Strafrecht

3 StR 493/21

Aktenzeichen  3 StR 493/21

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:250122B3STR493.21.0
Normen:
§ 64 StGB
§ 85 Abs 1 S 1 IRG
§§ 85ff IRG
Spruchkörper:
3. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Kleve, 20. September 2021, Az: 140 Ks 3/21

Tenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 20. September 2021 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Strafkammer hat von einer Unterbringung der alkoholabhängigen Angeklagten, die ihren Lebensgefährten in einem akuten Alkoholrausch tötete, in einer Entziehungsanstalt mit der Begründung abgesehen, es fehle an der Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB. Die polnische Angeklagte, die zur Tatzeit ihren Wohnsitz in Polen hatte und sich nur vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt, sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Sie verfüge, obgleich sie sich zum Urteilszeitpunkt bereits mehrere Monate in Untersuchungshaft befunden habe, weiterhin nicht einmal über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Zudem habe sie kein Interesse daran, Deutsch zu lernen, und sei nicht therapiewillig. Wegen der Sprachbarriere bestehe keine realistische Möglichkeit, die Angeklagte im Rahmen eines kommunikativen Prozesses für eine Therapie zu motivieren.
Diese Erwägungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. November 2021 – 2 StR 380/21, juris Rn. 12 f.; vom 8. Juni 2021 – 2 StR 91/21, NStZ-RR 2022, 10 f.; vom 21. März 2019 – 3 StR 81/19, NStZ-RR 2019, 174 f.; vom 13. Juni 2018 – 1 StR 132/18, NStZ-RR 2018, 273, 274 f. mwN; vom 22. Januar 2013 – 3 StR 513/12, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1 Rn. 6).
Insbesondere stellt es keinen Rechtsfehler dar, dass die Strafkammer nicht in den Blick genommen und geprüft hat, ob eine Überstellung der Angeklagten gemäß §§ 85 ff. IRG in Verbindung mit dem EU-Rahmenbeschluss Freiheitsstrafen (Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008; ABl. L 327 vom 5. Dezember 2008, S. 27) nach Polen zum Vollzug der Maßregel in Betracht kommen könnte, sofern dort entsprechende Einrichtungen existieren. Denn bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB handelt es sich um eine den Angeklagten belastende Maßregel (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 1994 – 2 BvL 3/90, BVerfGE 91, 1, 28, 31; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2021 – 1 StR 463/20, juris Rn. 17; Urteil vom 18. Dezember 2019 – 2 StR 331/19, NStZ-RR 2020, 208; Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7). Die ungewisse und vom erkennenden Gericht nicht zu beeinflussende Möglichkeit, dass es eventuell zu einer – gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 IRG im Ermessen der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde liegenden (vgl. Schomburg/Lagodny/Hackner, IRG, 6. Aufl., § 85 Rn. 9) – Überstellung der Angeklagten zur Urteilsvollstreckung nach Polen und sodann dort zu ihrer Unterbringung in einer Einrichtung kommt, die einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 StGB entspricht, ist nicht geeignet, die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Unterbringung positiv festzustellen und hierauf eine die Angeklagte zusätzlich belastende Maßregelanordnung zu stützen (so auch LK/Cirener, StGB, 13. Aufl., § 64 Rn. 152; MükoStGB/van Gemmeren, 4. Aufl., § 64 Rn. 71; s. aber – nicht tragend – BGH, Beschlüsse vom 23. September 2021 – 1 StR 329/21, juris Rn. 12; vom 7. Mai 2019 – 1 StR 150/19, juris Rn. 14; vom 13. Juni 2018 – 1 StR 132/18, NStZ-RR 2018, 273, 275; vom 10. Juli 2012 – 2 StR 85/12, NStZ 2012, 689, 690).
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