Strafrecht

Fahrerlaubnis, Vollziehung, Bescheid, Fahreignung, Amphetamin, Eintragung, Cannabis, Fahrerlaubnisentziehung, Ermessensentscheidung, Zwangsgeld, Gutachten, Verwaltungsakt, Sofortvollzug, Antragsteller, Interesse der Allgemeinheit, sofortige Vollziehung, aufschiebende Wirkung

Aktenzeichen  Au 7 S 21.1637

Datum:
30.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41402
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
1. Der im Jahr 1990 geborene Antragsteller war im Besitz einer Fahrerlaubnis für die Klassen A, B und eingeschlossene Klassen. Am 13. Februar 2020 ging bei der Antragsgegnerin eine Mitteilung der Polizeiinspektion … in … ein, wonach gegen den Antragsteller wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz – allgemeiner Verstoß mit Amphetamin in Pulver oder flüssiger Form – ermittelt werde. In seiner Wohnung seien am 14. Juli 2019 0,04 g Amphetamin und zwei Druckverschlusstüten mit Marihuana-Anhaftungen aufgefunden und sichergestellt worden.
Am 24. Februar 2020 ging bei der Antragsgegnerin eine Mitteilung des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes, Zentrale Bußgeldstelle, über die Rechtskraft eines Bußgeldbescheids ein. Der Antragsteller hatte am 29. Oktober 2019 ein Fahrzeug unter Wirkung eines berauschenden Mittels geführt. Bei der Blutuntersuchung war eine THC-Konzentration von 4,40 ng/ml festgestellt worden. Die Antragsgegnerin holte daraufhin ein Führungszeugnis nach § 31 des Bundeszentralregistergesetzes über den Antragsteller ein, das folgende Einträge aufwies:
Datum der Entscheidung: 6. September 2017
Erkennende Stelle: Amtsgericht …
Datum der Rechtskraft: 15. Januar 2018
Datum der Tat: 13. Dezember 2016
Tatbezeichnung: vorsätzliche Körperverletzung
Datum der Entscheidung: 5. März 2019
Erkennende Stelle: Amtsgericht …
Datum der Rechtskraft: 3. April 2019
Datum der Tat: 1 November 2018
Tatbezeichnung: Bedrohung in Tatmehrheit mit Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen
Wegen der Taten wurden jeweils Geldstrafen verhängt.
Die Antragsgegnerin holte außerdem eine Auskunft aus dem Fahreignungsregister ein. Hier ergaben sich folgende Eintragungen:
Tattag
Rechtskraft
Tatbezeichnung/Grund der Eintragung
Punkte
9.9.2016
7.5.2018
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 69 km/h
2
15.4.2018
13.6.2018
Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage
1
Ermahnung nach dem Fahreignungsbewertungssystem vom 20.7.2018
Ermahnung nach dem Fahreignungsbewertungssystem vom 27.9.2018
29.10.2019
5.2.2020
Sie führten das Kraftfahrzeug unter Wirkung eines berauschenden Mittels
2
Am 21. Juli 2020 ging bei der Antragsgegnerin die Mitteilung der Polizeiinspektion wegen eines Betäubungsmitteldelikts des Antragstellers ein. Gegen ihn werde wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz – allgemeiner Verstoß mit Cannabis einschließlich Zubereitungen am 30. Juni 2020 – ermittelt. Er sei einer Kontrolle unterzogen worden. Hierbei sei in dem mitgeführten Tabaksbeutel ein angerauchter Marihuana-Joint aufgefunden worden.
Der nunmehr eingeholte Ausdruck aus dem Fahreignungsregister wies zusätzlich zu den oben genannten Eintragungen noch den Ablauf eines einmonatigen Fahrverbots vom 30. April 2020 auf, außerdem eine Verwarnung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem vom 26. März 2020.
