Verkehrsrecht

Keine Umschreibung einer unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis verlängerten serbischen Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  11 B 19.1473

Datum:
19.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
VRS – , 328
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FEV § 31 Abs. 1 S. 1, S. 2, Anl. 11

 

Leitsatz

Verlängert eine zuständige Behörde der Republik Serbien die Geltungsdauer einer zuvor durch eine Behörde des Staatenbunds Serbien und Montenegro, der Bundesrepublik Jugoslawien oder der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien erteilten Fahrerlaubnis, liegt eine serbische Fahrerlaubnis vor, deren Umschreibung nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Anlage 11 unter den dortigen Voraussetzungen grundsätzlich möglich ist. Da die Verlängerung eine materielle Erweiterung der Rechtsstellung des Fahrerlaubnisinhabers bewirkt, ist diese Fahrerlaubnis nur inlandsgültig und umschreibungsfähig, wenn ihr Inhaber zum Zeitpunkt der Verlängerung seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellungsstaat hatte. (Rn. 28 – 39)

Verfahrensgang

M 6 K 18.1378 2019-03-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Umschreibung seiner Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1 und C1E in eine deutsche Fahrerlaubnis der entsprechenden Klassen unter erleichterten Bedingungen.
1. Die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil ist zulässig. Ebenfalls statthaft und zulässig ist die als Untätigkeitsklage erhobene Verpflichtungsklage. Die Beklagte hat über den Antrag des Klägers vom 21. September 2017 auf Umschreibung seiner Fahrerlaubnis unter erleichterten Bedingungen, insbesondere unter Verzicht auf die Befähigungsprüfung und die Ausbildung, bisher nicht durch Bescheid entschieden. Sie hat jedoch durch ihre durchgehend ablehnende Haltung im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren zu erkennen gegeben, dass nach ihrer Auffassung eine Umschreibung unter erleichterten Bedingungen nicht in Betracht kommt. Damit sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann einen Anspruch auf Umschreibung weder aus § 31 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. November 2020 (BGBl I S. 2704), noch aus § 31 Abs. 2 FeV herleiten. Er ist nicht mehr Inhaber einer noch gültigen ausländischen Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1 und C1E, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder dazu berechtigt hat. Die ihm in den Jahren 2003 und 2004 im damaligen Staatenbund Serbien-Montenegro erteilte Fahrerlaubnis war zwar nach seinem Umzug nach Deutschland zunächst noch für sechs Monate inlandsgültig, aber von vornherein bis zum 1. April 2013 befristet. Zu keinem Zeitpunkt inlandsgültig war deren Verlängerung bis 10. August 2021 vor Ablauf ihrer Geltungsdauer durch einen am 10. August 2011 in Tutin (Serbien) ausgestellten Führerschein.
Beantragt der Inhaber einer Fahrerlaubnis, die in einem in Anlage 11 zur Fahrerlaubnis-Verordnung aufgeführten Staat und in einer in dieser Anlage aufgeführten Klasse erteilt worden ist und die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder dazu berechtigt hat, die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die entsprechende Klasse von Kraftfahrzeugen, entfallen nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV die ärztliche Untersuchung und die Untersuchung des Sehvermögens, der Sehtest, die Befähigungsprüfung, die Schulung in Erster Hilfe und die Ausbildung. Die Fahrerlaubnis kann dann, ohne dass die Fahrerlaubnis-Verordnung diesen Begriff ausdrücklich verwendet, unter erheblich erleichterten Bedingungen „umgeschrieben“ werden (Art. 11 Abs. 6 der RL 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein [RL 2006/126/EG – ABl L 403 S.18] bezeichnet diesen Vorgang als „Umtausch“). Beantragt der Inhaber einer Fahrerlaubnis aus einem nicht in Anlage 11 zur Fahrerlaubnis-Verordnung aufgeführten Staat unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die entsprechende(n) Klasse(n) von Kraftfahrzeugen, sind die Vorschriften über die Ausbildung nicht anzuwenden (§ 31 Abs. 2 FeV).
a) Einer Umschreibung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Anlage 11 steht vorliegend allerdings nicht entgegen, dass die klägerische Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1 und C1E in den Jahren 2003 und 2004 vor der Entstehung der Republik Serbien durch den Austritt Montenegros im Juni 2006 aus dem Staatenbund Serbien und Montenegro und damit nicht von serbischen Behörden, sondern von Behörden des Staatenbunds erteilt worden ist. Verlängert eine zuständige Behörde der Republik Serbien die Geltungsdauer einer zuvor durch eine Behörde des Staatenbunds Serbien und Montenegro, der Bundesrepublik Jugoslawien oder der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien erteilten Fahrerlaubnis, liegt eine serbische Fahrerlaubnis vor, deren Umschreibung nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Anlage 11 unter den dortigen Voraussetzungen grundsätzlich möglich ist.
