Strafrecht

Ablehnung einer Wiedereinsetzung nach Versäumung der Revisionseinlegungsfrist unter Verwerfung des Rechtsmittels: Anspruch eines polnischen Verurteilten auf Übersetzung der rechtskräftigen Entscheidung

Aktenzeichen  3 StR 519/18

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:071220B3STR519.18.0
Normen:
§ 187 Abs 1 S 1 GVG
§ 187 Abs 2 S 1 GVG
§ 187 Abs 2 S 4 GVG
§ 187 Abs 2 S 5 GVG
§ 44 StPO
Spruchkörper:
3. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 12. Dezember 2018, Az: 3 StR 519/18, Beschlussvorgehend LG Lüneburg, 2. August 2017, Az: 27 Ks 7/17

Tenor

Der Antrag des Verurteilten, ihm eine Abschrift des in die polnische Sprache übersetzten Beschlusses des Senats vom 12. Dezember 2018 zuzusenden, wird abgelehnt.

Gründe

1
Mit Urteil vom 2. August 2017 hat das Landgericht Lüneburg den Antragsteller wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nachdem er zunächst kein Rechtsmittel eingelegt hatte, ist das Urteil am 10. August 2017 in Rechtskraft erwachsen. Mehr als ein Jahr später hat der Verurteilte, der zwischenzeitlich zur weiteren Vollstreckung der Strafe in sein Heimatland Polen überstellt worden war, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt und Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2018 hat der Senat sowohl den Wiedereinsetzungsantrag als auch das Rechtsmittel als unzulässig verworfen.
2
Mit eigenhändigem Schreiben vom 19. Mai 2020 hat der Verurteilte “die Zusendung von Kopien der Gerichtsentscheidungen … der I. und II. Instanz … in der polnischen Sprache” beantragt. Für die Tatsacheninstanz hat das Landgericht Lüneburg den Antrag mit Beschluss vom 31. August 2020 zurückgewiesen. Für die Revisionsinstanz ist der Vorsitzende des Senats zur Entscheidung berufen (s. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – 1 StR 320/17, BGHSt 63, 192 Rn. 5).
3
Der Verurteilte hat mit seinem Begehren keinen Erfolg, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Übersetzung des Senatsbeschlusses vom 12. Dezember 2018 nicht vorliegen.
4
1. Die Entscheidung, ob einem Verurteilten Schriftstücke zu übersetzen sind, richtet sich nach § 187 GVG.
5
Die Vorschrift begründet keinen generellen Übersetzungsanspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 – 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283 Rn. 10 mwN). Vielmehr bestimmt § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG, dass das Gericht für den Beschuldigten oder Verurteilten, welcher der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Sprachmittler heranzieht, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Diese allgemeine Regelung konkretisierend, sieht § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG für den – nicht verteidigten (vgl. § 187 Abs. 2 Satz 4 und 5 GVG) – sprachunkundigen Beschuldigten in der Regel eine schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen, Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen vor.
6
2. Danach besteht kein Anspruch des Verurteilten auf Übersetzung des Senatsbeschlusses vom 12. Dezember 2018.
7
Da Rechtsmittel gegen den Beschluss nicht statthaft sind, sind keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer der Verurteilte eine Abschrift in polnischer Sprache zur Ausübung von strafprozessualen Rechten benötigen würde. Dass nach dem rechtkräftigen Abschluss des Verfahrens grundsätzlich kein Anspruch auf Übersetzung besteht, ist in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich klargestellt (s. BT-Drucks. 17/12578, S. 11) und steht mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 (ABl. EU L 280 vom 26. Oktober 2010, S. 1) in Einklang (s. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – 1 StR 320/17, BGHSt 63, 192 Rn. 17 ff.; ferner BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2018 – 4 StR 51/17, bei Cierniak/Niehaus, NStZ-RR 2020, 332, 333).
8
Soweit der – im Erkenntnisverfahren verteidigte – Verurteilte mit weiterem Schreiben vom 18. Mai 2020 angekündigt hat, erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision zu beantragen, begründet dies keinen Anspruch auf Übersetzung der Entscheidung, mit der ein gleichlautender Antrag bereits verworfen worden ist.
Schäfer


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