Am 5. November 2020 sprach der Antragsteller bei der Antragsgegnerin vor, um seinen Führerschein erneuern zu lassen, da dieser von seiner Tochter zerstört worden sei. Er wurde in diesem Zusammenhang über den Vorfall vom 14. Juli 2019 befragt (Besitz von Amphetamin). Der Antragsteller gab nach einem Aktenvermerk der Antragsgegnerin an, keine harten Drogen zu nehmen. Er sei über die anstehende Aufforderung zu einer ärztlichen Begutachtung aufgeklärt worden und sei hiermit einverstanden.
Unter dem 17. Dezember 2020 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (BfF) auf. Es seien Zweifel an der Kraftfahreignung des Antragstellers aufgetreten. Am 14. Juli 2019 sei in seiner Wohnung Amphetamin und Marihuana aufgefunden worden. Am 29. Oktober 2019 sei er im Straßenverkehr mit einer Fahrt unter Cannabiseinfluss auffällig geworden. Bei der toxikologischen Blutuntersuchung sei eine THC-Konzentration von 4,40 ng/ml festgestellt worden. Bei einem Gespräch am 5. November 2020 habe er angegeben, dass er keine sog. harten Drogen konsumiere. Da es sich bei den aufgefundenen Betäubungsmitteln um typische Mengen für den Eigenkonsum handle und sich keine Hinweise auf einen etwaigen Handel mit Betäubungsmitteln ergaben, sei zu befürchten, dass der Antragsteller Konsument sog. harter Drogen und damit ungeeignet zum Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs sei. Ob er tatsächlich Betäubungsmittel konsumiere und dadurch die Kraftfahreignung ausgeschlossen sei, könne nur durch ein Gutachten geklärt werden. Das Gutachten habe folgende Fragestellung zu beantworten:
„Nimmt bzw. nahm der Untersuchte Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes ein, die die Fahreignung nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in Frage stellen?“
Als Rechtsgrundlagen für das Gutachten wurde § 46 Abs. 3 FeV, § 11 Abs. 2 und 6 FeV, § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV angegeben. Das Gutachten sei bis zum 16. März 2021 vorzulegen. Die Gutachtensanforderung enthielt die üblichen Hinweise und Belehrungen und wurde dem Antragsteller am 19. Dezember 2020 zugestellt.
Der Antragsteller beauftragte die … mit der Gutachtenserstellung.
Nach weiterer Aufforderung legte der Antragsteller das Gutachten am 22. April 2021 bei der Antragsgegnerin vor, das am 19. April 2021 an ihn versandt worden war.
Im Gutachten ist ausgeführt, dass der Antragsteller eigenen Angaben zufolge im Sommer 2020 bis August oder September insgesamt etwa vier Mal Cannabis und etwa zwei Mal „Speed“ konsumiert habe. Für das Jahr 2019 habe er angegeben, er sei „wenn, dann in Kommunikation gewesen, aber Konsum könne man da nicht sagen“. Bei der festgestellten Fahrt unter Drogeneinfluss (29.10.2019) habe er einen Joint gehabt und das restliche Amphetamin, aber am Wochenende zuvor, nicht am Tag der Kontrolle.
Die durchgeführte Urinprobe vom 15. März 2021, sowie eine Haaranalyse über einen Zeitraum von vier Monaten hätten keinen Nachweis einer der untersuchten Substanzen gebracht. Bei der verkehrsmedizinischen Befragung habe der Antragsteller widersprüchliche bzw. nicht nachvollziehbare Angaben zu seinem früheren Drogenkonsum gemacht. Insbesondere seien die angegebenen Konsummengen bzw. die Konsumzeit nicht mit den festgestellten Werten und der Aktenlage in Einklang zu bringen. Eine valide diagnostische Beurteilung hinsichtlich der Drogenproblematik und somit eine umfassende Beantwortung der behördlichen Fragestellung sei aus diesem Grunde aus medizinischer Sicht nicht möglich. Zusammenfassend wird die Fragestellung wie folgt beantwortet: (der Antragsteller) hat Betäubungsmittel (Cannabis und Amphetamin) im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder anderer psychoaktiv wirkender Stoffe im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes eingenommen, die die Fahreignung nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in Frage stellen. Aufgrund der widersprüchlichen bzw. nicht nachvollziehbaren Angaben ist eine weitergehende Einschätzung des Konsumverhaltens nicht möglich.
