten. Im Streitfall seien indes keine stillen Reserven entstanden. Gegebenenfalls sei überdies zu prüfen, ob die Klägerin durch die kurzfristige gewerbliche Prägung eine unangemessene rechtliche Gestaltung verwirklicht habe.


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