Verkehrsrecht

Gegenseitige Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen bedeutet auch gegenseitige Anerkennung einer Entziehung oder Aussetzung

Aktenzeichen  M 6 K 16.120

Datum:
15.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV FeV § 47 Abs. 2 S. 6
StVG StVG § 3 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1. Aus dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen folgt umgekehrt die Verpflichtung eines anderen Mitgliedstaats, eine Entscheidung des Ausstellerstaates betreffend diese von ihm erteilte Fahrerlaubnis wie etwa eine Ungültigerklärung, Entziehung oder Aussetzung ohne eigene Prüfung dieser Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit anzuerkennen. Einwände des Inhabers dieser Fahrerlaubnis muss er ausschließlich gegenüber der zuständigen Behörde des Ausstellerstaates oder vor dortigen Gerichten geltend machen. (amtlicher Leitsatz)
Auch wenn das “Ruhen der Fahrerlaubnis” nach ausländischem Recht keine deutsche Entsprechung kennt, steht eine ausländische Entscheidung, nach derer der Kläger von seiner ungarischen Fahrerlaubnis jedenfalls bis auf Weiteres keinen Gebrauch mehr machen darf und die ihn verpflichtet, seinen ungarischen Führerschein bei der zuständigen ungarischen Behörde abzuliefern, der Entziehung der Fahrerlaubnis gleich. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Androhung des Zwangsgelds in Nr. 2 des Bescheids vom … Dezember 2015 richtet. Der Kläger hat seinen Führerschein am … Dezember 2015 abgeliefert. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die Behörde das angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) gleichwohl beitreiben will. Insoweit ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis demnach unzulässig.
2. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom … Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
2.1 Zur Begründung nimmt das Gericht Bezug auf die Gründe dieses Bescheids und macht sie sich zur Begründung seiner Entscheidung zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Spätestens aufgrund der Übersetzung der Entscheidung der ungarischen Behörde vom … August 2013 steht fest, dass der Kläger zur Abgabe seines Führerscheins bei dieser Behörde verpflichtet ist und dass seine ungarische Fahrerlaubnis unter Anordnung sofortiger Vollziehung „ruht“. Damit liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 2 Satz 6 FeV vor, so dass sich die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids vom … Dezember 2015 als rechtmäßig erweist.
2.2 Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klagepartei greifen nicht durch.
Ob der Bescheid der ungarischen Behörde vom … August 2013 dem Kläger wirksam bekanntgegeben wurde und ob er inhaltlich richtig bzw. rechtmäßig ist, kann offen bleiben. Denn aus dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen folgt umgekehrt die Verpflichtung eines anderen Mitgliedstaats, eine Entscheidung des Ausstellerstaates betreffend diese von ihm erteilte Fahrerlaubnis wie etwa eine Ungültigerklärung, Entziehung oder Aussetzung ohne eigene Prüfung dieser Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit ebenso anzuerkennen wie deren Erteilung. Einwände des Inhabers dieser Fahrerlaubnis muss er ausschließlich gegenüber der zuständigen Behörde des Ausstellerstaates oder vor dortigen Gerichten geltend machen. Hierauf ist der Kläger vorliegend zu verweisen, etwa wenn er vorträgt, ihm sei dieser Bescheid nicht wirksam bekanntgegeben worden. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn die Maßnahme der Behörde des anderen EU-Mitgliedstaates ohne Weiteres als offensichtlich rechtswidrig zu erkennen ist, kann dahinstehen, da hierfür vorliegend weder etwas vorgetragen wurde noch sonst ersichtlich ist.
Eventuell noch im Verwaltungsverfahren bestehende Unklarheiten bezüglich des Inhalts der behördlichen Entscheidung vom … August 2013 sind jedenfalls mit Vorlage einer von einer gerichtlich bestellten und vereidigten Dolmetscherin für die ungarische Sprache erstellten Übersetzung dieses Bescheids ausgeräumt. Auch wenn der Begriff „Ruhen der Fahrerlaubnis“ keine klare Entsprechung im deutschen (Fahrerlaubnis-) Recht haben mag, so steht doch zweifelsfrei fest, dass eine Entscheidung getroffen wurde, aufgrund derer der Kläger von seiner ungarischen Fahrerlaubnis jedenfalls bis auf Weiteres keinen Gebrauch mehr machen darf und die ihn verpflichtet, seinen ungarischen Führerschein bei der zuständigen ungarischen Behörde abzuliefern. Für solche Fälle bietet § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i. V. m. § 47 Abs. 2 Satz 6 FeV die Rechtsgrundlage dafür, eine solche Verpflichtung mit Hilfe einer deutschen Behörde durchzusetzen. Maßgeblicher Grund für diese Regelung ist, dass der Betroffene durch Vorlage des von der Maßnahme einer ausländischen Behörde betroffenen Führerscheins, aufgrund derer er von diesem keinen Gebrauch mehr machen darf, nicht mehr den Eindruck erwecken kann, im Besitz einer EU-Fahrerlaubnis zu sein, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen u. a. im Bundesgebiet berechtigt.
Schließlich verhilft auch der Hinweis auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Juni 2014 (Az. 11 CS 14.627) der Klage nicht zum Erfolg. Denn im dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war unklar, ob die Maßnahme der ungarischen Fahrerlaubnisbehörde nicht nur die Fahrprüfungen des Betroffenen, sondern auch dessen Fahrerlaubnis betrafen und ob solche Maßnahmen bereits ergriffen worden waren. Hieran besteht vorliegend – wie ausgeführt – kein Zweifel.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.


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