Serbien wurde mit Inkrafttreten der entsprechenden Änderung der Anlage 11 durch Verordnung vom 14. August 2017 (BGBl I S. 3232) am 24. August 2017 in die Staatenliste zu den Sonderbestimmungen für Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis (Anlage 11 zur Fahrerlaubnis-Verordnung) aufgenommen. Damit haben Inhaber einer von Behörden der Republik Serbien erteilten Fahrerlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV Anspruch auf Umschreibung in eine deutsche Fahrerlaubnis der entsprechenden Klasse unter erleichterten Bedingungen, d.h. unter Verzicht auf (nochmalige) ärztliche Untersuchung und Untersuchung des Sehvermögens, auf den Sehtest, auf die Befähigungsprüfung, auf die Schulung in Erster Hilfe und auf die Ausbildung. Dies gilt nicht nur für Fahrerlaubnisse, die seit dem Inkrafttreten der Änderung der Anlage 11 in Serbien erteilt wurden, sondern auch für vor diesem Zeitpunkt erteilte Fahrerlaubnisse. Dementsprechend kann grundsätzlich jede Fahrerlaubnis, die eine zuständige Behörde der Republik Serbien nach deren Entstehung im Juni 2006 erteilt hat, unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV umgeschrieben werden. Dies gilt somit auch für die dem Kläger in Serbien am 10. August 2011 in ihrer Gültigkeit verlängerte Fahrerlaubnis.
Zwar handelt es sich hierbei nicht um die Ersterteilung einer Fahrerlaubnis. Vielmehr wurde die dem Kläger ursprünglich erstmals in den Jahren 2003 und 2004 erteilte Fahrerlaubnis mit der Ausstellung eines neuen, bis 10. August 2021 gültigen Kartenführerscheins zeitlich verlängert. Dass die ursprüngliche Fahrerlaubnis vor der Gründung der Republik Serbien von Behörden des Staatenbunds Serbien und Montenegro erteilt wurde, steht der Umschreibung jedoch nicht entgegen (a.A. offenbar OVG NW, B.v. 25.11.2020 – 16 A 2303/19 – NZV 2021, 319 Rn. 10 f.). Zwar war dieser Staatenbund ebenso wie die mit ihm identische, von 1992 bis 2003 aus den Teilrepubliken Serbien und Montenegro bestehende Bundesrepublik Jugoslawien und die 1992 aufgelöste, in mehrere unabhängige Staaten zerfallene Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien zu keinem Zeitpunkt in Anlage 11 zur Fahrerlaubnis-Verordnung oder in deren Vorgängerregelung (Anlage XXVII zu § 15 StVZO a.F.) genannt. Richtig ist auch, dass die Staatenliste, deren Regelung eine Prüfung vorausgeht, ob das Ausbildungs- und Prüfungsniveau für die jeweiligen Fahrerlaubnisklassen im aufzunehmenden Staat dem Niveau in Deutschland gleichwertig ist, ob die Verkehrsverhältnisse vergleichbar und ob die Dokumente zuverlässig sind, abschließend ist und nicht erweitert ausgelegt werden kann (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Auflage 2021, § 31 FeV Rn. 19; Zähle, NZV 2017, 520 ff. [523, 525]). Bringt allerdings – wie hier – eine zuständige serbische Behörde durch die Verlängerung der Geltungsdauer zum Ausdruck, dass sie eine zuvor durch eine Behörde des Staatenbunds Serbien und Montenegro, der Bundesrepublik Jugoslawien oder der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien erteilte Fahrerlaubnis als gültig anerkennt und nunmehr in eine serbische Fahrerlaubnis umschreibt, handelt es sich dabei um einen innerstaatlichen Rechtsakt der Republik Serbien mit der Folge, dass eine serbische Fahrerlaubnis vorliegt und demnach deren Umschreibung nach Maßgabe von § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Anlage 11 unter den dortigen Voraussetzungen grundsätzlich möglich ist.