Unter dem 22. April 2021 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Entziehung der Fahrerlaubnis an. Für den Antragsteller meldete sich dessen Prozessbevollmächtigter unter Vorlage einer Vollmacht für ein bestimmtes Bußgeldverfahren bei der Antragsgegnerin, beantragte Akteneinsicht und äußerte sich sodann zum Verfahren.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2021, dem Antragsteller persönlich zugestellt am 24. Juni 2021, entzog die Antragsgegnerin diesem die Fahrerlaubnis und ordnete an, den Führerschein spätestens drei Tage nach Zustellung des Bescheids bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen wurde angeordnet. Für den Fall der Nichtablieferung des Führerscheins innerhalb der festgesetzten Frist wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht.
Das vorgelegte Gutachten vom 19. April 2021 habe die Zweifel der Fahrerlaubnisbehörde an der Kraftfahreignung des Antragstellers bestätigt. Die Nichteignung stehe damit fest, die Fahrerlaubnis sei zu entziehen. Die sofortige Vollziehung von Entziehung und Ablieferungspflicht sei im überwiegenden öffentlichen Interesse anzuordnen. Der Antragsteller habe zwar geltend gemacht, er benötige die Fahrerlaubnis zur Ausübung seines Berufes. Dem habe jedoch das Interesse der Allgemeinheit am Schutz vor ungeeigneten Fahrzeugführern gegenübergestanden. Insbesondere Personen, die Betäubungsmittel konsumieren, seien als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Der Konsum von Betäubungsmitteln rufe für die Zeit der Wirkung eines Giftstoffes oder sogar dauernd schwere körperlichgeistige (psychische) und die Kraftfahrleistung beeinträchtigende Schäden beim Konsumenten hervor. Es bestehe somit eine Gefahr für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer als öffentliches Interesse, das die Individualinteressen des Betroffenen überwiege. Der Führerschein sei sofort vollziehbar abzuliefern, da der Besitz des Führerscheins den Eindruck erwecken könne, als ob der Betroffene nach wie vor eine Fahrerlaubnis besitzen würde.
Über den hiergegen am 16. Juli 2021 eingelegten Widerspruch hat die Regierung von … noch nicht entschieden.
2. Am 3. August 2021 stellte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 16. Juli 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Juni 2021 anzuordnen.
Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, der Antragsteller sei als Zusteller beschäftigt.
Die Anordnung des Sofortvollzugs sei bereits unwirksam, da sie einem Formfehler unterliege. Die Verfügung sei zwar dem Antragsteller zugestellt worden. Bis heute sei der Bescheid jedoch beim Bevollmächtigten nicht eingegangen. Die Verfügung sei im Adressfeld an den Bevollmächtigten gerichtet, sei jedoch an den Antragsteller übersandt worden.
Außerdem sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung unbegründet, da überwiegende und dringende Gründe für eine konkrete unmittelbar drohende Gefahr für den öffentlichen Straßenverkehr bei weiterer Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr nicht vorlägen und die sofortige Vollziehung ohne schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses aufgeschoben werden könne. Die Interessenabwägung ergebe hier, dass die Antragsgegnerin kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dargelegt und glaubhaft gemacht habe. Demgegenüber habe der Antragsteller sein besonderes und überwiegendes Interesse an der aufschiebenden Wirkung dargelegt und glaubhaft gemacht und zwar hinsichtlich seiner Berufsausübung mit Hinweis auf die besonderen Umstände seines drohenden Arbeitsplatzverlustes. Der Antragsteller sei seiner Arbeit bisher ohne Beanstandungen zuverlässig und kompetent nachgegangen. Eine Einsatztätigkeit ohne selbständige Fahrten zu den Kunden und Einsatzorten sei nicht möglich. Da Zusteller aus wirtschaftlichen Gründen allein unterwegs seien, sei eine Weiterbeschäftigung des Antragstellers nicht möglich. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die sofortige Vollziehung nicht aufgeschoben werden könne. Andere Fahrerlaubnisbehörden – wie etwa die der Stadt … – würden in vergleichbaren Fällen, in welchen keine konkrete Beeinträchtigung, Ordnungswidrigkeit oder Straftat vorgelegen habe, den Sofortvollzug aussetzen und die Durchführung ärztlicher Begutachtung über mehrere Monate hinweg ermöglichen. Warum dies hier nicht möglich sein sollte, erschließe sich nicht. Entsprechend dem verwaltungsrechtlichen Übermaßverbot seien mildere Maßnahmen stets zu prüfen, um die geringstmögliche verhältnismäßige Maßnahme dann anzuordnen. Der Antragsteller sei Alleinverdiener und habe seine Familie zu versorgen.