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der im Vorfeld der Änderung der Anlage 11 vereinbarten Gemeinsamen Absichtserklärung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und des Innenministeriums der Republik Serbien vom 13. und 20. Februar 2017 zu Verfahrensfragen beim Führerscheinumtausch (im Folgenden: Absichtserklärung). Diese Absichtserklärung kann in Zweifelsfragen zur Auslegung der Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Anlage 11 herangezogen werden. Sie betrifft Personen, die – soweit hier von Bedeutung – Inhaber eines gültigen, von den zuständigen Stellen in Serbien ausgestellten Führerscheins sind (vgl. die Präambel und die Begriffsbestimmungen unter I. der Absichtserklärung). Zwar ist die Frage, wie mit Fahrerlaubnissen zu verfahren ist, die in den Vorgängerstaaten der Republik Serbien ausgestellt wurden, nicht ausdrücklich geregelt. Nach Nr. III 3. b der Absichtserklärung sollen jedoch alle gültigen Führerscheinmodelle umgetauscht werden. Die Republik Serbien betrachtet sich als alleinige Rechtsnachfolgerin des Staatenbunds Serbien und Montenegro. Gibt demnach eine serbische Behörde durch einen Rechtsakt zu erkennen, dass sie eine in den Vorgängerstaaten erteilte Fahrerlaubnis als nach serbischem Recht gültig anerkennt, insbesondere durch Ausstellung eines neuen serbischen Führerscheins, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Fahrerlaubnis von der erleichterten Umschreibungsmöglichkeit ausgenommen sein sollte, wenn alle übrigen Voraussetzungen für die Umschreibung erfüllt sind.
b) Die Umschreibung sowohl nach § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV als auch – wie hilfsweise begehrt – nach § 31 Abs. 2 FeV unter Verzicht auf die Ausbildung scheitert hier jedoch daran, dass der Kläger nicht mehr Inhaber einer noch gültigen ausländischen Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1 und C1E ist, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder dazu berechtigt hat.
Die Umschreibung einer ausländischen in eine deutsche Fahrerlaubnis unter Befreiung von bestimmten Erteilungsanforderungen setzt voraus, dass der Antragsteller Inhaber einer noch gültigen ausländischen Fahrerlaubnis ist, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Dies gilt sowohl für eine Umschreibung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. Anlage 11 als auch für eine solche nach § 31 Abs. 2 FeV. Für die aktuell andauernde Gültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis ist der Antragsteller im Zweifelsfall nachweispflichtig (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.1994 – 11 C 60.92 – DVBl 1994, 1192 = juris Rn. 11-13; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 31 FeV Rn. 11).
Der Kläger ist jedoch nicht (mehr) Inhaber einer solchen Fahrerlaubnis. Die ihm in den Jahren 2003 und 2004 im damaligen Staatenbund Serbien-Montenegro erteilte Fahrerlaubnis war zwar nach seinem Umzug nach Deutschland zunächst noch für sechs Monate inlandsgültig. Sie war aber von vornherein bis zum 1. April 2013 befristet und wurde vor Ablauf ihrer Geltungsdauer durch einen am 10. August 2011 in Tutin (Serbien) ausgestellten Führerschein ersetzt, der bis 10. August 2021 gültig ist. Die hiermit verbundene Verlängerung der ursprünglichen Befristung der Fahrerlaubnis bewirkte in zeitlicher Hinsicht eine materielle Erweiterung der Rechtsstellung, die der Kläger aufgrund der in den Jahren 2003 und 2004 erteilten Fahrerlaubnis besaß. Da er im Zeitpunkt der Verlängerung seinen ordentlichen Wohnsitz jedoch nicht in Serbien, sondern in der Bundesrepublik Deutschland hatte, berechtigte ihn seine ab diesem Zeitpunkt bestehende serbische Fahrerlaubnis der Klassen C, CE, C1 und C1E zu keinem Zeitpunkt zum Führen entsprechender Kraftfahrzeuge in Deutschland.
Die Voraussetzungen der sowohl nach § 31 Abs. 1 Satz 1 als auch nach § 31 Abs. 2 FeV für die Umschreibung erforderlichen Inlandsgültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis sind für Staaten, die wie Serbien oder auch der frühere Staatenbund Serbien-Montenegro weder Mitgliedstaat der Europäischen Union noch Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, in § 29 FeV geregelt. Begründet der Inhaber einer in einem solchen Staat erteilten Fahrerlaubnis einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet, besteht die Berechtigung noch sechs Monate und kann auf höchstens zwölf Monate verlängert werden (§ 29 Abs. 1 Satz 4 und 5 FeV). Die Berechtigung, also die Inlandsgültigkeit, gilt jedoch nicht für Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse, die zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen eines Staates, der nicht ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland, also im Bundesgebiet hatten (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV, ebenso ausdrücklich Nr. II 2.c der Absichtserklärung). Aus einer im Inland von vornherein nicht anzuerkennenden Fahrerlaubnis kann sich kein Anspruch auf Umschreibung in eine entsprechende deutsche Fahrerlaubnis ergeben.
Die Voraussetzung, dass eine früher objektiv bestehende und tatsächlich erteilte ausländische Fahrerlaubnis „noch gültig ist“, ist nur erfüllt, wenn diese Fahrerlaubnis nicht nur einmal wirksam erteilt war, sondern nach wie vor aktuell besteht und nicht etwa infolge Zeitablaufs oder infolge sonstiger Ereignisse nachträglich unwirksam geworden ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.4.1994 – 11 C 60.92 – DVBl 1994, 1192 = juris Rn. 12). Daran fehlt es hier. Das vom Senat eingeholte Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht hat ergeben, dass nach Art. 173 Abs. 3 des in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien seit 1988 geltenden Gesetzes über die Grundlagen der Verkehrssicherheit (ZOBSP) die Fahrerlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von zehn Jahren und bei Personen mit mehr als 65 Lebensjahren mit einer Gültigkeitsdauer von drei Jahren erteilt und verlängert wurde. Dies gilt ausnahmslos für sämtliche Fahrerlaubnisklassen. Dabei wurde und wird auch gegenwärtig noch in der Republik Serbien nicht zwischen der Fahrerlaubnis als materieller Berechtigung und dem Führerschein als Dokument zum Nachweis der Berechtigung unterschieden. Vielmehr wurden und werden diese Begriffe synonym verwendet; mit der Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Führerscheins wurde und wird demnach auch die Gültigkeitsdauer der Fahrerlaubnis verlängert. Dem Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht zufolge haben die Bundesrepublik Jugoslawien, der Staatenbund Serbien und Montenegro und die Republik Serbien das 1988 erlassene Gesetz über die Grundlagen der Verkehrssicherheit jeweils zunächst unverändert als eigenes nationales Recht übernommen. Die Republik Serbien hat das Gesetz im Jahre 2009 aufgehoben und durch das Gesetz über die Verkehrssicherheit auf Straßen (ZSBP) ersetzt. Auch dieses sieht allerdings in Art. 185 Abs. 1 ZSBP für alle Fahrerlaubnisklassen nur eine auf (höchstens) zehn Jahre befristete, für die Klassen C, CE, C1 und C1E seit 2018 auf fünf Jahre reduzierte Erteilung vor. Die ebenfalls seit 2009 aufgrund einer Ermächtigung durch Art. 183 Abs. 4 ZBSP in Art. 14 der Richtlinie über Fahrerlaubnisse geregelte Verlängerung verlangt zwar im Unterschied zur Ersterteilung keine (erneute) Fahrprüfung, wird aber nicht von Amts wegen gewährt (so auch die von der Beklagten vorgelegte Antwort des Generalkonsulats der Republik Serbien in München vom 27.12.2017), sondern nur auf Antrag mit der in Art. 185 Abs. 1 ZSBP festgelegten Geltungsdauer, also ebenfalls befristet. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass nach serbischem Recht sowohl die Fahrerlaubnis als auch der Führerschein mit Ablauf der Geltungsdauer ungültig wird und nicht mehr zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt, sofern ihr Inhaber nicht rechtzeitig die Verlängerung beantragt.