Mit dem Antrag wurde eine Bestätigung des Arbeitgebers des Antragstellers vorgelegt, wonach dieser für seine tägliche Arbeit unbedingt eine gültige Fahrerlaubnis benötige. Der Antragsteller arbeite seit 2018 mit dem Transportunternehmen zusammen. Es handle sich um einen zuverlässigen, kompetenten Fahrer. Die Kunden seien sehr zufrieden mit seiner Arbeit und ohne Führerschein könne der Antragsteller seine Arbeit nicht ausüben.
3. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Der Bescheid sei rechtmäßig, da der Antragsteller nicht fahrgeeignet sei. Der Antragsteller habe keine besonders berücksichtigungswerten Einzelinteressen vorgetragen, die das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs überwiegen könnten. Das Führen von Kraftfahrzeugen unter Einfluss von Betäubungsmitteln stelle eine nicht zu vernachlässigende Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer dar.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behörden akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO führt in der Sache nicht zum Erfolg.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (st.Rspr., vgl. statt vieler BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 20.2342 – Rn. 18, juris), da über den hier eingelegten Widerspruch noch nicht entschieden wurde.
Der Antrag ist nach § 122 Abs. 1, § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass bean- tragt wird, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 22. Juni 2021 nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1, 2. Alterna- tive VwGO wiederherzustellen, da die Fahrerlaubnisbehörde die sofortige Vollziehung der in den Nummern 1 und 2 getroffenen Verfügungen in Nr. 3 des Bescheids ange- ordnet hat. Hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Nr. 6 des Be- scheids (Zwangsgeldandrohung, s. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG) soll die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1, 1. Alternative VwGO angeordnet werden. Der Antrag ist insoweit zulässig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
1. Die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 und 2 des Bescheids wurde formell ordnungs gemäß angeordnet.
a) Der Bescheid und damit die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurden ord nungsgemäß gegen Postzustellungsurkunde (Art. 3 VwZVG) an den Antragsteller zugestellt (Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG). Eine Zustellung an den Prozessbevollmächtigten war zwar möglich (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VwZVG, Art. 41 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG), aber nicht erforderlich, da er im Verwaltungsverfahren keine Vollmacht vorgelegt hatte (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Die von ihm vorgelegte Vollmacht betraf ausschließlich ein bestimmtes Bußgeldverfahren (Bl. 58 der vorgelegten Behördenakte).
b) Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis, die im Bescheid gegeben wird, entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalles darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. Die Behörde hat im streitgegenständlichen Bescheid dargelegt, warum der Antragsteller als nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr angesehen wird. Das besondere öffentliche Interesse, die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr sofort zu unterbinden und die Bestandskraft des Bescheids nicht abzuwarten, wird mit den Eignungszweifeln und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Dieses öffentliche Interesse wurde mit den persönlichen Interessen des Antragstellers abgewogen, was den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Der Umstand, dass im streitgegenständlichen Bescheid angesprochene Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht zu einem Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (st.Rspr., vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – Rn. 16, juris, m.w.N.).
2. Bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung wiederherzustel len bzw. anzuordnen, hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden soll, hier also diejenigen des Widerspruchs vom 16. Juli 2021. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass das Rechtsmittel mit Sicherheit Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen.
3. Diese Interessenabwägung führt hier zum Überwiegen der öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des streitgegenständlichen Bescheids, da der Widerspruch des Antragstellers im maßgeblichen Zeitpunkt als erfolglos zu beurteilen ist; der angefochtene Bescheid ist nach der im Eilverfahren ausreichenden, aber auch erforderlichen summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt rechtmäßig.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis – ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel u.a. nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Dies ist beim Antragsteller der Fall.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) einnimmt. Es ist nicht erforderlich, dass ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter Einfluss eines solchen Betäubungsmittels geführt wurde. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (st.Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn 10 m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind (BayVGH, B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308 – Rn. 14, juris). Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ist auch bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis die Fahreignung nicht gegeben, wenn zusätzlich andere psychoaktiv wirkende Stoffe (hier Amphetamin) konsumiert werden.
b) Durch das Gutachten der, Absendedatum 19. April 2021, steht fest, dass der An tragsteller nicht nur THC (Cannabisprodukte) konsumiert hat, sondern auch Amphetamin, da der Konsum von Cannabis und Amphetamin dem Gutachter gegenüber bestätigt wurde. Damit hat der Antragsteller nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 9.1 und Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verloren, da Amphetamin gemäß Anl. III zum Betäubungsmittelgesetz ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes darstellt.
Das Gutachten wurde im Übrigen auch rechtmäßig angeordnet, abgesehen davon, dass die Frage, ob die Behörde ein Gutachten etwa fehlerhaft angeordnet hat, nach Vorlage desselben durch den Betroffenen nicht mehr relevant ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein vom Betroffenen der Behörde vorgelegtes Gutachten als neue Tatsache, die selbständige Bedeutung für die Beurteilung der Fahreignung hat, verwertbar. Hat der Kraftfahrer das von ihm geforderte Gutachten vorgelegt oder sich einer angeordneten Prüfung gestellt, hat sich dadurch die Anordnung in der Weise erledigt, dass von seitens der Behörde rechtswidrig erlangten Erkenntnissen nicht mehr gesprochen werden kann (BVerwG, U.v. 28.4.2010 – 3 C 2/10 – juris, Rn. 19; BayVGH, B.v. 20.6.2018 – 11 CS 18.1027 – juris, Rn. 9, m.w.N.).
Nach Nr. 9.5 Anl. 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung kann nach Entgiftung und Entwöhnung nach einjähriger (nachgewiesener) Abstinenz Fahreignung wieder vorliegen, was dann ggf. durch Vorlage eines medizinischpsychologischen Gutachtens nachzuweisen ist (§ 11 Abs. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV). Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein einjähriger Abstinenzzeitraum bereits eingehalten wurde. Nachweise einer Abstinenz liegen aufgrund der bei der ärztlichen Begutachtung entnommenen Haarprobe nur für den Zeitraum von 4 Monaten rückwirkend ab März 2021 vor. Geltend gemacht hat der Antragsteller Abstinenz seit „August oder September 2020“ (s. Ärztliches Gutachten S. 5). Die Angaben zu seinem Konsumverhalten sind nach Einschätzung des Gutachters jedoch widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, was sich aus der Aktenlage unschwer nachvollziehen lässt. Der Antragsteller hat offenkundig nicht lediglich im Sommer 2020 ein paar Mal Drogen konsumiert. Vielmehr ist er bereits 2019 mit Amphetamin aufgefallen und hat unter Wirkung von THC am Straßenverkehr teilgenommen. Damit kann hier insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass der letzte Konsum im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bereits ein Jahr zurückliegt und deshalb eine mögliche Wiedergewinnung der Fahreignung im Sinne von Nr. 9.5 Anl. 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung mittels medizinischpsychologischer Begutachtung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV zu untersuchen wäre, denn der Antragsteller selbst gibt August oder September 2020 an, was zudem auch nicht glaubhaft ist. Gegebenenfalls müsste hier eine weitergehende Untersuchung im Widerspruchsverfahren angeordnet werden.
c) Da der Antragsteller seine Fahreignung somit verloren hat und derzeit nichts für eine Wiedergewinnung spricht, war die Fahrerlaubnis des Antragstellers zu entziehen, ohne dass der Behörde hier ein Ermessensspielraum zukam (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV).
d) Die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins beruht auf § 47 Abs. 1 FeV.