Die Ausstellung eines neuen Führerscheins für den Kläger und damit zugleich die Verlängerung seiner Fahrerlaubnis am 10. August 2011 für weitere zehn Jahre für sämtliche Fahrerlaubnisklassen beruht nicht auf einer Ersetzung des Dokuments infolge von Verlust oder Diebstahl, sondern darauf, dass in Serbien gemäß Art. 351 Abs. 5 ZSBP die früheren (Papier-)Führerscheine spätestens bis 2017 in neue Kartenführerscheine umgetauscht werden mussten. Bei dieser Gelegenheit wurde, wie in Art. 14 Abs. 4 der serbischen Richtlinie über Fahrerlaubnisse vorgesehen, auch der neue Gültigkeitszeitraum (10.8.2021), in dem der Fahrer berechtigt ist, Fahrzeuge der entsprechenden Kategorie zu führen, in den neuen Führerschein des Klägers übertragen. Seine ursprüngliche Fahrerlaubnis wurde dadurch gewissermaßen „überschrieben“ und ungültig, was sich auch aus der Auskunft des Generalkonsulats der Republik Serbien in München vom 21. August 2020 an den Senat ergibt.
Diese Erweiterung der Geltungsdauer kann nicht als bloße Verlängerung des Führerscheindokuments angesehen werden. Vielmehr erstreckt sie sich auch auf die nach serbischem Recht vorgesehene Befristung der Fahrerlaubnis und vermittelt dem Fahrerlaubnisinhaber das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen über den zunächst festgelegten Zeitraum hinaus. Dass hierfür auch nach serbischem Recht geringere Anforderungen als für die Ersterteilung gelten und insbesondere keine erneute Befähigungsprüfung abgelegt werden musste, ändert daran nichts. Dabei kann dahinstehen, ob serbisches Recht für die Fahrerlaubnisklassen C, C1, CE und C1E – wie in Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a RL 2006/126/EG für die Erneuerung der Führerscheine von EU-Mitgliedstaaten bei Ablauf der Gültigkeitsdauer vorgesehen – die anhaltende Erfüllung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit für das Führen der betreffenden Fahrzeuge voraussetzt, und wenn ja in welcher Weise dies geprüft wird. Unabhängig davon erweitert die Verlängerung der Fahrerlaubnis die Rechtsstellung des Klägers in zeitlicher Hinsicht. Der ihm am 10. August 2011 ausgestellte Kartenführerschein entspricht dem Führerscheinmuster nach Art. 1 RL 2006/126/EG i.V.m. Anhang 1 und enthält die dort harmonisierten Führerscheinangaben. Sowohl unter Ziffer 4b als auch unter Ziffer 11 ist als Gültigkeitsdatum der 10. August 2021 eingetragen. Ziffer 4b bezeichnet nach Anhang 1 der RL 2006/126/EG sowie nach Anlage 8 zur FeV das Datum, an dem der Führerschein ungültig wird; Ziffer 11 hingegen das Datum, an dem die Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse ungültig wird. Die Erneuerung des Führerscheins hatte somit nach serbischem Recht eine Verlängerung der materiellen Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen der betreffenden Klassen über die bisherige Gültigkeitsdauer hinaus zur Folge (vgl. auch BVerwG, B.v. 10.10.2019 – 3 C 20.17 – juris Rn. 29). Diese wäre auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nur dann inlandsgültig, wenn der Kläger im Zeitpunkt der Verlängerung seinen ordentlichen Wohnsitz in Serbien gehabt hätte (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV; vgl. auch OVG NW, B.v. 25.11.2020 – 16 A 2303/19 – NZV 2021, 319 Rn. 15 ff.). Das war jedoch unstreitig nicht der Fall. Vielmehr hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt, dass er seit 2006 ununterbrochen in Deutschland lebt und dass er sich seinen serbischen Kartenführerschein in Tutin im Jahre 2011 während eines Urlaubs hat ausstellen lassen. Diese Verlängerung der Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip begründet keinen Anspruch auf Umschreibung in eine deutsche Fahrerlaubnis.
3. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
4. Die Revision wird zugelassen, da der Frage, ob eine ursprünglich befristete und vor Ablauf der Geltungsdauer verlängerte ausländische Fahrerlaubnis als noch gültig im Sinne von § 31 FeV anzusehen und damit grundsätzlich umschreibungsfähig ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.


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