Da der Bescheid somit rechtmäßig ist, kommt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs schon aus diesem Grund nicht in Betracht.
4. Auch eine von den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels unabhängige Interessen abwägung im Hinblick auf eine wegen Zeitablaufs im Widerspruchsverfahren etwa durchzuführende Untersuchung der Wiedergewinnung der Fahreignung ergibt hier jedoch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Sicherheit des Straßenverkehrs über das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Dem öffentlichen Interesse daran, die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr vorläufig zu unterbinden, ist ein größeres Gewicht einzuräumen als seinem Interesse daran, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Es entspricht der Pflicht des Staates zum Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), nur solche Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, deren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG, § 11 Abs. 1, § 46 Abs. 1 FeV). Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen die für sofort vollziehbar erklärte Fahrerlaubnisentziehung kommt deshalb in der Regel nur in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafürsprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (BayVGH, B.v. 1.4.2008 – 11 CS 07.2281 – juris). Vom Antragsteller geht dagegen ein im Vergleich zu anderen Verkehrsteilnehmern wesentlich erhöhtes Gefahrenpotenzial aus. Nicht nur ist der Antragsteller bereits einmal mit einer relativ hohen THC-Konzentration im Straßenverkehr aufgefallen, er hat auch Amphetamin konsumiert und außerdem ist aufgrund seiner nicht nachvollziehbaren Aussagen im Rahmen der ärztlichen Begutachtung davon auszugehen, dass er seinen Konsum nicht wahrheitsgemäß dargestellt hat. Die von ihm gemachten Angaben sind widersprüchlich und nicht mit der Aktenlage in Einklang zu bringen. Auf die Widersprüchlichkeit der Aussagen hat auch der Gutachter hingewiesen. Es spricht also nichts dafür, dass das vom Antragsteller ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt. Es ist daher davon auszugehen, dass das Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer an der sofortigen Vollziehung des Bescheids hier das Interesse des Antragstellers, vorerst weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen, überwiegt. Dass die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Fahrerlaubnisinhabers gravierend beeinflussen kann und die Folgen der Fahrerlaubnisentziehung im Einzelfall auch berufliche Einschränkungen zur Folge haben, hebt die Notwendigkeit, einen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehenden Fahrerlaubnisinhaber zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer mit sofortiger Wirkung von einer weiteren Verkehrsteilnahme auszuschließen, nicht auf. Wer nicht die Gewähr dafür bietet, der besonderen Verantwortung bei der Teilnahme am Straßenverkehr gerecht zu werden, muss hinnehmen, dass seine beruflichen und sonstigen privaten Interessen an der Beibehaltung der Fahrerlaubnis hinter dem öffentlichen Interesse an einer Vermeidung der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zurückstehen (vgl. OVG Saarl, B.v. 21.12.2017 – 1 B 720/17 – a.a.O. Rn. 25). In diesem Zusammenhang deutet es vielmehr auf einen besonders fahrlässigen Umgang mit der Verantwortung im Rahmen der Teilnahme am Straßenverkehr hin, wenn Personen, die beruflich auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen sind, gleichwohl fahreignungsausschließende Substanzen konsumieren.
5. Da somit die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Fahrerlaubnisentziehung der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es im überwiegenden öffentlichen Interesse auch bei der sofortigen Vollziehbarkeit der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben, und der in Nr. 6 enthaltenen Zwangsgeldandrohung hierzu.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) sowie den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, Anhang zu § 164 Rn. 14). Danach sind die Fahrerlaubnisklassen A und B mit einem Streitwert von jeweils 5.000,00 EUR zu werten. Der sich so ergebende Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.


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